Warum fliegt das Ding?
Böse Zungen behaupten, dass es sich mit dem Hubschrauber ähnlich verhält wie mit der Hummel: selbige hat solche Disproportionen an Größe, Flügelfläche und Muskelkraft, dass sie eigentlich gar nicht fliegen könnte. Doch sie weiß das nicht und fliegt deshalb trotzdem.
Für den Hubschrauerführer ist es schon wichtig, einige Zusammenhänge der Aerodynamik zu kennen. Damit kann er den Hubschrauber überreden, trotzdem zu fliegen und sich dabei auf der sicheren Seite zu befinden. Nur mit diesen Kenntnissen ist man in der Lage, zu verstehen, warum der Hubschrauber schon bei der Standschwebe "so komisch schief in der Luft hängt". Und schließlich sollte man auch erkennen, dass in der Realität manches schwerer ist als im Kino.
An dieser Stelle soll die Aerodynamik besonders der sowjetischen/russischen Mil-Hubschrauber betrachtet werden, die sich in ihrer praktischen Ausführung (Drehrichtungen der Rotoren) von westlichen Hubschraubern unterscheiden. Analogiebetrachtungen liegen natürlich nahe, werden von mir aber nicht an jeder Stelle diskutiert.
Eine Beschreibung der allgemeingültigen Aerodynamik, die sich nicht unbedingt nur auf den Hubschrauber bezieht, gibt es auf einer separaten Seite.
Grundlagen
Die Tragschraube ist das wesentliche krafterzeugende Element des Hubschraubers. Durch ihren Schub wird das Gewicht des Hubschraubers ausgeglichen, so hält sie ihn in der Luft. Über die Größe des Tragschraubenschubes (Betrag) lässt sich die Steig- oder Sinkgeschwindigkeit festlegen. Der Hubschrauberführer bestimmt durch das Ziehen am Gassteigungshebel (kollektive Blattverstellung) den Einstell- bzw. Anstellwinkel aller Tragschraubenblätter und damit die von ihnen erzeugte Auftriebskraft. In aller Regel ist mit dem Gassteigungshebel eine automatische Leistungsregulierung der Triebwerke verbunden, da mit erhöhtem/ verringertem Anstellwinkel auch eine höhere bzw. geringere Leistung benötigt wird.
Der Hubschrauber entfaltet seine besonderen Fähigkeiten, indem er sich in alle Richtungen bewegen kann. Die Bewegungsrichtungen oben/unten, rechts/links und vorwärts/rückwärts werden dabei als die 6 Freiheitsgrade bezeichnet. Die Bewegungen nach vorn,hinten, rechts und links werden durch die Neigung des Schubvektors der Tragschraube erreicht.
Untenstehend ist die vereinfachte Darstellung im Horizontal flug zu sehen. Die Trag schrau ben resul tierende (Schub) ist nach vor geneigt. Damit entsteht eine nach vorn gerichtete Kraft, die den Hubschrauber gegen den Luftwiderstand in einer gleichförmigen Bewegung hält. Ist die Kraft nach vorn größer als zum Ausgleich des Luftwiderstandes erforderlich, so wird der Hubschrauber beschleunigt, er holt Fahrt auf.
Prinzipiell kann die Neigung des Schubvektors der Tragschraube in alle Richtungen erfolgen, damit ist er in diese 4 Richtungen völlig frei beweglich (in der Praxis gibt es jedoch Beschränkungen technischer Art). Die Bewegung nach oben und unten erfolgt durch die Änderung des Betrages der Schubkraft - im Gegensatz zur Änderung der Richtung bei den Bewegungen nach vorn/hinten oder zur Seite. Die Neigung des Vektors wird durch die zyklische Verstellung der Tragschraubenblätter erreicht. Gesteuert wird diese mit dem Steuerknüppel. Ein Drücken des Steuerknüppels erhöht den Einstellwinkel im hinteren Bereich der Tragschraube und vermindert ihn im vorderen Bereich. Die Anstellwinkeländerung führt im hinteren Bereich zum Anstieg des Auftriebes, die Blätter heben sich. Im vorderen Teil sinkt der Auftrieb, die Blätter senken sich. So neigt sich der gesamte Tragschraubenkegel in die gewünschte Richtung, das funktioniert genau so auch nach links und rechts. Durch die Verbindung der Tragschraube mit der Zelle neigt diese sich mit, hierbei bestehen jedoch zwischen den Hubschraubern Unterschiede bezüglich Größenördnung und Geschwindigkeit (Gelenktragschraube, halbstarre / starre Tragschrauben).
Die Bezeichnung "zyklische" Verstellung rührt aus dem Sachverhalt her, dass die Einstellwinkeländerung für das einzelne Blatt über den Tragschraubenkreis periodisch verläuft, das Diagramm würde also eine Kurve mit dem Periodenwert 360° sein. Mehr zur Technik der Steuerung ist unter Zelle zu finden.
Die tatsächlich am Hubschrauber entstehenden Kräfte und Momente sind natürlich um einiges komplexer; insbesondere greifen die Kräfte nicht an einem gemeinsamen Punkt an. Sie sind die Ursache für die außerordentlich schwierige Steuertechnik.
Im wesentlichen entstehen folgende Kräfte und Momente am Hubschrauber:
- Gewicht
- Tragschraubenschub (Tragschraubenresultierende)
- Heckschraubenschub
- Rückdrehmoment der Tragschraube
- Rückdrehmoment der Heckschraube
- Auftrieb des Stabilisators
- Kraft an der Seitenflosse
Die grundlegenden Kräfte sind aus den nebenstehenden vereinfachten(!) Grafiken zu ersehen. Die Tragschraubenkraft greift im Neutralpunkt an, die Schwerkraft imSchwerpunkt. Die entstehenden Luftkräfte in Form des Widerstandes greifen imDruckpunkt an. Dabei erfolgte nur eine Darstellung ohne die durch notwendige Steuertechnik entstehenden Kräfte und Momente. Eine detaillierte Betrachtung erfolgt im Kapitel Gleichgewicht.
Bezugssysteme am Hubschrauber - Koordinatensysteme
Zur Betrachtung der Kräfte und Momente am Hubschrauber werden Bezugssysteme eingeführt. Die Kräfte werden in einem dreidimensionalen Koordinatensystem betrachtet. Für die praktische Anwendung gibt es mehrere Koordinatensysteme:
-
Hubschrauberfestes Koordinatensystem
Hubschrauberfestes Koordinatensystem nach in der NVA verwendetem StandardDer Ursprung des hubschrauberfesten Systems ist der Schwerpunkt. Im Falle der Mi-x befindet sich der Schwerpunkt in der Verlängerung der Tragschrauben- achse, hierbei sind nur geringe Abweichungen erlaubt (in der Mi-8 ca. 40cm davor oder 10cm dahinter). Im HS-festen System befinden sich Schwerpunkt und Neutralpunkt (Angriffspunkt der summierten Trag- schraubenkräfte) auf einer gemeinsamen Achse. Das hubschrauberfeste System wird in meinen Beschreibungen mit x1, y1, z1 gekennzeichnet.
Das hubschrauberfeste System ist gegenüber dem erdfesten System je nach Flugzustand in allen Ebenen geneigt. -
Erdfestes Koordinatensystem
Das System wird in Bezug auf die Erde als fest betrachtet. Entsprechend der Fluglage des Hubschraubers differiert es vom HS-festen System, was durch Schräglage und Längsneigung gekennzeichnet ist. Die Bezeichnungen für das erdefeste System sind an dieser Stelle x0, y0, z0.
-
Flugwindfestes Koordinatensystem
Dieses System bezieht sich auf die den Hubschrauber umgebende Luft. Genau genommen ist es für die Untersuchung der Antrömung das bessere System, jedoch erschwert man sich eine Betrachtung gegenüber der Erdoberfläche.
Oftmals setzt man die Geschwindigkeit der Luft gegenüber der Erde (Wind) auf 0, so dass flugwind- und erfestes System identisch werden. Damit kann man bequemer Betrachtungen im erfesten System anstellen. Die Beziehung zwischen beiden Koordinatensystemen ist -falls notwendig- recht einfach herzustellen. -
Bauhorizont
Das System wird i.A. nicht als eigenständiges System genutzt. Es stellt die Bauhorizontale dar, die x-Achse deckt sich mit der Verlängerung des Laderaumbodens. Es ist mit dem hubschrauberfesten System verknüpft, wenn normalerweise auch nicht identisch. Die Zurodnung zwischen beiden ist jedoch fest und ändert sich nicht. In Mi-x werden die Tragschraubenachsen nach vorn geneigt (ca.4°), und im Falle der Mi-24 auch nach rechts. Damit ist die Vertikale y nicht deckungsgleich mit der y-Achse des HS-festen Systems, gemäß der orthogonalen Anordnung der Achsen sind dann ebenfalls auch die x-Achsen verschieden. Bei der Mi-24 unterscheiden sich auch die z-Achsen.
In der Praxis sind das hubschrauberfeste und das erdfeste System von größter Bedeutung. Kräfte und Momente werden vorrangig in diesen beiden Systemen betrachtet, so auch in dieser Abhandlung.
Das in der Literatur der DDR bzw. des Warschauer Vertrages verwendete und hier beschriebene Koordinatensystem ist in seiner Orientierung anders gehalten als es heutzutage in der westlichen Welt üblich ist.
In westlichen Beschreibungen werden die Längsachse mit x, die Querachse mit y und die Hochachse mit z gekennzeichnet - und letztere auch noch mit dem positiven Richtungssinn nach unten, so dass eine das Luftfahrzeug hebende Kraft per Definition in diesem Koordinatensystem negativ ist.
Anströmung des Blattprofils an der Tragschraube
Die Entstehung des Auftriebes an der Tragschraube folgt den selben Gesetzmäßigkeiten wie bei "normalen" Flügeln. Allerdings wird beim Hubschrauber die Tragschraube mit ihren Blättern beständig durch Triebwerksleistung in Drehung versetzt (und damit das einzelne Blatt mit einer Vorwärtsgeschwindigkeit versehen), so dass das Blatt ständig umströmt wird und einen Auftrieb liefert. Daher kann der Hubschrauber als solches auf der Stelle verharren, währenddessen die Tragschraube Auftrieb liefert. Das Tragschraubenblatt gleicht in seinen aerodynamischen Eigenschaften einem normalen Flügel. Damit weist auch ein Tragschraubenblattprofil eine Polare auf. Der Auftrieb und der Widerstand folgen einer Kurve in einem (für genau dieses Profil typischen) Polardiagramm.
Die Polare eines Profils gibt auf grafische Art die Abhängigkeit von cA und cW(Auftrieb- und Widerstandsbeiwert) vom Anstellwinkel an. Aus der Polare kann damit das Verhalten des Profils bei einem bestimmten Anstellwinkel abgeleitet werden, so sind Erklärungen über den günstigsten Anstellwinkel möglich, ebenso das Ablesen deskritischen Anstellwinkels. Der kritische Anstellwinkel ist der Anstellwinkel, bei dem die Strömung gerade noch zur Auftriebserzeugung beiträgt. Eine weitere Erhöhung des Anstellwinkels führt unmittelbar zum Strömungsabriss und damit zum Verlust des Auftriebs. Der kritische Anstellwinkel ist im weiteren für die Betrachtung aerodynamischer Grenzzustände sehr wichtig. Der günstigste Anstellwinkel dagegen deutet auf das beste Verhältnis (Maximum) von Auftriebs- zu Widerstandsbeiwert hin und sagt damit etwas über den Anstellwinkel aus, bei dem man mit dem geringsten Energieaufwand den meisten Auftrieb erfliegt - also die höchste Effektivität.
Blattspitzen bewegen sich auf einer Kreisbahn in der Drehebene. Dadurch bewegen sich die weiter innen liegenden Blattteile langsamer gegenüber der Luft als die außenliegenden. Die äußeren Teile würden daher mehr Auftrieb erzeugen als die innen liegenden. Dem wird mehr oder weniger durch konstruktive Besonderheiten Rechnung getragen (aerodynamische Schränkung: Verringerung des Einstellwinkels, Verringerung der Wölbung des Profils, Verringerung der relevanten Fläche).
Erklärungen zu den Blattkräften
Das Blatt bewegt sich (wie die gesamte Tragschraube) in der Drehebene der Tragschraube. Die Blätter haben einen bestimmten Einstellwinkel, welcher letzten Endes durch die Stellung des Gassteigungshebels (kollektive Blattverstellung) und den Steuerknüppel (zyklische Blattverstellung), bestimmt wird. Der Einstellwinkel ist infolge der zyklischen Blattverstellung normalerweise in den unterschiedlichen Positionen bei der Tragschraubenumdrehung auch unterschiedlich.
Auf der Drehebene greift die Umfangsgeschwindigkeit v an. Durch die Luftbewegung am TS-Blatt entsteht neben dem gewünschten Auftrieb auch eine Bewegung der Luft, die abwärts gerichtet ist. Diese vi (induzierte Geschwindigkeit oder korrekter: induzierte Nachstromgeschwindigkeit) genannte Geschwindigkeit überlagert sich mit der Umfangsgeschwindigkeit, und gemäß den Gesetzen der Vektoralgebra ergibt sich die Anströmgeschwindigkeit w. Der Winkel zwischen der Anströmung w und der Profilsehne wird als effektiver Anstellwinkel bezeichnet, dieser geht gemäß der Polare unmittelbar in die Größe der erzeugten Auftriebskraft ein.
Generell gelten folgende Abhängigkeiten:
- vi~Induzierter Widerstand (Fwi)
- vi~Einstellwinkel φ für M<0.4
- vi~Auftrieb (FA) für Anstellwinkel kleiner dem kritischen
- Die Auftriebskraft FA steht senkrecht auf der Anströmgeschwindigkeit
- Die Schubkraft FS steht senkrecht auf der Drehebene
- Die resultierende FR entsteht aus dem Auftrieb FA und dem Widerstand FW
- Der effektive Anstellwinkel α wird gemessen zwischen Profilsehne und Anströmgeschwindigkeit
Die induzierte Geschwindigkeit ist über die Blattlänge nicht gleich verteilt, obwohl dies natürlich die angestrebte Form wäre. Infolge der unterschiedlichen Umfangsgeschwin digkeiten entstehen unterschiedliche induzierte Geschwin digkeiten, die auch durch die o.g. konstruktiven Maßnahmen der Profiländerung über die Blattlänge nicht vollständig angeglichen wird. Aus der Größe der induzierten Geschwindigkeit wird direkt über den Anstellwinkel die Auftriebskraft bestimmt, die Auftriebskraft verändert sich damit ebenfalls über die Blattlänge. An den Rändern der Blätter kommt es wie bei allen Flügeln zu Randwirbeln. Die Randwirbel entstehen aus dem Ausgleich des Druckunterschiedes zwischen Ober- und Unterseite.
Schlag- und Schwenkbewegungen
Schlagbewegungen sind Bewegungen des Blattes senkrecht zur Drehebene - also nach oben und unten. Die Schlagbewegungen entstehen durch einen veränderten Auftrieb des Blattes:
- Veränderung des Einstellwinkels des Blattes (Ziehen/ Absenken des Gassteigungshebels/ Pitch)
- Änderung des Auftriebes infolge veränderter Anströmungsgeschwindigkeiten (bei Vorwärtsflug usw., siehe hier)
Schlagbewegungen sind auf Grund der Befestigung des Blattes an der Nabe stets Teil einer Kreisbewegung in vertikaler Ebene. Die Bewegung selbst führt zu einer zusätzlichen Anströmung von oben (bei Bewegung des Blattes nach oben) oder von unten (bei Bewegung nach unten), die weitere Auswirkungen auf den momentanen Auftrieb an diesem Blattelement hat.
Schwenkbewegungen sind Bewegungen des Blattes in der Drehebene vor oder zurück - und sind stets ausschließlich die Folge von vorausgegangenen Schlagbewegungen. Hierfür ist der Corioliseffekt verantwortlich (wirklich gute Erklärung des Effektes auf der Wikipedia-Seite), der an dieser Stelle für den Erhalt des Drehimpulses sorgt: Durch das Schlagen nach oben bewegt sich der Massenschwerpunkt des Blattes in einer vertikalen Kreisbahn und verringert damit seinen horizontalen Abstand zur Nabe. Auf Grund des geringeren Abstandes des Schwerpunktes erhöht sich die Geschwindigkeit des Blattes, denn der Drehimpuls bleibt in seiner Größe konstant - das Blatt eilt in der Drehebene nach vorn.
Beim Schlagen nach unten (aus der erhöhten Position heraus, die ein Blatt infolge der Kegelbildung der Tragschraube hat) vergößert sich der horizontale Abstand zur Nabe wieder; infolge der Drehimpulskonstanz verringert sich die Geschwindigkeit des Blattes und es bleibt in der Drehebene zurück.
Damit die Bewegungen des Blattes nicht über die Materialbelastbarkeit hinausgehen, werden in der Tragschraubennabe die Blätter i.A. gelenkig aufgehangen. Die Schlag- und Schwenkgelenke garantieren die Beweglichkeit, die durch entsprechende Dämpfer wieder begrenzt und in Grenzen gehalten werden muss. Neuere Hubschrauber verfügen über bessere Blattmaterialien, selbige können die Belastungen aufnehmen und benötigen daher keine Schwenk- und Schlaggelenke mehr.
Blattaufhängung und Nabe unter Zelle/ Steuerung
Umfangsgeschwindigkeiten
Die Anströmgeschwindigkeit eines bestimmten Blattelementes hängt von der Umdrehungszahl der Tragschraube sowie seinem Abstand von der Tragschraubennabe ab. In der Praxis werden die Rotordrehzahlen aus folgenden Gründen in engen Grenzen konstant gehalten:
- Konstanz und Reproduzierbarkeit der aerodynamischen Bedingungen für die Blätter
- weitgehend stabile Arbeitsbedingungen für die am Getriebe angeschlossenen Aggregate (Hydraulik, Generatoren u.a.)
Die Drehzahlen werden bei den Hubschraubern fast immer in % angegeben - diese Zahlen merken sich auch für die Piloten leichter und sind besser auf Instrumenten darzustellen. In der nachfolgenden Tabelle sind einige Werte angegeben, wobei die Tragschraubendrehzahlen als 100% angegeben sind, jedoch die 100% nicht stets der Regeldrehzahl im Flug entsprechen (z.B. Mi-8: bis 95%).
Typ | Drehzahl TS | TS-Durchmesser | Geschwindigkeit des Blattendes [m/s] | Geschwindigkeit des Blattendes [m/min] |
---|---|---|---|---|
Mi-8 | 192/min | 21,30m | ca.214 | ca.12810 |
BO-105 | 400/min | 9,80m | ca.206 | ca.12315 |
CH-53 | 210/min | 22m | ca.241 | ca.15514 |
Aus der vorstehenden Tabelle ist zu entnehmen, dass sich die Blätter bereits ohne zusätzlichen Einfluss mit sehr hohen Geschwindigkeiten gegenüber der umgebenden Luft -gemessen an deren Schallgeschwindigkeit- bewegen.
Kritisch werden die Anströmverhältnisse am Blatt, wenn die Geschwindigkeit an den Rand des Schallbereiches kommt. Bereits im hohen Unterschallbereich (ca.300m/s) werden die Auftriebsverhältnisse schlechter, da infolge lokaler Verdichtungsstöße und Veränderungen in der Luftströmung hier nahezu keinen Auftrieb mehr erzeugt wird. Im statischen Betrieb ohne Vorwärtsgeschwindigkeit gegenüber der Luft tritt dieser Zustand nicht auf, jedoch überlagern sich die in aller Regel gewünschte Vorwärtsgeschwindigkeit (aber auch Seitwärts- und Rückwärtsbewegeung) mit der Anströmung der Blätter aus der eigenen Drehbewegung. Dazu folgender Abschnitt.
Einfluss der Fluggeschwindigkeit auf die Tragschraube
Anströmverhältnisse der Tragschraube bei Vorwärtsgeschwindigkeit v=0
Die Blätter werden infolge der Umfangsgeschwindigkeit angeströmt. Hat der Hubschrauber keine Vorwärtsgeschwindigkeit, so herrschen an jedem Drehwinkel der Tragschraube identische Verhältnisse. Der effektive Anstellwinkel ist an jedem dieser Punkte gleich. In konstanter Entfernung von der Blattwurzel besteht an jedem Winkel des Tragschraubenkreises der gleiche Auftrieb; der Auftrieb ist über den Tragschraubenkreis konstant verteilt.
Anströmverhältnisse der Tragschraube bei Vorwärtsgeschwindigkeit v>0
Die Überlagerung der Umfangsgeschwindigkeit der Tragschraubenblätter mit der Vorwärtsgeschwindigkeit des Hubschraubers bringt eine Veränderung der Anströmverhältnisse mit sich. Der überall gleichen Anströmung infolge der Umfangsgeschwindigkeit kommt nun eine Anströmung von vorn (180°) hinzu, da wir einen Flug mit einer Vorwärtsgeschwindigkeit v>0 unternehmen.
Die resultierenden Anströmgeschwindigkeit des Tragschraubenblattes (in obiger Grafik blau) ändert sich in Abhängigkeit von der Stellung des Blattes innerhalb des Tragschraubenkreises betrags- und richtungsmäßig. Die Vektoren der Umfangsgeschwindigkeit und der Anströmung durch die Fluggeschwindigkeit überlagern sich. Im Punkt 270° (rücklaufendes Blatt) wird der Vektor der resultierenden Anströmgeschwindigkeit am kleinsten, im Punkt 90° (vorlaufendes Blatt) am größten. Die unterschiedliche effektive Anströmgeschwindigkeit führt zu unterschiedlichen Auftriebskräften am vorlaufenden und rücklaufenden Blatt. Am vorlaufenden Blatt, wo der Auftrieb größer ist, bewegt sich das Blatt nach oben. Dieses Aufwärtsschlagen gleicht einer zusätzlichen Anströmung von oben und führt zu einer Verkleinerung des Anstellwinkels - was den Auftrieb dann letzten Endes wieder etwas senkt.
Am rücklaufenden Blatt subtrahieren sich Anströmgeschwindigkeit durch den Vorwärtsflug und die Umfangsgeschwindigkeit betragsmäßig. Die kleinere resultierende Anströmgeschwindigkeit führt zu einer Verringerung der Auftriebskraft. Das folgende Abwärtsschlagen des Blattes bringt eine zusätzliche Anströmung von unten. Der effektive Anstellwinkel wird größer.
Die vektorielle Addition der Geschwindigkeiten führen auf der vorlaufenden Seite zu einer stetigen Vergrößerung der Anströmgeschwindigkeit, die an den Blattenden bis in den Bereich der hohen Unterschallgeschwindigkeit anwächst. Durch die Umströmung des klassischen Profils, wobei an der Oberseite eine weitere Beschleunigung der Luft stattfindet, wird die Schallgeschwindigkeit lokal sogar erreicht, wenn die rechnerische Addition der Umfangs- und Fluggeschwindigkeit noch im hohen Unterschallbereich liegt. Die Auftriebserzeugung fällt bei Annäherung an die Schallgeschwindigkeit jedoch sprunghaft ab, der Außenbereich der vorlaufenden Blätter kann daher nicht mehr zur Auftriebserzeugung beitragen. Auf der rücklaufenden Seite entsteht an den Blattenden durch das Abwärtsschlagen ein überkritischer Anstellwinkel. Gemäß der bekannten Polare eines Profils reißt dort die Strömung ab und erzeugt ebenfalls keinen Auftrieb mehr.
An den Blattwurzeln der rücklaufenden Blätter, die sich in geringer Entfernung vom Drehpunkt der Tragschraube befinden, gibt es durch die Umdrehung nur eine geringe Umfangsgeschwindigkeit. Die hinzukommende Anströmung durch die Fluggeschwindigkeit ist in der Richtung entgegengesetzt und führt zu einer Verkleinerung der resultierenden Anströmung, bei höheren Geschwindigkeiten sogar zur Umkehr der Anströmrichtung. Wenn die Fluggeschwindigkeit größer als die Umfangsgeschwindigkeit in diesem Bereich ist, wird die Anströmung kleiner als 0 (Strömungsumkehr).
Die entstehende Bewegung der Tragschraubenblätter verursacht auf der rücklaufenden Seite eine "Verschleppung" der Schlagbewegung in Bewegungsrichtung. Die im Punkt 270° einbrechende Auftriebskraft führt zu einer (beginnenden) Schlagbewegung nach unten. Im Punkt 0°erreichen sie ihre höchste Schlagbeschleunigung. Der Tragschraubenkegel neigt sich also zusätzlich nach hinten, da insgesamt der Auftrieb im rechten hinteren Quadranten abnimmt.
Konstruktiv wird hier eingegriffen, indem die Ansteuerung des Blattes in der Drehrichtung vorverlegt wird. Bei der Mi-8 erfolgt die Ansteuerung des Blattes im Längskanal bereits 21° vor dem Punkt 180° (Mi-2: 25°). Der entstehenden Phasenverschiebung zwischen Schlaggeschwindigkeit und -Beschleunigung wird so Einhalt geboten und bringt mehr Stabiliät in der Steuerung.
In Ergänzung zur Schlagbewegung der Blätter ergeben sich übrigens in Folge der Corioliskraft zusätzliche Schwenkbewegungen des Blattes in der Drehebene, die weitere Veränderungen der Anströmgeschwindigkeiten mit sich bringen.
Insgesamt ergibt sich beim Vorwärtsflug damit eine Erhöhung des Auftriebes auf der vorlaufenden und eine Verringerung des Auftriebes auf der rücklaufenden Seite. Da die Anströmgeschwindigkeit quadratisch in die Formel zur Auftriebskraft eingeht, wächst im vorlaufenden Bereich der Auftrieb sehr schnell. Im rücklaufenden Bereich wird neben der Auftriebsverringerung durch die Strömungsabriss-/-umkehrgebiete generell eine niedrigere Anströmgeschwindigkeit der Blätter erreicht und damit auch nur ein geringerer Auftrieb. Der wegfallende Auftrieb auf der rücklaufenden Seite lässt die Blätter abwärts schlagen; infolge der Trägheit der Blätter wird der Bereich der Abwärtsbewegung um einige Dutzend Grad "verschleppt", so dass sich der Kegel zusätzlich nach hinten neigt.
Folge der aufgezeigten Besonderheiten beim Vorwärtsflug ist, dass der Tragschraubenkegel sich mit zunehmender Geschwindigkeit weiter nach rechts und hinten neigt. Daher gibt es hier Erkenntnisse für die Steuerung des Hubschraubers: mit zunehmender Vorwärtsgeschwindigkeit wird der Steuerknüppel nach weiter nach links und vorn bewegt.
Praktische Grenzen der Fluggeschwindigkeiten von Hubschraubern
Die Addition der Flug- und Umfangsgeschwindigkeiten ist die Ursache für eine praktische Beschränkung der erreichbaren Flug- geschwindigkeiten von Hubschraubern. Mit steigender Geschwindigkeit nimmt die Effektivität der Tragschraube immer weiter ab. Weite Teile des vorlaufenden Blattes laufen im Bereich der kritischen Machzahl, während im rücklaufenden Bereich zunehmend Strömungsabriss bzw. -umkehr auftritt. Unter solchen Arbeitsbedingungen bricht die Auftriebserzeugung ein. Bei hohen Fluggeschwindigkeiten tritt ein immer größer werdender Anteil der anströmenden Luftmassen unproduktiv zwischen den Tragschraubenblättern hindurch und trägt nicht mehr zur Auftriebserzeugung bei. Die erforderliche Triebwerksleistung und das erforderliche Drehmoment bleiben jedoch unverändert hoch, denn der Widerstand ist unverändert hoch - mit dem Erreichen der kritischen Machzahl in einzelnen Bereichen des vorlaufenden Blattes steigt dieser sogar sprunghaft weiter an (bedingt durch lokale Verdichtungsstöße) und erfordert damit noch mehr Leistung.
Die praktische Grenze der Geschwindigkeiten von Hubschraubern liegt deutlich unter 500km/h, denn bereits dann wird die Auftriebserzeugung der Tragschraube zu uneffektiv für den Flugzustand. Weiterhin ist bereits in weiten Bereichen des rücklaufenden Blattes die Auftriebserzeugung völlig weggefallen, da hier eine Strömungsumkehr vorliegt. Diese kann durch keine noch so große Einstellwinkeländerung des Blattes kompensiert werden, es fehlt also der komplette Auftrieb auf dieser Seite. Dem gegenüber steht der Auftriebsverlust durch Erreichen der kritischen Machzahl auf der vorlaufenden Seite.
In der Praxis wurde und wird an Hubschraubern, die vornehmlich zum Transport über größere Strecken eingesetzt sind, zum Teil mit Stummelflügeln gearbeitet, die bei Vorwärtsgeschwindigkeit zunehmend Auftrieb liefern und damit die Tragschraube entlasten. Damit fällt die Leistungsbilanz bei hohen Geschwindigkeit besser aus. Berühmtes Beispiel hierfür ist die Mi-6, jedoch tragen auch schon die Flügel der Mi-24 zu einer Auftriebserzeugung bei.
Bodeneffekt
Der Bodeneffekt (neudeutsch: ground effect) tritt auf, wenn der Hubschrauber in geringer Höhe mit geringer Geschwindigkeit fliegt. Praktisch wird die Grenze für den Bodeneffekt bei Höhen bis zu einem Tragschraubendurchmesser (Mi-8 ca.22m) und Geschwin digkeiten bis 40..60km/h angegeben.
Der Bodeneffekt ist die Umsetzung der kinetischen Energie des sich abwärts bewegen den Luftstromes unter der Tragschraube in potenzielle Energie. Der dynamische Druck wird in einen statischen Druck überführt. Gewisser Maßen entsteht also unter dem Hubschrauber ein "Überdruck". Der "Überdruck" bedingt einen aufwärts gerichteten Geschwindigkeitsvektor, der sich mit der induzierten Geschwindigkeit überlagert. Die resultierende vy wird geringer, die Vektoraddition mit der Umfangsgeschwindigkeit bringt einen größeren effektiven Anstellwinkel, der einen höheren Auftrieb erzeugt - oder als Umkehrung: es wird zum Fliegen in einer Höhe weniger Triebwerksleistung benötigt. Der Wirkungsgrad der Tragschraube steigt.
Der Bodeneffekt ist in seiner Stärke auch vom Untergrund abhängig; weicher Untergrund (Wasser, Gebüsch, steinige Untergründe) schwächen ihn ab . Nachteilig wirkt sich eben falls fallendes Gelände aus, da hier ein größerer Teil des Nachstromes abfließen kann. Der Hubschrauber zeigt hier Tendenz zum Neigen und Bewegen in Richtung Hangneigung.
Beim Einwirken von Wind wird der Nachstrom unter der Tragschraube deformiert und schafft damit gleiche Bedingungen wie beim Vorwärtsflug. Der Bodeneffekt verringert sich in seiner Wirksamkeit, der Schubgewinn fällt kleiner aus.
Deckeneffekt
In Analogie zum Bodeneffekt, wo das Abfließen des Luftstromes unter dem Hubschrauber erschwert ist, gibt es einen "Deckeneffekt", wenn der Hubschrauber unter einer großräumig geschlossenen Decke fliegt. Das kann z.B. unter Brücken auftreten. Hier wird der Zustrom von Luft von oben erschwert, über der Tragschraube entsteht ein betragsmäßig größerer Unterdruck als in ungestörter Umgebung. Die Druckdifferenz führt zu einem Steigen des Hubschraubers, was bei Nichtbeachtung des Effektes zu gefährlichen Situationen (Berührung der Brücke) führen kann. Die Größenordnung der Wirksamkeit beträgt wie beim Bodeneffekt ca.1 Tragschraubendurchmesser.Einfluss von Steigen und Sinken auf die Tragschraube
Die Schubkraft der Tragschraube ändert sich in Abhängigkeit von der Steiggeschwindigkeit des Hubschraubers.
Für den Steigflug ist die vy positiv definiert, für Sinken negativ. Im Gegensatz zum gesunden Menschenverstand wird der Schub bein einem Steigen kleiner, beim Sinken größer. Grund dafür ist die Addition des vY-Vektors, die zu einer Verringerung (Steigen) bzw. Vergrößerung (Sinken) des Anstellwinkels führt und damit gemäß den Profileigenschaften (Polare) einen kleineren bzw. größeren Auftriebsbeiwert cA verursacht. Der Auftriebsbeiwert cA geht als Faktor in die Formel zur Berechnung der Schubkraft ein.
Die Addition des zusätzlichen Geschwindigkeitsvektors durch das Steigen bzw. Sinken lässt sich analog der beim Bodeneffekt bereits auf gezeigten Grafik formulieren, indem die Verteilung der vy über die Blattlänge dargestellt wird.
Bei geringem Sinken und geringem Tragschraubenschritt ist die Vergrößerung der Schubkraft möglich. Bei größeren Sinkgeschwindigkeiten wird der Anstellwinkel überkritisch und der Tragschraubenschub verringert sich auf Grund des Strömungsabrisses in Teilbereichen der Tragschraube. Der verminderte Schub verursacht seinerseits eine Vergrößerung der Sinkgeschwindigkeit. Diese wechselweise Zunahme von überkritischen Bereichen und Sinkgeschwindigkeit führt zum Wirbelringzustand der Tragschraube.
Wirbelringzustand
Aus den Gesetzmäßgkeiten des Bodeneffekts und den Auswirkungen von Steigen und Sinken sind Schlußfolgerungen für Flugregime zu ziehen.
Erfolgt bei einer Geschwindigkeit von weniger als 50km/h eine weiterer Sinkflug, bei dem VY große Werte annimmt, werden hierbei zunehmend Luftmassen aus dem induzierten Luftstrom der Tragschraube in die Wirbel am inneren und äußeren Rand des Blattes einbezogen. Verstärkt wird ein solcher Effekt in Bodennähe, da der Bodeneffekt wie oben formuliert eine zusätzliche Anströmung von unten bewirkt. Mithin wird dann der Wirbelringzustand bei noch geringeren Sinkgeschwindigkeiten erreicht, im allgemeinen reichen hier Größen von -2.5...3m/s.
In diesem sogenannten Wirbelringzustand (neudeutsch: vortex) der Tragschraube fällt der Wirkungsgrad rapide ab. Die Anstellwinkel in Bereichen der Tragschraube werden durch die geringe Vorwärts- und hohe Sinkgeschwindigkeit überkritisch. Die überkritischen Bereiche liefern keinen Auftrieb mehr, der Hubschrauber sinkt noch mehr, da das Gewicht des HS nicht durch den Auftrieb ausgeglichen wird. Das stärkere Sinken verursacht eine weitere Vergößerung der Anstellwinkel und das Erreichen überkritischer Winkel in noch größeren Blattbereichen. Trotz des Ziehens des Gassteigungshebels und dem damit vermeintlichen Ausleiten des Sinken kehrt sich der gewünschte Effekt um: das Sinken wird immer stärker. Als Folge für den HSF entsteht eine schlechte Steuerbarkeit (schwammig), Schütteln des HS, selbständiges Bugsenken (da der von unten angeströmte Stabilisator am Heck ein solches Moment erzeugt), zunehmendes Sinken und ein Abfall der Tragschrauben-Drehzahl. Die Tragschraube bindet ein immer größer werdendes Energiepotenzial in ihrem Wirbelsystem, so dass es nicht mehr zur Auftriebserzeugung beiträgt. Die Wirbel bilden ein nahzu in sich geschlossenes System, die gesamte der Tragschraube zugeführte Energie wird in diesem verbraucht. Trotz großer Einstellwinkel der Tragschraube ist das Sinken nicht zu verringern.
Die Bereiche, die infolge der Wirbel keinen Auftrieb mehr liefern, werden immer größer, je weiter der GSH zum vermeintlichen Ausleiten gezogen wird. Der Wirbelringzustand kann nur bei angetriebener Tragschraube auftreten, also nicht bei Autorotation.
Ohne Reaktion des HSF wird dies ein gefährlicher Zustand. Fehler in der Steuertechnik, wie z.B. ein Ziehen des Gassteigungshebels, um vermeintlich das Sinken auszuleiten, führen zu einer weiteren Verschlimmerung des Zustandes. Einzig richtige Reaktion zur Beendigung des Wirbelringzustandes ist das Aufholen von Fahrt. Damit wird eine horizontale Komponente überlagert, die eine Verminderung des Anstellwinkels erzeugt und zunehmend größere Blattbereich in einen unterkritischen Zustand bringt. Der unterkritische Zustand ermöglicht wiederum das Erzeugen von Auftrieb.
Einfluss von Rückenwind
Fliegt der Hubschrauber mit geringer Geschwindigkeit im Rückwärtsflug oder herrscht Rückenwind, so werden die Wirbelsysteme der Heckschraube mit der zusätzlichen Anströmung von hinten überlagert und nehmen Einfluss auf die Trag- und Heckschraube.
Bei Hubschraubern mit der Heckschraubendrehrichtung "oberes Blatt nach vorn" (Mi-2, Mi-8) addieren sich die Wirbel der Heckschraube und derWind. Als Folge werden die Tragschraubenblätter in der hinteren Hemisphäre von oben beaufschlagt. Hier erfolgt eine Verringerung des Anstellwinkels der Tragschraubenblätter, diese senken sich. Der Tragschraubenkegel neigt sich auf den Heckträger zu. Die Erscheining verstärkt sich im Einflussbereich des Bodeneffektes, da noch größere Luftmassen in den Wirbel einbezogen werden. Insgesamt ist eine Verringerung des effektiven Tragschraubenschubes die Folge, der Hubschrauber sackt durch.
Wird der Rückenwind stärker, gerät die Heckschraube zunehmend in den Bereich der freien Umströmung außerhalb des Tragschraubenwirbels. Der Heckschraubenschub wächst hierdurch an, und der Hubschrauber dreht nach rechts.
Heckschrauben von Hubschraubern mit der Heckschraubendrehrichtung "unteres Blatt nach vorn" erhalten aus der Addition der Umfangsgeschwindigkeit und den Nachstromgeschwindigkeit der Tragschraube eine höhere Wirksamkeit. Die Wirbel, die auf Grund des Rückenwindes entstehen, haben nur einen kleineren Einfluss auf die Heckschraube.
Nicht zuletzt können bei Rückenwind Abgase aus den Triebwerken so stark nach vorn gedrückt werden, dass diese erneut angesaugt werden. Damit wird die Leistung der Triebwerke erheblich herabgesetzt, da die heiße Luft nur einen geringeren Massendurchsatz erlaubt. Die Abgastemperatur wird steigen, in Extremfällen wird ein Triebwerksausfall auftreten.
Lastvielfaches
Das Lastvielfache ist definiert als das Verhältnis der gesamten Luftkräfte zum Gewicht des Hubschraubers und unterscheidet sich damit nicht von der Definition bei Starrflüglern:
Der Hubschrauber kann während des Fluges die Richtung und Größe des Fluggeschwindigkeitsvektors ändern. Der Hubschrauber kann auf geradlinigen oder gekrümmten Flugbahnen mit wechselnden Geschwindigkeiten (Beschleunigung) fliegen. Das Lastvielfache als der o.g. Quotient ist eine vektorielle Größe, d.h., er ist ebenfalls durch einen Richtungssinn und einen Betrag gekennzeichnet. Die Betrachtung der Lastvielfachen ist daher in allen drei Raumrichtungen wichtig, wenngleich hier Unterschiede bezüglich der auftretenden Größenordnungen bestehen.
Das Lastvielfache in Längsrichtung wird durch Fahrtaufholen und Abbremsen bestimmt (Längsneigung), wobei hier schon Grenzen infolge der Leistungsfähigkeit der Triebwerke und die Grenzen der Tragschraubenkonstruktion bestehen. In der Längsrichtung ist vornehmlich das Abbremsen relevant, da das Ansteigen der Tragschraubendrehzahl über die festigkeitsbedingten Grenzwerte der Konstruktion möglich ist.
Das sogenannte normale Lastvielfache nY wird in Y-Richtung (Hochachse) bestimmt und ist ein Maß für die Manövrierfähigkeit des Hubschraubers. Das Lastvielfache entscheidet über räumliche Abmessungen von Flugmanövern. Je größer die am Hubschrauber angreifenden Kräfte sind, desto energischer (d.h., mit kleineren räumlichen Abmessungen) können Manöver geflogen werden. Mit den Kräften steigt jedoch das Lastvielfache.
Das Bruchlastvielfache gibt die Grenze der Belastung an, bei der der Hubschrauber zu Bruch geht. Bei Mi-Transporthubschraubern wird von Größenordnungen um 3...4,5 für das Bruchlastvielfache ausgegangen, bei Kampfhubschraubern 3.5...5. Das angestrebte Bruchlastvielfache hat direkte Auswirkungen auf die Konstruktion der Zelle, ein höheres Lastvielfaches bedingt bei gleichen Werkstoffen ein höheres Leergewicht. Gleichzeitig wird für den Hubschrauber ein Dauerlastvielfaches festgelegt, das ca. 2/3 des Bruchlastvielfachen beträgt.
Die Lastvielfachen werden wichtig bei der Durchführung von schnellen Flugmanövern/ Gefechtsmanövern, wo rasche Änderungen der Geschwindigkeit und des Tragschraubenschrittes an der Tagesordnung sind.
Bei Gefechtsmanövern, die mit konstantem Tragschraubenschritt und nahezu Startleistung geflogen werden, bewirkt ein Ziehen des Steuerknüppels eine Vergößerung des Lufteinfallswinkels an der Tragschraube; die Tragschraubendrehzahl wächst. Die erforderliche Leistung zum Antrieb der Tragschraube sinkt, der bestehende Leistungsüberschuss wird vom HSF naheliegend mit einem erhöhten Einstellwinkel der Tragschraube (Ziehen des GSH) in Schub umgesetzt. In diesem Flugzustand werden jedoch die Grenzlastvielfachen überschritten und bilden damit einen Kern für gefährliche Flugzustände.
Für den "normalen" Kurvenflug von Hubschraubern und anderen Luftfahrzeugen existieren Formeln zur Angabe des Lastvielfachen in y-Richtung. Das Lastvielfache wird hier durch die Schräglage bestimmt, da der Schub in y1-Richtung mit dieser wachsen muss, um die Höhe zu halten. Bei der nachstehenden Formel sind besondere Flugmanöver wie Kurven mit verbundenen Vertikalmanövern nicht berücksichtigt.
Mit der Zunahme des Lastvielfachen werden die erforderlichen Steuerkräfte an der Tragschraube vergößert. Diese Steuerkräfte werden in allen moderneren Hubschraubern durch hydraulische Kraftverstärker aufgebracht. Auf den HSF bestehen kaum oder keine Rückwirkungen, d.h, er kann nahezu kräftefrei arbeiten, unabhängig von den auftretenden Kräften an der Tragschraube. Die Lastvielfachenbeschränkungen entstehen in der Praxis auch durch die Grenzen der Steuerbarkeit des Hubschraubers, da die verwendeten Hydrauliksysteme (die ihrerseits wieder von der Drehzahl der Tragschraube abhängig sind) nur eine begrenze Steuerkraft an den Blättern erzeugen können. Diese Kräfte sind in ihrer maximalen Größe durch den Hydraulikdruck und die Konstruktion der Kraftverstärker beschränkt, haben also objektive Grenzen. Insbesondere in der Mi-8 und abgeleiteten Versionen ist der Grenzpunkt bei einem Lastvielfachen ny von etwa 2 erreicht. Zu diesem Zeitpunkt treten einzelne Steuerkräfte zum Verstellen der TS-Blätter von mehr als ca.1500kp auf, die der Kraftverstärker nicht mehr aufbringen kann. Bei Überschreitung der zulässigen Lastvielfachen ist damit ein hydraulisches Blockieren der Kraftverstärker möglich (insbesondere in der Längssteuerung), der Steuerknüppel ist "fest" oder wird durch die Rückwirkung der Tragschraube willkürlich bewegt.
Autorotation
Die Autorotation ist vergleichbar mit dem Segelflug eines Flugzeuges. Dabei wird keine Triebwerksleistung auf die Tragschraube geführt.
Im Gegensatz zum normalen (angetriebenen) Flug, bei dem die Luft von oben nach untendurch die Tragschraube strömt, bewegt sich hier die Luft von unten nach oben durch den Hauptrotor. Dabei erzeugt sie infolge der Anströmung der einzelnen Blätter einen Auftrieb und versetzt die Tragschraube insgesamt in Drehung. Der entstehende Auftrieb hält den Hubschrauber in der Luft und ermöglicht zumindest sicheren Sinkflug und Landung.
Die Durchführung der Autorotation beim Hubschrauber ist zumeist Folge eines Totalausfalls der Antriebsleistung und wird als Notverfahren bis zur Landung genutzt.
Entstehung der Tragschraubendrehung
Bei der Autorotation tritt der Luftstrom von unten nach oben durch die Tragschraube hindurch. Der Hubschrauber weist relativ große Sinkraten auf. Eine Anströmung der Tragschraube erfolgt also, auch bei Vorwärtsgeschwindigkeit, stets deutlich aus dem unteren Bereich (bzw. vorderen unteren Bereich).
Die Anströmung des Blattes generiert gemäß bekannten Gesetzen eine Luftkraft am Blatt, die sich zerlegen lässt in
- Auftrieb (senkrecht zur Anströmumg )
- Widerstand (in Anströmrichtung)
Für die Erzeugung einer ausreichenden Anströmung und damit eines Auftriebs ist die Aufrechterhaltung der Drehzahl erforderlich; hierfür muss der Widerstand so gering wie möglich gehalten werden. Dies lässt sich erreichen, indem der Einstellwinkel so weit wie möglich verringert wird - also Gassteigungshebel (Pitch) so weit wie möglich nach unten! Entgegen vieler Darstellungen ist ein negativer Einstellwinkel nicht zwangsweise nötig und im Falle einer Mi-x auch nicht möglich (bei der Mi-8 ist der minimal mögliche Einstellwinkel mechanisch auf 1.5° begrenzt ). Natürlich gibt es hier Unterschiede bei den verschiedenen Hubschraubertypen und in den Anleitungen zum Handeln bei der Autorotation.
Wichtig ist, dass der Widerstand ausreichend gering wird und die resultierende Anströmung von "weit genug unten" kommt - der zwischen Anströmung und Profilsehne aufklaffende Anstellwinkel ist verantwortlich für die Entstehung eines Auftriebes am Blatt. Die entstehende Luftkraft muss mit ihrem Vektor vor die senkrechte Tragschraubenachse zeigen. Nur so entsteht eine Kraft, die das Blatt in der Drehebene nach vorn treibt und damit die Tragschraube insgesamt in der Drehung hält.
Wird der Einstellwinkel (und damit der Anstellwinkel) zu groß, wächst der Widerstand in einem Maße, der die gesamte Luftkraft zu weit nach hinten neigt und damit eine Vorwärtskraft verhindert. Bei weiterer Erhöhung des Winkels wird der Anstellwinkel sogar überkritisch und für zu einem vollständigen Verlust der Auftriebserzeugung bei wachsendem Widerstand.
Die starke Abhängigkeit der drehungserhaltenden Vorwärtskraft von Umfangsgeschwindigkeit und Anstellwinkel bedingt eine sehr unterschiedliche Ausbildung der entstehenden Kräfte über die gesamte Tragschraubenfläche.
- Im Innenbereich an der Blattwurzel wird durch die geringe Umfangsgeschwindigkeit bei existierender (feststehender) Sinkgeschwindigkeit der Anstellwinkel zu groß und überkritisch. Damit fällt hier die Auftriebserzeugung und die drehungsunterstützende Kraft aus.
- Im Außenbereich an den Blattenden wird - bei feststehender Sinkgeschwindigkeit - durch die große Umfangsgeschwindigkeit der Anstellwinkel verringert. Die resultierende Anströmung kommt also nicht "weit genug von unten". Der entstehende Auftrieb sorgt zwar für ein verringertes Sinken des Hubschraubers, wirkt jedoch bremsend auf die Drehbewegung, da die Luftkraft "hinter" die Tragschraubenachse zeigt.
- Der mittlere Bereich ist der drehungsantreibende Bereich; nur hier ist die Luftkraft weit genug "nach vorn" geneigt und der Widerstand gering genug.
Einfluss der Fluggeschwindigkeit
Generell sollte der stationäre Autorotationsflug mit der Fluggeschwindigkeit durchgeführt werden, die den geringsten Energiebedarf der Tragschraube erfordert. Diese vSpar liegt bei der Mi-2 bei 120kmh-1, bei der Mi-8 bei 180kmh-1. Ausnahmen sind auf Grund taktischer Erfordernisse möglich, um z.B. den Flug mit maximaler Reichweite durchzuführen (die Geschwindigkeit vGünstig liegt höher als vSpar). Diese Geschwindigkeiten werden im Kapitel Aerodynamik/Triebwerk erläutert und begründet. Der Flug bei diesen Geschwindigkeiten ermöglicht das geringste Sinken bei der stationären AR. Eine größere oder geringere Fluggeschwindigkeit würden zu einem verstärkten Sinken führen; insbesondere die senkrechte Autorotation ist daher in der Praxis nicht vernünftig anwendbar und überschreitet teilweise die für den Hubschrauber zulässigen Parameter.
Der Einfluss der Fluggeschwindigkeit auf die Tragschraube bei der Autorotation unterliegt den selben Gesetzmäßigkeiten wie beim Flug mit Antrieb. Insofern sind die Auswirkungen auf die effektiven Aströmungen nahezu identisch. Die Fluggeschwindigkeit überlagert sich mit den Umfangsgeschwindigkeiten am Tragschraubenblatt.
- An der Blattspitze des vorlaufenden Blattes (hier: links) vergrößert sich die effektive Anströmgeschwindigkeit noch mehr und führt so zu einer Ausdehnung des bremsenden Bereiches weiter zu Blattmitte hin. Der antreibende Bereich auf der vorlaufenden Seite wird so kleiner.
- Der innere Bereich auf der rücklaufenden Seite (hier: rechts) wird in seiner effektiven Anströmgeschwindigkeit kleiner. In einem Teilbereich wird sogar die Anströmung durch die Fluggeschwindigkeit größer als die eigene Umfangsgeschwindigkeit, so dass es eine teilweise Strömungsumkehr gibt. In diesem Bereich wird kein Auftrieb erzeugt, da das Blatt von hinten angeströmt wird.
- Die Auftriebserzeugung der rücklaufenden Seite sinkt generell, da die Anströmgeschwindigkeit quadratisch in den erzeugten Auftrieb eingeht.
- Die Blattspitzen des rücklaufenden Bereiches schlagen infolge des verminderten Auftriebes noch zusätzlich abwärts (und werden damit zusätzlich von unten angeströmt). Gemeinsam mit der ohnehin verminderten effektiven Anströmgeschwindigkeit sorgt das für einen wachsenden Anstellwinkel bis in den überkritischen Bereich. Da die Beschleunigung des Blattes für eine Verschleppung dieser Bewegung in Drehrichtung erfolgt, wandert dieser Bereich weiter nach hinten.
Handlungen bei der Autorotation
Die Autorotation ist i.A. Folge eines Triebwerksausfalls oder wird zu Trainingszwecken unter ähnlichen Bedingungen durchgeführt. Unabhängig von Flughöhe, Masse des Hubschraubers, Geschwindigkeit ist der Gassteigungshebel (Pitch) sofort bis an den unteren Anschlag abzusenken. Einzige Ausnahme ist ein Triebwerksausfall in der Standschwebe in Bodennähe.
Die Drehzahl ist während der stationären Autorotationsphase so hoch wie möglich zu halten, dazu wird der Gassteigunsghebel entsprechend leicht gezogen bzw. wieder abgesenkt. Dabei ist die Fluggeschwindigkeit normalerweise auf die Sparfluggeschwindigkeit einzustellen, also die Geschwindigkeit, bei der das geringste Sinken auftritt.
Vor der Landung wird die Fluggeschwindigkeit weiter verringert. Die Landung selbst kann mit Vorwärtsgeschwindigkeit ausgeführt werden (Flugzeuglandung) oder mit einer Vorwärtsgeschwindigkeit von nahezu 0. Die Flugzeuglandung bietet dabei bessere Voraussetzungen für eine geringe Sinkgeschwindigkeit, ist somit "schonender". Vor der Landung wird der Hubschrauber durch Ziehen des Steuerknüppels abgebremst; die kinetische Energie des Hubschraubers selbst wird dabei in eine Verringerung des Sinkens umgesetzt. Mit diesem Vorgang wird zugleich die Drehzahl der Tragschraube stabilisiert bzw. leicht erhöht. Unmittelbar danach muss das Sinken des Hubschraubers in geringer Höhe verringert werden, indem der Gassteigunsghebel schnell und intensiv gezogen wird. Dabei verringert sich die Tragschraubendrehzahl um mehrere Dutzend %. Dieser Vorgang ist daher extrem empfindlich gegen einen falsch gewählten Zeitpunkt, denn nachdem die Tragschraubendrehzahl abgesunken und die Energie der Tragschraube aufgezehrt ist, kann die Drehzahl unmöglich ausreichend schnell wieder hergestellt werden, um einen eventuellen Fehler zu korrigieren. Mit dem Ziehen des Gassteigungshebels muss also die Landung abgeschlossen werden und der Hubschrauber auf dem Boden aufsetzen.
Bei einem Triebwerksausfall in geringen Höhen in der Standschwebe bleibt normalerweise keine Zeit (~Höhe), um eine Autorotation sauber zu führen und Vorwärtsgeschwindigkeit aufzuholen. Einzige Möglichkeit ist hier, sofort den Gassteigungshebel heftig zu ziehen, die unmittelbaren Bewegungen des Hubschraubers auszugleichen (Schräglage, Längsneigung und Drehung) und sofort auf dem Boden aufzusetzen. Extreme Reaktionsschnelligkeit des Piloten ist gefragt.
Autorotationslandung - Besonderheiten der Mi-8
Der gleichzeitige Ausfall von beiden Triebwerken ist unter realen Gefechtsbedingungen relativ wahrscheinlich. Die rasche Reaktion des Hubschraubers auf den Ausfall ist eindeutig, eine Missdeutung für den Piloten kaum möglich:
- fehlendes Triebwerksgeräusch
- Drehzahl von Verdichter und Tragschraube sinkt rapide
- fallende Triebwerkstemperatur
- Hubschrauber dreht nach rechts
- Vergrößerung der Rechtschräglage mit fallenden Drehzahlen von TW undTS/HeS
- Bugsenken, da sich die Stabilisatoranströmung ändert.
Für die Mi-8 ist eine relativ langsame Abnahme der Tragschraubendrehzahl typisch. Ursache ist die die große Masse und damit Trägheit derselben.
Lag die Triebwerksleistung vor dem Ausfall bei der Nennleistung, so verringert sich die Tragschraubendrehzahl nach 2 Sekunden um ca.15...20%, auch wenn der Tragschraubenschritt schon 0.5...1s nach Ausfall verringert wurde. Im Verlauf der nächsten 8...12 Sekunden wird der Maximalwert der Autorotationsdrehzahl erreicht; er liegt 2...3% unter dem Wert für den angetriebenen Flug. In der Übergangsphase sinkt das Lastvielfache nY auf ca.0.6.
Parallel zum Senken des Gassteigungshebel muss das linke Pedal getreten werden; dieses stand zuvor im normalen Flug rechts, um das Rückdrehmoment der Tragschraube auszugleichen, nun muss das Reibungsmoment der Tragschraube aufgehoben werden, welches den Hubschrauber in eine Rechtsdrehung "mitreißen" will. Der Steuerknüppel wird nach hinten und links gezogen, um die Geschwindigkeit bis zur Sparfluggeschwindigkeit zu verringern und die Rechtsschräglage zu beseitigen.
Unmittelbar nach dem Absenken des Gassteigungshebels muss die Tragschraubendrehzahl im Bereich von 90..100% gehalten werden.
Der Höhenverlust nach Ausfall beider Triebwerke bis zum Erreichen einer statischen Autorotationsgeschwindigkeit beträgt ca.110...130m, sofern v bei etwa vSpar lag. Dafür werden etwa 12..16s benötigt (Mi-2: 80...100m / 8...12s). Der Höhenverlust fällt um so geringer aus, je schneller der Tragschraubenschritt abgesenkt wird. Die minimale Höhe für den gefahrlosen Übergang auf statische Autorotation und anschließende Landung beträgt so etwa 170m für die Mi-8.
Bei der Mi-14 muss eine Tragschraubendrehzahl von 99..101% gehalten werden. In einer Höhe von 60..70m muss der Längsneigungswinkel auf 10..15° erhöht werden, so dass nun eine schnelle Geschwindigkeitsverringerung erfolgt. In einer Höhe von 20m sollte die Geschwindigkeit 50...60kmh-1 und die TS-Drehzahl 103..105% betragen. In dieser Höhe wird mit dem Herstellen der Landelage begonnen. ab 15m ist durch Hochreißen des Gassteigungshebels mit 6..8°/s das Sinken auszuleiten. Der Steuerknüppel wird um ca.50% des Maximums nach vorn gedrückt.
In der Praxis muss eine Tragschraubendrehzahl von 80% gewährleistet werden, um das Abschalten des Wechselstromgenerators und ein Nachlassen der Leistung des Hydrauliksystems auszuschließen. Außerdem wird so die aerodynamische Wirksamkeit der Trag- und Heckschraube aufrecht erhalten. Extrem wichtig ist dieser Sachverhalt bei Flügen unter Vereisungsbedingungen, da der Leistungsbedarf der Tragschraube bei abgeschalteter Enteisungsanlage und auftretender Vereisung (hohe Luftfeuchte, <-10°C) um ca.50% steigt. Die Funktion der Enteisungsanlage unter diesen Bedingungen ist also u.U. lebenswichtig, setzt aber eine arbeitende Wechselstromversorgung voraus.
Für eine risikofreie Autorotationslandung müssen Tragschraube und der gesamte Hubschrauber kinetische Energien in einem bestimmten Verhältnis aufweisen. Für die Mi-8 liegt dieses Verhältnis bei 7:1 :
Als Richtwerte für die Mi-8:
- Masse des Hubschraubers: 10.6t
- Tragschraubendrehzahl: 192min-1
- Trägheitsmoment von Tragschraube, Heckschraube, Transmission: 24500kgm2
Je größer der Quotient, des günstiger die Bedingungen für die Durchführung der Landung. Es kann ein größerer Teil der kinetischen Energie der Tragschraube zum Aufzehren der Sinkgeschwindigkeit verwendet werden.
Die maximale Sinkgeschwindigkeit, resultierend aus diesem Verhältnis, beträgt 15m/s. Die kinetische Energie der Tragschraube kann somit diese 15m/s Sinkgeschwindigkeit beseitigen.
Die maximale Aufsetzgeschwindigkeit des Hubschraubers ist mit 1.8m/s zugelassen, die Festigkeitswerte lassen 2*vY zu. Die maximale Sinkgeschwindigkeit kann so auf 15m/s + 3.6m/s anwachsen. Diese Sinkgeschwindigkeit ist im normalen Flug einer Fluggeschwindigkeit von 30km/h zugeordnet (Nomogramm).
- Wenn der Ausfall der Triebwerke in geringen Höhen (<10..15m) erfolgt, ist nur eine senkrechte Landung möglich.
- Befindet sich der Hubschrauber im gefährlichen H-v-Bereich, erreichen die Sinkgeschwindigkeiten derartig hohe Werte, dass auch durch Hochreißen des Gassteigungshebels keine sichere Landung möglich ist. Hier muss unverzüglich nach dem Absenken des Tragschraubenschrittes durch Steuerknüppel-Nachdrücken Fahrt aufgeholt werden.
- Beim Ausfall der Triebwerke in Höhen unter 100m mit v<vGünstig muss unmittelbar nach dem Absenken des Gassteigungshebels der Steuerknüppel intensiv gezogen werden, um die Fluggeschwindigkeit zu verringern. Gleichzeitig wird damit die Wiederherstellung der Tragschraubendrehzahl auf ein hohes Niveau unterstützt.
Bei einer Autorotationslandung mit Vorwärtsgeschwindigkeit beträgt die finale Sinkgeschwindigkeit weniger als die Hälfte des Wertes bei einer senkrechten Autorotation.
Im Landeprozess muss der Pilot die kinetische Energie des Hubschraubers nutzen,bevor durch Hochreißen des Gassteigungshebels die kinetische Energie der Tragschraube genutzt wird. Ein Abbau der Sinkgeschwindigkeit um 1m/s über die Änderung des Längsneigungswinkels (also Ziehen am Steuerknüppel) bringt bei konstanter Tragschraubendrehzahl eine Senkung der aufzuzehrenden kinetischen Energie um 20% mit sich. Damit schafft man Energiereserven an der Tragschraube, um evtl. Steuerfehler zu korrigieren.
Nach dem Aufsetzen auf den Hauptfahrwerken muss unmittelbar der Tragschraubenschritt abgesenkt werden, um einem zu raschen Abfall der Drehzahl und damit der Gefahr des Aufschlagens der Blätter auf den Heckträger infolge der Schwingungen beim Rollen zu begegnen.
Wird mit Vorwärtsgeschwindigkeit aufgesetzt und die Wirksamkeit der Fahrwerksbremsen als zu gering eingeschätzt (insbesondere auf schwierigem Untergrund), so muss ein Abbremsen der Maschine durch Ziehen des Steuerknüppels erfolgen - dieses aber unbedingt bei oberer Lage des Gassteigungshebels. Dadurch wird dem Aufschlagen der Blätter auf dem Heckträger entgegen gewirkt. Nach dem Stehenbleiben des Hubschraubers:
- Steuerknüppel in Neutrallage bringen
- dann erst Gassteigungshebel absetzen.
Anderenfalls ist zwangsläufig mit dem Aufschlagen der Blätter zu rechnen.
Eine Autorotationslandung mit gedrosselten Triebwerken ist bei der Mi-x verboten.
Beim Hochreißen des Gassteigungshebels vergrößert sich die Triebwerksleistung von "Leerlauf Luft" (7..9% bei GTD-350/Mi-2 und TW2-117/Mi-8, Mi-24, Mi-14) in Richtung auf Startleistung bei gleichzeitigem Abfall der Tragschraubendrehzahl. Nach dem Aufsetzen kommen die Triebwerke infolge ihrer Beschleunigungscharakteristik auf eine Leistungsstufe nahe der Startleistung, während die Tragschraubendrehzahl auf etwa 50% gesunken ist. Daraufhin werden alle Elemente des tragenden Systems und der Kraftübertragung durch ein Spitzenmoment belastet (M=P/ωTS), das nun mindestens doppelt so hoch wie gewöhnlich ist. Daher müssen nach einem solchen Vorkommnis die Baugruppen gewechselt werden. Die stationäre Autorotation mit gedrosselten Triebwerken ist zu Ausbildungszwecken gestattet, nicht jedoch die Landung.