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Simulator Mi-8, Kontrollpult des Instrukteurs

Simulator KTW-8

Am Standort Brandenburg waren für Ausbildung und Training der NVA-Hubschrauberführer zwei Mi-8-Simulatoren (KTW-8) aufgebaut. Die Anlage im Objekt Briest war die einzige ihrer Art in der DDR, allein in Basepohl im KHG-5 gab es einen weiteren Simulator für die Mi-24. Zu Zeiten der Entwicklung der Mi-8 in den 60er Jahren war eine solche Simulationsanlage ein gewaltiges Stück Technik, wahrscheinlich auch nur mit ebenso gewaltigen Kosten realisierbar. Der Simulator KTW bot im Gegensatz zum echten Hubschrauber die Möglichkeit, ohne Gefahr für Maschine und Besatzung alle erdenklichen Notfälle durchzuspielen. "Fliegen" war natürlich auch möglich, das jedoch war nicht die Hauptbestimmung der Simulatorausbildung. Nutzer des Simulators waren neben uns Offiziersschülern Hubschrauberführer in allen Truppenteilen der NVA, denn auch für die erfahrenen Flieger und Offiziere stand alljährlich eine Überprüfung im Simulator an.

SimulatorkabineSimulatorkabinePult des Instrukteurs

Der Simulator bestand aus der eigentlichen Kabine, die einem Mi-8-Cockpit mit allen Instrumenten, Bedienorganen und Schaltern vollständig nachgebildet war. Die gesamte Vorrichtung war auf einem hydraulisch schwenkbaren Gestell montiert, um in den Flugsituationen auftretende Kräfte und räumlichen Lagen zumindest in Grenzen simulieren zu können. Zu meiner Ausbildungszeit wurde dem aber nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Sicher war man ebenso auf Materialschonung bedacht; ich selbst habe die Hydraulik außer in einem Film niemals in Aktion gesehen.

Vor der Kabinenscheibe befand sich eine große Projektionswand. Für Bewegungen in Bodennähe wurde hier das Schwarz-Weiß-Bild von der in einem separaten Raum über ein Geländemodell fliegenden Minikamera dargestellt. Damit waren allerdings nur die Bewegungen unmittelbar am Platz und im allernächsten Umkreis darzustellen, größer war das Modell nicht. Das Modell entsprach im Grunde auch überhaupt nicht dem konkreten Aussehen des Platzes in Briest - jedoch hatten wir außer Start und Landung nichts weiter mit Sicht zu tun, und dafür reichte die Darstellung der Start- und Landebahn allemal aus. In aller Regel „übernahmen“ wir die schon irgendwo im Dunkel fliegende Maschine, ohne Bodensicht, vor dem Kabinenfenster gab es nur „schwarz“ oder eine Wolkendarstellung. Die Instrumente leuchteten nun wieder in ihrem anheimelnden Nachtflug-Rot.

Mi-8-Kabine des Simulators Arbeitsplatz des Instrukteurs Rechner Rechner

Die Steuerung der Anlage wurde mit einem analogen Rechner realisiert, der im Nebenraum einige Schränke für sich beanspruchte. Auch hatte hier der Instrukteur seinen Arbeitsplatz. Als Instrukteure arbeiteten zumeist Zivilbeschäftigte, in aller Regel hatten sie ihre 25 Jahre Dienstzeit bei der NVA absolviert und waren dort als Flieger und Offizier im Einsatz gewesen. Oftmals konnten sie auch nach der Dienstzeit nicht vom Fliegen lassen und sollten uns nun das Verhalten in besonderen Fällen lehren. Ich selbst erlebte während meiner Ausbildungszeit auch einen "neuen" Instrukteur, der zuvor als Fluginspekteur der OHS geflogen und mir von diversen Kontrollflügen auf der Mi-2 bekannt war. Hatte ich damals noch mit seinem gestrengen Wesen Probleme, so wandelte sich er nun völlig und wurde der in meinen Augen ruhigste, verständnisvollste und angenehmste Instrukteur, den ich je auf dem Simulator erlebt hatte.

Sein Pult zeigte die wesentlichen Instrumente des Hubschraubers an. Nach Belieben konnten hier besondere Fälle simuliert werden - vom Triebwerksausfall über Brände und Schmierstoffprobleme bis hin zu nicht funktionierenden Anzeigen. Die Umgebungsbedingungen des Fluges waren gleichfalls an seinem Pult einzustellen, ein virtueller Wind in allen Stärken machbar. Der Analogrechner verfügte sogar über eine Anzeige des Flugweges, nach heutigem Sprachgebrauch würde sie als Plotter bezeichnet.

Die Nutzung des Simulators indes war für uns Offiziersschüler in allen Jahren stets mit viel Aufwand verbunden. In aller Regel wurden für eine Ausbildungsstunde 2 Offiziersschüler vorgesehen, die sich im Laufe des Simulatorfluges abwechselten. Da wir unsere Dienststelle in der Magdeburger Straße hatten, der Simulator dagegen am Flugplatz Briest aufgebaut war, mussten wir irgendwie dorthin gelangen. Dazu wurde uns persönliche Initiative abgerungen: die betreffenden zwei Offiziersschüler fuhren normalerweise mit der Straßenbahn nach Briest. Da die erhebliche Entfernung uns eine nahezu dreiviertelstündige Straßenbahnfahrt abnötigte, verließen wir bereits eine reichliche Stunde vor Beginn unserer Ausbildungsstunde die Dienststelle. Dafür brauchten wir bis zum 3.Studienjahr sogar unsere Ausgangskarten; im 4.Studienjahr waren wir bereits im Besitz eines Dienststellenausweises für die beiden Objekte.

Gelegentlich war von uns Offiziersschülern auch die erste Ausbildungsstunde des Tages am KTW zu besetzen. Der Dienstbeginn dort um 7.15 bedeutete, dass wir bereits vor dem offiziellen Wecken aufzustehen und uns nach Briest zu begeben hatten. Da dann die Zeit für das Frühstück in unserer Dienststelle nicht reichte, konnten wir - mit entsprechenden Papieren ausgestattet - unser Frühstück im Speisesaal der Briester Dienststelle ohne weiteren Aufwand erhalten. Immerhin gab es hier keinen eigenen Offiziersschüler-Speisesaal, so besuchten wir den komfortableren Speisesaal der Berufskader. Oftmals war uns aber ganz einfach der Aufwand zur Beschaffung des Papiers für die Verpflegung zu groß, und so kam es auch schon mal vor, dass wir in Briest unser vorzügliches Mahl bezahlten. Die gute Auswahl beim Frühstück ließen wir uns gern 1 (!) Mark kosten.

Die Nutzung von Privat-PKW, die inzwischen eine Reihe von Offiziersschüler ihr Eigen nannte, ist für die Fahrt nach Briest untersagt gewesen. Was uns zumindest im 4.Studienjahr nicht mehr ernsthaft hinderte, trotzdem mit PKW zu fahren und uns eine erhebliche Menge Zeit zu sparen.

Für die Rückfahrt nach der Simulatorstunde in die Magdeburger Straße ließen wir uns normalerweise sehr viel Zeit :-), der Dienstbetrieb dort konnte auch ohne uns funktionieren.

Schwerpunkt der Simulatorausbildung war das Verhaltenstraining in besonderen Fällen. Für die Offiziersschüler gab es ein komplett festgelegtes Ausbildungsprogramm, das auf dem KTW zu absolvieren war. Die tatsächliche "Flugzeit" betrug für uns Offiziersschüler bis zum Ende der Ausbildung ca. 6 Stunden. Der Instrukteur benotete die Ergebnisse, auch im Flugbuch wurden sie akribisch eingetragen. Im Vorfeld des Simulatortrainings war gleichfalls eine schriftliche Vorbereitung zu erstellen. Nicht immer war uns diese Vorbereitung ordentlich möglich, da in der Staffel die Simulatorzeit oftmals kurzfristig vergeben oder befohlen wurde. Mehr als ein mal stand beim Morgenappell der Stabschef der Staffel vor uns, im Mund die Worte: „Genossen, heute ist ab 8 Uhr der KTW zu besetzen..“. Das belustigende Wortspiel bedingte zumeist das sofortige Aufbrechen der nunmehr befohlenen zwei Offiziersschüler nach Briest, denn es blieb gerade mal eine halbe Stunde Zeit.

Mit Fragen zu Ausfällen und Defekten im Hubschrauber wurden wir bei nahezu jedem Flugspiel konfrontiert; die praktische Anwendung bei einem „echten“ besonderen Fall blieb den meisten von uns glücklicherweise erspart. Wie aus der Pistole geschossen hatten wir die Antworten parat. Die Theorie saß gut. Aber im Simulator mussten wir nun tatsächlich in kürzester Zeit handeln. Da der KTW für uns normalerweise nur ohne Hydraulik betrieben wurde, bekamen wir von typischen Reaktionen, die das Kräfteverhältnis des Hubschraubers beeinflussten, wie z.B. beim Triebwerksausfall, gar nichts mit. Ständig waren wir auf der Hut, achteten auf die Anzeigeinstrumente. Ein Triebwerksausfall äußerte sich für uns „nur“ im Drehzahlabfall des jeweiligen Triebwerks und der Tragschraube; sofortiges Handeln gemäß der Vorschrift war zwingend erforderlich. Der Instrukteur schrieb fleißig mit… Stets behielten wir die Vielzahl der in der Mi-8 vorhandenen Instrumente und Leuchtfelder im Auge. Nicht immer registrierten wir alles rechtzeitig; sahen nur im Augenwinkel irgendetwas blitzen. Ein beliebtes, weil häufiges, Problem war das Auftreten eines Brandes in einer der 3 Sektionen: dieser konnte durchaus aufflammen und wieder gelöscht(!) werden, ohne dass wir potenzielle Hubschrauberführer dies zuverlässig mitbekamen und angemessen reagierten. Zumindest die Meldung an den Instrukteur hätte umgehend erfolgen müssen. Die Automatik meldete den Brand zwar und löste die Automatik aus, jedoch war er innerhalb von 5 Sekunden wieder gelöscht (zumindest in der Simulation) und das aufblinkende Leuchtfeld ging wieder aus. Das "Suchen" des eingetretenen Ereignisses kostete einige Sekunden Zeit, in denen wir bereits den Brand- und Stopphahn eines brennenden Triebwerks sofort hätten schließen müssen.
Was heutzutage von Fliegern als höchst nützlich empfunden wird, ein Leuchtfeld Master caution, gab es leider nicht.

Eine Besonderheit des Simulators gegenüber der echten Mi-8 bestand im Vorhandensein eines Sprachsignalisators. Eine Frauenstimme, von den Fliegern Natascha genannt, meldete Probleme oder Ausfälle. In der Praxis war ein solches System beispielsweise in der Mi-24 eingebaut. Die Erkennung der russischen Meldung bereitete meist keine Schwierigkeit mehr, zumal der KTW bei weitem nicht den Lärmpegel einer echten Maschine aufwies. Die Frauenstimme sollte - Psychologen zufolge - eine verbesserte Aufnahmefähigkeit des männlichen Gehirns für die Meldung bewirken. Allerdings schaltete man im Simulator den Signalisator aus "Kompatibilitätsgründen" mit der wahren Flugsituation meist ab, und es hieß nach wie vor, auf die zahlreichen Anzeigen zu achten.

Im Fliegen stand der Simulator einer echten Mi-8 nur wenig nach. Zwar mussten wir nahezu alles ausschließlich nach Instrumenten fliegen, das gelang uns aber nach der vorangegangenen fliegerischen Ausbildung auf der Mi-2 und Mi-8 ganz gut. Start und Landung, die man nach Geländemodell-Sicht durchführte, waren gewöhnungsbedürftig, fehlten doch die typischen auf uns einwirkenden Kräfte. Normalerweise sollte die hydraulische Plattform unter uns für solche Kräfte sorgen... Im Gegenzug dazu lag die Maschine wunderbar ruhig in der Luft, denn so böig wie in der Realität war der virtuelle Wind selten. In unserer Gegenwart schaffte sogar ein Bordtechniker, der ebenso wie wir Simulatortraining absolvieren musste, eine saubere Standschwebe ausschließlich mit den Regelknöpfen des Autopiloten zu steuern. Als Flieger staunten wir nicht schlecht über diese Leistung, wir hätten sie an seiner Stelle wohl kaum hinbekommen.

Wenngleich wir nicht hauptsächlich um des Fliegens willen zum Simulator kamen, flogen wir doch zahlreiche Manöver und entwickelten mehr Gefühl für den Instrumentenflug. Wir bekamen Erfahrung im Umgang mit besonderen Fällen. Gegen Ende der Offiziersschüler-Ausbildungszeit waren wir ab und an sogar schneller mit dem geplanten Simulatorprogramm in der geforderten Qualität fertig - ich selbst bekam nach einer solchen "schnellen" Stunde mit meinem Kameraden vom Instrukteur noch rasch eine Strecke aufgezwängt. Zwar hatten wir nach all den Jahren die Strecke 843 mit ihren Kursen und Zeiten bereits fest im Kopf einprogrammiert, aber dennoch mussten wir uns zuvor beim Instrukteur noch schnell die Funkpeilungen für die Wendepunkte geben lassen. Den Wind teilte er uns erst während des Fluges mit... da nun mittlerweile das Jahr 1990 gekommen war, verfügte ich bereits über einen programmierbaren Taschenrechner, dem ich flugs die Windparameter eingab und der uns schnell die Streckenparameter ausspuckte. Selbst wenn wir unseren Navigationsrechenstab mit zum Simulator genommen hätten, wären wir wohl angesichts der geringen Rechengeschwindigkeit die erste Etappe nur mit einer gefühlsmäßigen Windberücksichtigung geflogen. In dieser aufgezwungenen Situation, ohne Karte, wären wir nur mit viel Aufwand in der Lage gewesen, die Position zu bestimmen und sauber zu korrigieren: der übliche Flug nach Kurs und Zeit hätte uns völlig abgetrieben.

Zwar bekamen wir für diese freiwillige Leistung (und was hätten wir nur ohne Taschenrechner gemacht?) keine Note, aber ein wenig erschrocken blickten wir schon auf den Flugwegschreiber. Der hatte eine reichlich ausgebeulte Streckenführung auf dem Planchett mitgezeichnet. Unsere mühsamen Versuche, dem starken Wind zu trotzen und die Funkpeilungen auf das rechte Maß hinzubiegen, waren nicht immer gelungen. In der Tat waren wir an einem Wendepunkt vom Kurs abgekommen - aber wir korrigierten ihn auch noch falsch! Letzten Endes brachte uns in der virtuellen Luft nur die eigene Ruhe und eine genaue Überlegung über die Zusammenhänge der Funkpeilungen wieder auf Kurs. Gerne hätten wir in solchen Fällen ein richtiges Instrument gehabt - aber in unseren Hubschraubern gab es kein RSBN (Nahnavigationssystem, das Entfernung und Richtung zum Systemstandort angibt, Funktionsprinzip ähnlich VOR/DME), und wir mussten mit einer normalen Funkpeilung vorlieb nehmen. Versetzte die Desorientierung den Flieger während des Fluges sonst beinahe in Panik, so blieb uns das auf dem Simulator erspart; schließlich konnten wir hier ohne echte Gefahr fliegen und behielten auch in solchen Situationen die Ruhe. Das Training auch solcher Situationen trug wesentlich zu einem besonnenen Verhalten in der Luft bei.

Bildnachweise

  • "Abschiedsfilm" des ehemaligen THG-34
  • W.Eckhardt, ehemaliger Instruktuer auf dem KTW