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Fliegerische Ausbildung auf der Mi-8

Fliegerische Ausbildung

Die fliegerische Ausbildung an der OHS gliederte sich in zwei Etappen. Für die Offiziersschüler war die Ausbildung auf dem Typ I (Mi-2) und Typ II (Mi-8) vorgesehen. Die erste fliegerische Periode auf der Mi-2 begann ca.9 Monate nach Anfang der Ausbildung und dauerte 1 Jahr. Die zweite fliegerische Periode fand auf der Mi-8 statt; sie begann nach einer 2.theoretischen Periode von 7 Monaten und erstreckte sich bis in das erste Quartal des 4.Studienjahres. Größtenteils waren die Ausbildungsinhalte auf beiden geflogenen Typen identisch, wurden auf der Mi-8 dann jedoch um taktische Flüge erweitert.

Zeitlicher Ablauf der Ausbildung

Nach reichlichen acht Monaten der theoretischen Ausbildung kam für uns Offiziersschüler der große Tag, an dem Ausbildung auf dem Hubschrauber beginnen sollte. Im Juni des Jahres 1987 absolvierten wir unsere ersten fliegerischen Schritte, nach dem wir zahlreiche Prüfungen in theoretischen Ausbildungsfächern abgelegt hatten.

Die fliegerische Ausbildung brachte für uns ebenfalls eine Veränderung der Vorgesetzten- und Dienstverhältnisse mit sich: ab jetzt gehörten wir Fluggruppen mit jeweils 5 bis 7 OS an, denen ein Fluglehrer (Dienststellung: FL/FL= Fachlehrer/ Fluglehrer) zugeordnet war. In dieser Dienststellung war für sie der Dienstgrad Major erreichbar; an der OHS waren die Planstellen mit dem nächst höheren Dienstgrad eines vergleichbaren Truppenoffiziers verbunden.

Direkter Vorgesetzter des einzelnen Offiziersschülers war der Fluggruppenälteste – selbst ein Offiziersschüler – und oftmals auch nicht der Älteste. Vergleichbar war dies mit dem Gruppenführer bei einer regulären militärischen Einheit. Die Fluggruppen mit ihren Fluglehrern waren in Summe zu 3 Ketten zusammengefasst (geführt von den Kettenältesten/ Offiziersschülern und den Kettenkommandeuren/ Offizieren), die wiederum der I.Hubschrauberausbildungsstaffel (HAS) angehörten. Staffelkommandeur der I.HAS war zu dieser Zeit Major Glänzel, er zeichnete damit verantwortlich für unsere Ausbildung auf dem Typ Mi-2. Die zwei Hubschrauberausbildungsstaffeln (die II.HAS unter Staffelkommandeur OSL Liefeld führte die Ausbildung auf der Mi-8 durch) bildeten den fliegenden Teil des Hubschrauberausbildungsgeschwaders HAG-35. An der OHS wurden, anders als in den Einsatztruppenteilen, die Technischen Staffeln nicht den fliegenden Staffeln unterstellt, sondern waren als eigene Einheiten dem Kommandeur des HAG-35 unterstellt. In Brandenburg gab es ohnehin stets das Problem der räumlichen Trennung, da die fliegenden Einheiten in der Magdeburger Straße inmitten der Stadt untergebracht waren, das Ingenieurtechnische Personal und das Fliegertechnische Bataillon (FTB-35) jedoch unmittelbar am Flugplatz Briest.

Komplexbodenausbildung

Wir fieberten dem Moment entgegen, in dem wir selbst endlich in der Mi-2 Platz nehmen durften. Zu unserem Bedauern begannen wir unsere fliegerische Ausbildung wieder mit Theorie: die Komplexbodenausbildung (KBA) machte uns mit den konkreten Anforderungen an die verschiedenen fliegerischen Übungen vertraut, ebenso mit Besonderheiten des Flugraumes Brandenburg-Briest und zahllosen weiteren Details, die irgendwie zuvor nicht vollends in die theoretische Ausbildung zu passen schienen. Die 3 Wochen waren prall mit Unterricht und Studium gefüllt; immerhin wurden im abschließenden Prüfungsprotokoll 87 Unterrichtsstunden verzeichnet.

Schwerpunkte der KBA waren:

Von unserem vorgesetzten Kommandeur der 1.Kette, zu jener Zeit Major Trinks, wurde während dieser 3 Wochen kein Urlaub gewährt. So wurde für uns auch an den Wochenenden genügend Zeit geschaffen, um an der Erstellung unserer Unterlagen (Methodik) zu arbeiten und seitenweise technische und Flugplatzdaten auswendig zu lernen.

Methodik

Für die Durchführung der einzelnen fliegerischen Übungen waren über alle Jahre der Ausbildung an der OHS und auch später als Offizier in den Truppenteilen so genannte Methodiken anzufertigen. Sie enthielten als persönliche Unterlagen den kompletten Ablauf und Besonderheiten der Übungen. Die Methodiken waren an zentraler Stelle in der NVA ausgearbeitet worden und verbindliches Ausbildungsmaterial, wurden aber in allen Fliegertruppenteilen der NVA bzw. GT noch einmal umgesetzt und konkretisiert, trugen also durchaus geschwaderspezifische Handschrift.

In den Fluggruppen an der Schule stand beim Fluglehrer hiervon ein Exemplar zur Verfügung. Da es keine für uns nutzbare Kopiertechnik gab, mussten wir wieder auf das handschriftliche Anfertigen zurückgreifen, was uns viel Zeit abforderte. Noch während der Komplexbodenausbildung fertigten wir die ersten Seiten der Methodik an, um Vorlauf für die fliegerische Ausbildung zu haben. Im Laufe der nächsten Monate und Jahre wurde sie entsprechend dem Ausbildungsstand zunehmend vervollständigt.

Eine Übersicht über wesentliche Dokumente der Methodik gibt es hier.

Russische Kommandotafel, Flugfunk, Index

Unsere Vorbereitung auf die kommenden Flüge beinhaltete ebenfalls ein intensives Studium der als Kommandotafel bezeichneten wichtigsten Phrasen im Flugfunkverkehr. Gemäß der Vorgaben einer einheitlichen Kommandosprache in den Warschauer Vertragsstaaten wurde der Flugfunk in russischer Sprache geführt, um bei einem notwendigen Zusammenwirken im Gefechtseinsatz eine schnelle und reibungslose Kommunikation zu gewährleisten. An der OHS wurde sämtlicher Funkverkehr in russischer Sprache geführt, abgesehen von außergewöhnlichen Flugsituationen oder Notfällen. Da man im Flugfunk seine Absicht nicht nach Belieben kundtat, existierte für die einzelnen Erfordernisse ein exakt vorgeschriebener Wortlaut, der verwendet werden sollte. Insofern kamen die meisten Flieger auch ohne perfektes Russisch aus, da meistenteils die gelernten Sätze der Kommandotafel ausreichten. Die Phrasen entsprachen zwar nicht immer grammatikalisch sauberem Russisch, aber das kümmerte uns nicht unbedingt - der Inhalt der Kommandotafel war genau festgelegt und einzuhalten. In den Flugfunkverkehr fügte sich ebenfalls die Verwendung der Kennungen der einzelnen Hubschrauberführer ein. In der NVA erhielt jeder Flieger eine Schlüsselzahl, die unverwechselbar seine eigene Fliegerperson bis in alle Ewigkeit kennzeichnete und bei Angaben, die ihn als Flieger innerhalb der NVA betrafen, verwendet wurde. Sämtliche fliegerischen Unterlagen oder Dokumente wurden über diese Schlüsselzahl eindeutig dem Flieger zugeordnet.

Dagegen wurde für den Flugfunk eine als Index bezeichnete Zahl verwendet; eine fünfstellige Zahl, die innerhalb des Warschauer Vertrages eindeutig war. Bei den Jagd- und Transportfliegern der NVA wurden normalerweise die letzten 3 Stellen dieses Index’ verwendet, um im Flugfunk miteinander umzugehen. Bei den Hubschrauberführern wurden allerdings stets die letzten 4 Stellen verwendet, ebenso geschah dies beim Zusammenwirken mehrerer Fliegergattungen, auch innerhalb des Warschauer Vertrages. Namen oder taktische Nummern der Hubschrauber wurden nicht verwendet, wenn man von Sonderfällen wie einzelnen Überprüfungen ausschließlich der Technik am Boden absieht. Angesagt wurde der Index in Zweiergruppen. In meinem eigenen Fall zu Beginn der Ausbildung war das „двадцть один пятьдесать два“ für die „2152“. Allerdings erlebten auch wir während unserer Ausbildungszeit den außergewöhnlichen Zufall, dass die Indizes von zwei Offiziersschülern sich ausschließlich in der ersten Ziffer unterschieden - so mussten diese beiden zwangsläufig im Flugfunk alle fünf Ziffern ansagen.

Daher war für jeden Flieger die anwendungsbereite Kenntnis der russischen Ziffern unabdingbar. Wurde im Funk eine Zahl verwendet, musste man zumindest schnell und zielsicher entscheiden können, ob es der eigene Index war. Hinzu kam die Verwendung der Ziffern für die Bezeichnung von Flugzonen und die Streckenwendepunkte, ebenso mussten wir alle Höhenangaben in Russisch beherrschen.

Die Indizes der Flieger wurden im kompletten Gebiet der Warschauer Vertragsstaaten in unregelmäßigen Abständen gewechselt. Alle paar Monate erhielten wir eine neue Zahlenkombination, auf die wir uns sofort einstellen mussten. In den ersten Tagen war dies natürlich ungewohnt, da wir in den vergangenen 4 oder 6 Monaten doch eine andere Zahl verwendet hatten. So schlich sich doch das eine oder andere Mal die falsche russische Zahl ganz automatisch ein, nicht ohne Stutzen des Flugleiters am Boden.

Für die einzelnen Teilnehmer im Funkverkehr gab es genau festgelegte Bezeichnungen. Der Rufname des Platzes in Briest war „Unrecht“, woraus man ebenfalls die Kennungen (Morsebuchstaben) der Funkfeuer und des Codeleuchtfeuers ableitete. Jeder am Funkverkehr beteiligte Verantwortliche beim Flugdienst hatte seinen eigenen Rufnamen. Der Flugleiter erhielt Унрехт-старт (Unrecht-Start), der Landeleiter Унрехт-посадка (Unrecht-Posadka), der Funkpeiler Унрехт-пеленг (Unrecht-Peleng). Andere Plätze, wie zum Beispiel der ebenfalls sporadisch zur Ausbildung mit genutzte Segelflugplatz Klein-Kreutz oder begrenzte Plätze und Schießplätze erhielten eigene Rufnamen; hier wurde ebenfalls auf anderen Funkkanälen gearbeitet. Üblich war „PATOKA“ für den jeweils genutzten begrenzten Platz, „PADUA“ für den Schießplatz Klietz und „KODEX“ für Klein-Kreutz.

Rayon

Rayon blanko, hier mit den spartanischen Angaben zu Flüssen Rayon, gezeichnet von OS Kollhoff

Als angehender Flieger war die genaue Kenntnis des Flugraumes unbedingt notwendig. Die Lage der wichtigsten Sichtnavigationsmerkmale wie Ortschaften, Flüsse, Seen, Eisenbahnstrecken und Straßen musste unbedingt zu unserem Standardwissen gehören. In allen Jahren während der Ausbildung wurde zur Verfeinerung der Kenntnisse immer ein so genannter Rayon gezeichnet (das Wort wurde aus dem Russischen entlehnt). Zur Übung erhielten wir stets Vordrucke in A3-Größe, die in unterschiedlichen Varianten existierten und mit rudimentären zeichnerischen Angaben ausgestattet waren: es gab Pläne mit Straßen und Eisenbahnen, mit Flüssen oder auch eine Variante mit Ortschaften. Durch uns musste jeweils der komplette Rest ergänzt werden - selbstverständlich aus dem Kopf. Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass wir die wesentlichsten Merkmale des Flugleitungsbereiches Briest auswendig kannten. Ab und an wurden auch Kartierungen der DDR gefertigt, hierbei war dann natürlich nicht die Detailtreue des unmittelbaren Flugraumes gefordert, jedoch kannten wir irgendwann alle größeren Städte, die Flüsse und charakteristische Seen, Eisenbahnlinien und Straßen. Vielfach reicht das seinerzeit antrainierte Wissen bis heute, wo wir uns im Gebiet der ehemaligen DDR erheblich besser auskennen als in den westlichen Bundesländern.

Der Rayon musste durch uns in der Regel ein Mal pro Woche gezeichnet und dem Fluglehrer vorgelegt werden. Natürlich verspürten wir nicht immer die rechte Lust dazu, so wurden wir erfinderisch: wir ließen das Datum weg oder vermerkten selbiges nur mit Bleistift, so dass wir sehr schnell „updaten“ konnten. Solche „Erfindungen“ gab es häufiger, zum Teil nutzten wir auch später bei anderen anzufertigenden Unterlagen diese Methode.

Karten, Ausrüstungsgegenstände

Kartentasche Kartentasche und Knieplanchett

Im Zuge der Komplexbodenausbildung erhielten wir ebenfalls unsere fliegertypischen Ausrüstungsgegenstände. Der Fliegerhelm lag zwar schon einige Wochen ungenutzt im Schrank, aber nun kam endlich seine Zeit. Weiter gab es die Kartentasche, die von uns mit vorbereitetem Material befüllt werden musste. Dazu erhielten wir Kartensätze der DDR in 1:500 000 (russisch beschriftet) und 1: 200 000 (russisch und deutsch beschriftet). Zumindest die Blätter der Übersichtskarte 1:500 000 mussten vollständig zusammengeklebt werden, um eine komplette Karte der DDR zu erhalten. Allerdings war diese DDR-Karte von uns in der Ausbildung nicht regelmäßig zu verwenden. Für die Flüge im Bereich des Platzes Briest reichte unsere 200 000er Karte mit 2 zusammen geklebten Blättern aus. Einzig die Strecke 846 hatte eine solche große räumliche Ausdehnung, dass wir dazu die große Karte aus der Tasche holen mussten.

Das Vorbereiten und Kleben der Karten gestaltete sich zum Teil schwierig. Fliegerkarten zeichnen sich - anders als gewöhnliche Autokarten - durch größtmögliche Flächen-und Winkeltreue aus. Jede Karte hat Trapezform. Mehrere Karten in Nord- und Ostrichtung aneinandergeklebt sind damit keine ebene Fläche mehr, sondern ergeben einen recht widerborstigen Kugelausschnitt. In der Mitte hebt er um einige Zentimeter vom Boden ab und lässt sich nicht unbedingt einfach in eine flache, taschengerechte Form falten.

Beide Karten wurden von uns während dieser Tage eifrig mit den wesentlichen Daten ausgestattet. Das Einzeichnen von Sperrgebieten, Zonen, Luftstraßen, Flugräumen, Flugplätzen, Höhen und Hindernissen in stundenlanger Arbeit gehörte dazu. Die Streckenvorbereitung war an diesem Punkt noch nicht erforderlich, diese kam erst später während der konkreten Flugvorbereitung auf uns zu. Gemeinsam mit der Kartenvorbereitung entstand auch die so genannte Funktabelle, die sämtliche auf dem Gebiet der DDR befindlichen militärischen Flugplätze der NVA und GSSD beinhaltete, ebenso die Rufzeichen und Erreichbarkeit von Gefechtsständen und anderen vorgesetzten Stellen. Die Tabelle enthielt somit recht brisante Informationen, die auf keinen Fall in die falschen Hände gehörten.

Funktabelle I Funktabelle II

Die Tabelle wurde in eine Folie gesteckt und mit einer Schnur in der Kartentasche befestigt, so dass sie sich nicht selbständig machen konnte. Ebenso wie die beschrifteten Flugkarten wurde alles der Geheimhaltung unterworfen und als VVS (Vertrauliche Verschlusssache) eingestuft. Freilich konnten wir schon seinerzeit annehmen, dass die Informationen unseren potentiellen Gegnern und der NATO längst geläufig waren, trotzdem wurde in der NVA großer Aufwand um den Verschluss jeglicher Informationen in allen Bereichen betrieben. Auch unsere Kartentaschen waren nicht einfach zugänglich und wurden zentral in Schließfächern im Dienstzimmer des UvD der jeweiligen Ausbildungsstaffel aufbewahrt. Jeder Flieger besaß einen Schlüssel zu seinem Schließfach. Die Entnahme vor dem Flugdienst oder im Zuge der Flugvorbereitung und das Wiedereinlagern nach der Rückkehr wurden vom UvD in einem besonderen Dienstbuch festgehalten, so dass jederzeit dokumentiert war, wo sich die Kartentasche befand. Schon dieser Vorgang kostete einiges an Zeit, durften sich doch nicht mehr als 5 Genossen gleichzeitig im Dienstzimmer aufhalten. Somit kam es vor dem Abrücken zu den Flugdiensten schon zu Warteschlangen.

Selbstverständlich durften die Kartentaschen nicht aus der Hand gegeben werden; und so bewegte man sich später beim Flugdienst mit eben dieser Tasche überall hin, und sei es bis zur Toilette oder in den Speiseraum gewesen.

Knieplanchett (späte 80er Jahre, aus DDR-Produktion)"Knieplanchett (sowjetische Produktion), Deckel. Danke Jörg Fiedler!Knieplanchett (sowjetische Produktion), Strecke. Danke Jörg Fiedler!Knieplanchett (sowjetische Produktion) Windrechner. Danke Jörg Fiedler!

Gleichfalls wurde es Zeit für uns, sich mit dem Knieplanchett vertraut zu machen. An sich eine sehr praktische Erfindung, die von Fliegern aller Art schon immer gern genutzt wurde und auch heute üblich ist. Mit diesem Gerät am Oberschenkel hat man stets alle wichtigen Informationen während des Fluges parat. Allerdings erhielten wir NVA-Offiziersschüler zu diesen Zeiten bereits die in DDR-Eigenproduktion gefertigten gewaltigen Planchetts, die von uns respektlos als Brotbüchse bezeichnet wurden. Neidvoll schweiften die Blicke über die Knieplanchetts unserer Fluglehrer, die der sowjetischen Herstellung zum Trotz klein, handlich und robust waren, einen integrierten Windrechner hatten und beim Fliegen nicht so sehr behinderten. Unsere Planchetts waren doppelt so dick und von massiver, allerdings nicht mechanisch exakter Bauweise. Sogar Platz für eine kleine integrierte Beleuchtungseinrichtung war vorhanden, damit man im Nachtflug nicht die Kabinenbeleuchtung einschalten musste. Das Innenleben der Planchetts bestand aus einzelnen Metall-„Blättern“, die normalerweise mit Bleistift zu beschriften sein sollten, wie wir es von den geliebten, unerreichbaren Planchetts der anderen kannten. Zeittabelle Die Beschichtung jedoch erwies sich beim Entfernen der Bleistiftspuren als viel zu hartnäckig, so dass die Mehrzahl der Anwender auf eine in der NVA allerorts übliche Variante nutzte: kurzerhand wurden um die Metalleinlagen Klarsichtfolien geklebt. Hinter diese konnte man zum einen vorbereitete kleine Dokumente schieben, zum anderen waren sie jetzt mit normalen Folienstiften beschreibbar. Die Entfernung der Notizen indes war mit einer gehörigen Portion Spiritus kein Problem mehr. Auf diese Weise wurden im Übrigen die meisten Aufzeichnungen beim Flugdienst, die sich ja täglich änderten, vorgenommen, bis hin zu Eintragungen auf Karten bzw. deren schützender Folie. Im Knieplanchett notierten wir meteorologische Daten, Flugdienstangaben zu den Hubschraubern (taktische und laufende Nummern), Flugplatzschemata, Streckeninformationen, zum Teil die Indizes anderer Offiziersschüler (zumindest später beim Gruppenflug wurde dies gebraucht) und Angaben zu Flugsicherungsmitteln (Funkfeuer), wenngleich sie uns im Laufe weniger Flugschichten bereits in Fleisch und Blut übergegangen waren. Auch eine Liste der Zonen gab es, denn bei Starterlaubnis in die Zone musste man sofort und ohne Wühlen in den Karten entscheiden können, welcher Kurs nach dem Ausflug aus der Platzrunde einzunehmen war. Als sinnvoll erwies sich beim späteren Streckenflug auch eine Zeittabelle für den befohlenen Zielanflug nach Zeit.

Was wir vielleicht an Ausrüstungsgegenständen noch gern gesehen hätten: Fliegeruhren. Leider gab es diese für uns Spätgeborene nicht mehr, weder als Offiziersschüler noch später als angehende Piloten. Einzelheiten zu diesem Thema darf man weiter unten nachlesen.

Flugvorbereitung

Die letzte Etappe vor dem Flugtag stellte die Flugvorbereitung (FVB) dar. Sie wurde im HAG-35 mittwochs und samstags durchgeführt und hatte jeweils 2 Flugtage Gültigkeit. Die Vorbereitung am Samstag deckte somit die Flugdienste für Montag und Dienstag ab, die FVB am Mittwoch entsprechend die Schichten am Donnerstag und Freitag. Im Anschluss an den jeweils ersten Flugdienst (also Montag oder Donnerstag) musste noch eine Wiederholungsflugvorbereitung (WFVB) durchgeführt werden, die jedoch nur einen geringeren Zeitumfang von ca. 45 Minuten hatte.

Die Flugvorbereitung indes nahm in Summe einen ganzen Tag von 8.00 bis 16.15 Uhr ein. Samstags wurde der Ablauf vorverlegt und gestrafft, um bereits um 12.15 Uhr mit der Dienstausgabe den Tag zu beenden. Den Offiziersschülern, die in KU fahren konnten, war somit theoretisch das pünktliche Erreichen ihres Zuges am Bahnhof möglich, der sich um 12.35 Uhr nach Berlin in Bewegung setzte.

Fachliche Vorbereitung

Der Mittwoch als der zentrale Flugvorbereitungstag begann mit der politischen und fliegerischen Wochenaufgabenstellung im Geschwader, die in aller Regel durch den Geschwaderkommandeur im Regimentsklub durchgeführt wurde.

Die eigentliche Flugvorbereitung fand anschließend in den Fluggruppen statt. Der Fluglehrer legte für jeden Offiziersschüler konkrete Flugaufgaben für die nächsten beiden Flugdienste fest. Die Durchführung der Übungen wurde vom Flugschüler schriftlich ausgearbeitet, gegebenenfalls war hierzu noch die Methodik anzufertigen. Für die anfänglichen Übungen war dies in annehmbarer Zeit zu schaffen, da meistenteils nur verbale Beschreibungen und eine kleine Grafik vonnöten waren. Für die später auf uns wartenden anspruchsvolleren Aufgaben, beispielsweise Streckenflüge, war dann schon mehr Vorbereitungszeit erforderlich. Schließlich musste hierbei der komplette Navigations- und Steuermannsplan angefertigt werden.

Die Flugvorbereitung in den Gruppen wurde mit dem Flugspiel abgeschlossen. Der Fluglehrer prüfte hierbei jedem Offiziersschüler mit konkreten Fragen das soeben erworbene Wissen und die angefertigten Dokumente ab. Hinzu kamen meist noch stichprobenartige Tests des Verhaltens in Besonderen Fällen (VBF Mi-2). Hierunter verstand man im Prinzip alle Verhaltensweisen bei Ausfällen und Störungen. Diese Verhaltensweisen mussten von jedem Flieger gnadenlos beherrscht werden, konnte doch eine Störung jederzeit und unabhängig von unserem derzeitigen fliegerischen Ausbildungsstand auftreten. Die Antworten auf die Fragen des Fluglehrers mussten sprichwörtlich wie aus der Pistole geschossen kommen - meistenteils bediente er sich wahllos irgendwelcher Ereignisse: Triebwerksausfall, Brand, selbständiges Einnehmen von willkürlichen Fluglagen, Aufleuchten von Leuchtfeldern. Die ständige Übung gewährleistete ein nahezu automatisches Reagieren auf Ereignisse während des Fluges. „Echte“ Vorkommnisse gab es in der NVA glücklicherweise nur wenige; zumeist wurden die praktischen Verhaltensweisen auf dem Simulator KTW trainiert.

Fliegertrainingssport

Bestandteil der Flugvorbereitung war ebenfalls der Fliegertrainingssport (FTS). In der geplanten Unterrichtsstunde wurde dabei neben dem üblichen Dienstsport unter Aufsicht des Sportoffiziers großenteils an den vorhandenen Fliegertrainingsgeräten, die sich in Brandenburg im Freien vor der Halle befanden, gearbeitet:

  • Triplex

    Triplex

    Der Triplex (OSL Schlanert: "Dat Triflex") war als Trainingsgerät für die freie Bewegung im Raum gedacht, zugleich wurde die räumliche Orientierung geschult. In einem vollkardanisch aufgehangenen Rad wurde der Sportler angeschnallt und musste mit viel Kraft und Verlagerung seines Körperschwerpunktes versuchen, den innersten Rahmen in eine beständige Drehung zu versetzen. Durch die Befestigung in 3 Rahmen konnte er jede Lage im Raum einnehmen.

    Hinderlich war für einige, so auch für mich selbst, dass man dafür eine gewisse Körpergröße haben sollte. Ist man zu kurz, befindet man sich nach dem Anschnallen an Händen und Füßen gewissermaßen auf der „Streckbank“ und kann deshalb seinen Körperschwerpunkt schon nicht mehr verlagern. So blieben wir kleineren Offiziersschüler häufig in unserer misslichen Lage irgendwie im Raum hängen und mussten zwangsweise befreit werden - was auch geschah, wenn der Sportler keine Kraft mehr hatte.

  • Rhönrad

    Rhönrad

    Mit dem Rhönrad konnte man seitliche Drehungen trainieren, hierzu war es auf ein Standgerüst montiert. Da man sich nur an den Füßen anschnallte, gab es auch für mich weniger Probleme als im Triplex, konnte man doch jetzt so greifen, wie man es brauchte. Auch hier galt es, den Schwerpunkt möglichst rasch zu verlagern, um so das ganze Rad in eine Drehung zu versetzen. Geschick war gefragt, wenn man die Drehung schnell von rechts auf links „umschalten“ musste.

  • Rotor

    Der Rotor war ein runder Käfig, der durch einen Elektromotor in Drehung versetzt wurde. Meist nichts anderes als ein etwas einfaches Karussell, quetschte es uns für 15 Sekunden an die Innenwand des Käfigs. Hier ging es nur um das „Durchhalten“.

  • Trampolin (Batude)

    Trampolin

    Am Trampolin waren verschiedene Sprünge und Haltungen durchzuführen, nach einigen Unterrichtsstunden unter Anleitung des Sportoffiziers gelangen auch die verlangten Vorwärts- und Rückwartssalti. Die vorhandenen Geräte waren zwar allerorts in den Fliegertruppenteilen der NVA üblich, jedoch waren sie in ihrer Brandenburger Ausführung nicht perfekt: eine Longe zur Sicherung des Übenden gab es nicht, ebenso verrutschten bei eifrigem Springen des öfteren die am Rande liegenden Matten und ließen den Springer manchmal unsanft auf der Betoneinfassung aufkommen. Hin und wieder führte dies zu ernsthaft verstauchten Knöcheln und damit Flugdienstuntauglichkeit. Angesichts des für den nächsten Tag eingeplanten Offiziersschülers stellte dies unter Umständen wieder die Geschwaderplanung auf den Kopf.

  • Überschlagschaukel (arretiert und entarretiert)

    Überschlagschaukel

    An der Überschlagschaukel galt es, in einer vorgegebenen Zeit 10 Umdrehungen zu schaffen. Für die Note 1 bewegte man sich in seinem Käfig in 16 Sekunden 10 Mal um die Geräteachse, gezählt wurde die Zeit ab der ersten geschafften Umdrehung. Als Steigerung galten die Überschläge, wenn der Käfig sich zusätzlich um die Hochachse drehte („entarretiert“), was normalerweise nicht gefordert war („arretiert“). Im entarretierten Zustand mussten wir uns vollends auf die räumliche Lage konzentrieren. Sobald man sich mit dem Käfig unten befand, musste man Schwung holen, egal ob wir selbst nun vorwärts, rückwärts oder seitwärts zur Bewegungsrichtung standen.

Diese Geräte forderten ein großes Maß an körperlicher Beherrschung, Koordinationsvermögen und Kraft, wenngleich uns Hubschrauberführern eine solche Belastung im Flug normalerweise nicht bevorstand. Das Training an diesen Geräten machte durchaus Spaß, was für die anderen Sportarten im Rahmen der Physischen Ausbildung nicht immer galt.

Ab und an waren jedoch auch im Fliegertrainingssport andere Sportarten zu absolvieren. Um regelmäßige 3000m-Läufe kamen wir genau so wenig umhin wie um Kraftsport. Insbesondere im Winter konnten wir nicht im Freien auf den Geräten trainieren, einzig Rhönrad und Rotor waren in der Halle untergebracht.

Eine filmische Darstellung findet sich in "Ich fliege, und das macht mich stolz".

Neidvoll sahen wir das Stammpersonal (Fluglehrer und Staffel-/ Geschwaderleitung) Fußball spielen, gern hätten wir unseren FTS auch in dieser Form verbracht. Allerdings hatten wir anders als unsere Vorgesetzten in aller Regel den Sport unter Aufsicht des Sportoffiziers zu führen, der genau diese Art von sportlicher Einseitigkeit zu verhindern wusste.

Sportmotorischer LeistungstestTest In der Truppenpraxis gab es für die Flieger eine Anleitung "Sportmotorischer Leistungstest des Flugzeugführers", der Übungen zur allgemeinen Konditionierung enthielt und von jedermann selbstständig durchgeführt werden sollte. Desgleichen wurden diese Tests (zumindest gelegentlich) in Königsbrück bei der Flugmedizinischen Kontrolle durchgeführt.

Abschluss der Komplexbodenausbildung, Übergabe der Fliegerhelme

Zeitungsartikel zur Helmübergabe. Aus: Fliegerrevue 8/1988 Wir schlossen die Komplexbodenausbildung nach 3 Wochen und 87 Unterrichtstunden ab.
Auch die erste Flugvorbereitung für den folgenden Flugtag lag hinter uns. Als Zeichen für den tatsächlichen Beginn der fliegerischen Ausbildung fand im Rahmen einer Veranstaltung die offizielle Übergabe der Fliegerhelme statt. So wie bereits bei zahlreichen ähnlichen Veranstaltungen zuvor, einschließlich der Vereidigungen, wurde auch dafür der Marienberg in Brandenburg auserkoren. Im Herzen der Öffentlichkeit konnten so an diesem 20.Juni 1987 auch unsere Verwandten und Freundinnen dem Zeremoniell beiwohnen. Wenngleich wir weit weniger aufgeregt und nicht mehr so unbeholfen waren wie bei unserer Vereidigung vor fast einem Jahr, war es in jedem Falle ein erhebender Augenblick, der ab und an auch in der Fliegerrevue (nebenstehend Artikel aus dem Jahre 88, hier den nächsten Ausbildungskurs nach uns betreffend) einen würdigenden Beitrag fand.

Im Anschluss an die offiziellen Ereignisse an diesem Samstag, konnten wir erstmals seit Beginn der fliegerischen Periode Kurzurlaub nehmen. Dieser machte uns zugleich auch mit den Urlaubsregelungen während der fliegerischen Ausbildung vertraut. Da für alle Flieger 8 Stunden Schlaf vor dem Flugdienst verordnet war, ist der Beginn der Nachtruhe zwangsläufig einzuhalten gewesen. Eine Rückkehr aus dem Urlaub mitten in der Nacht oder gar erst am Morgen, wie wir es in der theoretischen Ausbildung häufig machten, war damit nicht möglich. Große Probleme gab es so mit Verspätungen – denn offiziell konnte man nach einer verspäteten Ankunft, die den Beginn der Nachtruhe hinausschob, gar nicht die vorgeschriebenen 8 Stunden schlafen, der Flugdienst war in Gefahr. Immerhin musste man im Med.Punkt auf seiner Karteikarte die ordnungsgemäße Ausführung von 8h Schlaf bestätigen. Irgendwie fand sich in den Jahren jedoch noch immer eine inoffizielle Methode, die genau genommen in falschem Abzeichnen der Rückkehrzeitpunkte bestand.

Je nach Flugschichtbeginn war die Rückkehr in die Dienststelle (1 Stunde vor Nachtruhe) auch schon mal um 18.00 oder 19.00 Uhr befohlen; so auch an diesem Wochenende vor unserem ersten Flugdienst.

Fliegerhelm Auf unsere Fliegerhelme waren wir stolz. Die leuchtendroten Helme, in den NVA-Fliegerkreisen auch als Erdbeere bekannt, wurden zu dieser Zeit ebenfalls bei den Jagdfliegern genutzt. In den Kampfhubschraubergeschwadern wichen sie zwar neueren Modellen mit integriertem Visier, Kopfhörern und Mikrofon, aber in den anderen Hubschraubertruppenteilen begleiteten uns die Helme, die wir hier übergeben bekamen, weiterhin durch das Fliegerleben. Allerdings war das alles für’s erste nur Show: in der Mi-2 wurde ohne Helm geflogen, nur mit Lederkopfhaube. Die Mi-2 bot auf Grund ihrer beschränkten Kabinenhöhe gar nicht ausreichend Platz, um gefahrlos einen Helm zu tragen - immerhin konnte man mit dem hervorstehenden Helmvisier unter Umständen sogar die genau über dem I.HSF befindlichen Stopphähne der Triebwerke betätigen. So trugen wir im ersten fliegerischen Ausbildungsjahr nur die Kopfhaube, darunter eine Leinenhaube, um den gelegentlich reichlich fließenden Schweiß aufzusaugen. In die Kopfhaube selbst waren die Kopfhörer integriert, das Kabel war mit der in den Warschauer Vertragsstaaten genormten Brechkupplung im Hubschrauber anzuschließen (diese gewährleistete eine unproblematische Trennung, falls man das manuelle Trennen vergaß oder beim Notverlassen des Hubschraubers). Für das Sprechen waren Kehlkopfmikrofone verantwortlich, sie wurden per Leder-Gummi-Riemen mit Druckknopf um den Hals geschlungen. Die Kehlkopfmikrofone waren anfangs sehr unangenehm, sie drückten mächtig am Hals. Aber die Verständigung mit ihnen gelang leidlich, da sie kaum Nebengeräusche aus der Kabine aufnahmen. Bügelmikrofone, wie sie unsere Fluglehrer teilweise besaßen, gab es für Offiziersschüler nicht und waren auch unter den gestandenen Fliegern in den Truppenteilen nicht üblich. Freilich hinderte das in den Kampfhubschraubergeschwadern die Offiziere nicht, sich zum Teil selbst solche Mikrofon-Konstruktionen zu basteln. Oder im Falle von einigen Mi-2 Fliegern der HSFAs (Hubschrauberstaffeln zur Führung und Aufklärung, ausgerüstet mit Mi-2 und basiert in Cottbus bzw. Basepohl) ganz und gar auf die Haube zu verzichten (da der Helm ohnehin nicht getragen werden durfte) und mit einem normalen Sprechgeschirr zu fliegen - für die Betreffenden sehr angenehm, da sich hier keine Wärme staute.

Erst die mit Ende der 80er Jahre einziehenden neuen Helme besaßen ein integriertes Bügelmikrofon. Mit den neuen Helmen allerdings war auch das Ende der helmlosen Zeit in der Mi-2 gekommen: auf Grund der Integration des Visiers gab es bis auf den Knopf zum Herunterziehen keine hervorstehenden Teile mehr, und er musste fortan auch bei den Piloten der HSFAs getragen werden.

Das Hubschraubercockpit seinerseits war vom ohrenbetäubenden Lärm der Gasturbinentriebwerke erfüllt. Das Tragen von Ohropax-Gehörschutzstopfen wurde regelrecht zum ungeschriebenen Gesetz. Vielleicht kam es uns Fluganfängern noch ein wenig zu uncool vor - aber bereits nach der ersten Stunde im Hubschrauber und dem Zureden unserer Fluglehrer trug jeder Offiziersschüler die Packung mit Wachsstopfen in seiner Kartentasche und nahm keinen Anstoß mehr daran, wenn sich jemand die Dinger vor seinem Flug in die Ohren steckte. Schon ein einziger Flugtag ohne sie erzeugte ein nachhaltiges Summen im Schädel, was auf Dauer unweigerlich zu Gehörschäden führen musste. Insbesondere in der Mi-2 flog es sich mit dem Gehörschutz erheblich angenehmer, lagen doch die Triebwerke hier genau über der Kabine. In der Mi-8 rutschten sie dagegen weiter nach hinten und dröhnten nicht mehr so penetrant. Freilich musste nun die Funk- und Bordverständigungsanlage erheblich lauter gestellt werden, um durch die Wachspfropfen zu dringen. Aber die bewährte sowjetische Technik bot hierfür ausreichend Leistungsreserven :-) .

Tagesablauf

Der gesamte Tagesablauf wurde in der fliegerischen Periode den zeitlichen Erfordernissen des Fliegens angepasst. An einem Flugtag mit Normalschicht (Tagschicht bzw. Frühschicht von 6 Stunden) kamen wir ohne weiteres auf 12 Dienststunden. Somit blieb für persönliche Freizeit nicht mehr viel übrig, da wir ja wiederum an die akribisch einzuhaltenden 8 Stunden Schlaf denken mussten (bei Flug in der Spätschicht mussten zusätzlich noch einmal 2 Stunden Ruhe eingehalten werden, für die Nachtschicht waren es ganz und gar 4 Stunden). Ganz abgesehen davon, dass uns nach den 12 oder 14 Stunden auf den Beinen der Sinn nicht immer nach großen Aktionen stand, so dass wir gern schon mal träge auf den Unterkünften sitzen oder ganz und gar liegen blieben.

Normalerweise wurde der Flugtag in 2 Schichten besetzt. Die 1.Kette nutzte eine Schicht, die 2.und 3.Kette die andere. In Abständen von einer oder zwei Wochen wechselte man dann die Zuordnung der Ketten zu Früh- bzw. Spätschicht. In den Flugschichten fand sich nicht nur das Personal unserer I.Staffel, auch die II.Staffel (Mi-8) rückte mit etwa gleichem Personalbestand auf den Flugplatz aus. Jeder Flugdienst dauerte normalerweise 6, nur im Ausnahmefall auch einmal 7 Stunden. Mit einer erforderlichen Tank- und Vorbereitungspause zwischen den Schichten von 1 Stunde kamen so des öfteren 12 oder 13 Stunden zusammen, in denen die Hubschrauber über die Stadt und das umgebende Gelände brummten. Zweifellos eine extreme Belastung der Umwelt, zumal die zahlreichen Havelseen um Brandenburg gern als Urlaubsgegend offeriert und von Campingplätzen gesäumt wurden. Hinzu kamen insbesondere während der Sommermonate noch Nachtschichten durch das 3. und 4.Studienjahr, die nicht selten bis nachts um 2 oder 3 Uhr mit Streckenflügen, Landeverfahren und Anflügen auf den Segelflugplatz Klein Kreutz beharrlich einen konstant nervigen Lärmpegel verursachten. Zwar wurde dafür am Tage nur eine Schicht geflogen, jedoch war die Summe der Belastung nicht geringer.

Am 22.Juni 1987 begann für unseren Ausbildungskurs tatsächlich das Fliegen. Endlos hatten wir diesem Tag entgegen gefiebert, nun konnte es wahr werden. Zweifellos waren wir trotz des schon zu Gewohnheit gewordenen militärischen Alltags aufgeregt. Allein der Aufwand im Vorfeld des Flugdienstes war nicht ohne Belastung.

 

Tagesablauf fliegerische Ausbildung
Zeit Maßnahme
x-240 Wecken
  Empfang VS-Dokumente (Kartentasche) und Waffe (Pistole und Rotfeuer)
  Medizinische Kontrolle: Pulsmessung, Temperatur, Blutdruck
  Frühstück
  Abfahrt zum Flugplatz für die GLF (Flugleiter…) und Dienste
x-120 Abfahrt zum Flugplatz für das Personal
  Aufgabenstellung für den Flugdienst, Bekanntgabe der meteorologischen und navigatorischen Daten
x-60 Auswertung Wetterflug
  Geben der Letzten Weisung (GLW), scherzhaft auch Letzte Ölung
X Flugdienstbeginn
Y Flugdienstende
y+30 Auswertung
y+60 Abfahrt zur Kaserne für das fliegende Personal und GLF/Dienste
  Wiederholungsflugvorbereitung für den nächsten Flugtag (ca. 1 Stunde), außer wenn am nächsten Tag ohnehin Flugvorbereitung war.
  Abendessen
  Freizeit, Nachtruhe

Das Wecken war 4 Stunden vor Beginn der Schicht. Während der Sommermonate, in denen der Flugdienst teilweise um 6 Uhr begann, konnte dies also schon um 2 Uhr geschehen. Zu dieser Uhrzeit geweckt ist der Mensch im Grunde zu gar nichts brauchbar; der Verstand weigert sich ganz einfach, wach zu werden. Allerdings blieb uns an den Tagen der fliegerischen Ausbildung der Frühsport erspart, ebenso gab es keinen Kontrolloffizier, der das pünktliche Aus-dem-Bett-Springen schon eine Minute nach dem Wecken überprüfte. Gerade diese frühen Schichten fielen am Anfang schwer, zumal uns auch im Sommer das Einschlafen um 20 Uhr nicht sogleich gelang. Dafür sorgten insbesondere am Sonntagabend, wenn wir ohnehin aufgewühlt aus dem Kurzurlaub kamen, die Umgebungsbedingungen. In Brandenburg befand sich genau gegenüber dem Unterkunftsgebäude auf der anderen Straßenseite das Klubhaus der sowjetischen Garnison (im allgemeinen Sprachgebrauch als „Nina“ bezeichnet), welches natürlich genau an diesen Abenden seine Disco veranstalten musste. Somit hatten wir nur die Wahl zwischen offenen Fenstern, was im Sommer unabdingbar war, mit höllischem Lärm oder vibrierenden geschlossenen Fensterscheiben bei gleichzeitig unangenehmem Schlafklima.

Nach dem Wecken und der Morgentoilette ging es zum Empfang der persönlichen Bewaffnung. Die Waffenkammer befand sich auf dem Staffelflur gegenüber dem UvD-Dienstzimmer. Verantwortliche für die Waffenkammer waren in unseren Ausbildungsjahren stets 2 Offiziersschüler, die in dieser Funktion dem Hauptfeldwebel unterstanden. Zu jedem Zeitpunkt war einer der beiden Offiziersschüler anwesend. Das betraf auch sämtliche Wochenenden, Urlaubs- und Ausbildungszeiten. Zweckmäßigerweise wurden in den Staffeln die Offiziersschüler aus den beiden ihr unterstellten Ausbildungsjahrgängen jeweils so gewählt, dass sich die Ausfallzeiten in den Ausbildungen der Einzelnen in Grenzen hielten. Jeweils ein Waffenkammerverantwortlicher hatte zu jeder Tages- und Nachtzeit den Bedarf der Flieger abzudecken. Neben dem Aufstehen gemeinsam mit uns in der Frühschicht oblag ihm auch noch die Abfertigung beim Ausrücken der zweiten Schicht (Spätschicht oder Nachtschicht) und die Rückkehr der Flieger aller Schichten. An einen durchgehenden Dienstablauf oder gar zusammenhängenden Schlaf war nicht zu denken, trotzdem sie am Flugbetrieb dieses Tages nicht teilnahmen. Allerdings wusste wohl jeder Vorgesetzte um die Strapazen dieser undankbaren Funktion. Auch der Staffelkommandeurs meldete zu nachtschlafener Zeit kaum Bedenken wegen einer unkorrekten Kleiderordnung an, die schon mal aus Trainingsanzug oder FDU mit Turnschuhen bestehen konnte.

In der Waffenkammer erhielten wir gegen Abgabe unserer Waffenkarte die Pistole (Makarow) und 12 Patronen sowie 2 Rotfeuer. Mit den Patronen befüllten wir die Magazine, die mit einem Magazin befüllte und gesicherte Waffe kam in die linke Tasche der Fliegerkombi, wo eine mit Karabinerhaken versehene Schnur das unfreiwillige Verschwinden der Pistole verhindern sollte. Am Abend lief der Vorgang umgekehrt ab: nach der Rückkehr vom Flugdienst steckten wir die Patronen in die vom Waffenkammerverantwortlichen vorsorglich auf den im Flur befindlichen Ablagebrettern bereit gestellten Behältnisse; als solche dienten Holzwürfel mit Bohrungen zur Aufnahme der Patronen.

Die Patronen wurden von uns während des Flugdienstes stets in den Magazinen transportiert, auch wenn das Auffüllen und Leeren der Magazine manchem recht mühselig vorkam. In einem Falle sparte sich ein Offiziersschüler das Einstecken in die Magazine und transportierte sie lose in der Jackentasche. Der unglückliche Zufall wollte, dass bei der Rückgabe der Munition nach dem Flugdienst statt 12 nur 11 Patronen da waren. Das Fehlen von Munition wurde in der NVA nicht hingenommen. So musste die Sicherungsgruppe (ca.15 Offiziersschüler, die Bereitschaft hatten) nach dieser Spätschicht gegen 22.00 Uhr ausrücken und den Flugplatz, insbesondere die genutzten Grasflächen, nach einer einzelnen 9mm-Patrone absuchen. Die Patrone wurde nach ca.1 Stunde gefunden. Die Konsequenzen des Vorkommnisses für den Offiziersschüler haben neben der militärischen Bestrafung wohl auch in einer entsprechenden inoffiziellen „Entschädigung“ für die Offiziersschüler der Sicherungsgruppe bestanden; meist kam man dabei mit der Beschaffung eines Kastens Bier davon.

Die Rotfeuer waren als Signalisierungsmittel für Notfall gedacht. Im Falle eines Absturzes oder einer Notlandung konnte man damit dem Suchhubschrauber ein recht weit zu sehendes Signal geben, gleichfalls sollte es auch im Wasser funktionsfähig bleiben. Die beiden Rotfeuer waren in den Beintaschen der Fliegerkombi zu verstauen. Allerdings war dies bei schnellerer Bewegung an den Schienbeinen sehr unangenehm, schlugen sie doch beständig gegen selbige. Man konnte sich helfen, indem man beide in eine Tasche steckte; somit blieb ihnen viel weniger Platz zum „Zappeln“. Allerdings war dies ein Trick der alteingesessenen Fluglehrer und bei uns Flugschülern nicht unbedingt gern gesehen.

Schilderung von René Tittmann,
1984-88 Offiziersschüler

Wegen einer am nächsten Tag stattfindenden Waffenkontrolle waren die persönlichen Waffen nach Rückkehr von einem Mischschicht-Flugdienst zu reinigen. Aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit am Abend zogen es die Fluglehrer vor, ihre Waffen zur Reinigung an uns zu verteilen und sich nach Hause zu trollen. Mit entsprechendem Unwillen wurden zunächst die eigene und anschließend die fremde Waffe in einen für jede Inspektion unauffälligen Zustand gebracht. Erst spät endete der lange Tag im Bett. Die vorgeschriebenen 8 Stunden Schlaf waren nicht mehr einzuhalten, denn der am nächsten Tag folgende Flugdienst war als Tagschicht geplant. Der Weckruf kam in aller Frühe.
Die Mehrheit von uns hat bei der morgendlichen medizinischen Kontrolle 7,5 Stunden Schlaf eingetragen, was den Vorschriften entsprechend richtig und wahrheitsgemäß war, uns aber eine Menge Ärger gebracht hat. Aufgrund der Zeitangabe war nämlich der Flugdienst geschmissen. Wir sind dennoch zum Platz raus gefahren. Einzeln wurden wir zum Staffelkommandeur „gebeten“, wo uns ganz persönlich angeraten wurde, die Angabe so zu ändern, daß der Flugbetrieb möglich würde. Die sich für uns ergebenden Varianten waren nun also Verstoß gegen die Dienstvorschrift oder  Falscheintrag ( bzw. Lüge) im Med-Punkt. Insgeheim unterstützt durch unsere Fluglehrer, denen ich bis heute dafür Respekt zolle, blieben fast alle bei der ursprünglichen Eintragung. Der größte Teil der geplanten Flüge fiel aus.

Ich erinnere mich, daß ausnahmslos alle Teilnehmer dieses „Aufstandes der Zwerge“ am folgenden Wochenende keinen Urlaubsschein erhielten. Irgendwie haben wir uns aber trotzdem groß gefühlt wegen unseres „Widerstandes“, und bis heute bilde ich mir ein, daß wir auch Respekt erzeugt haben, denn vergleichbare Anlässe wurden nie wieder geboten. Daß der Ausgang für uns glimpflich verlief, war sicher nur unserer Geschlossenheit zu verdanken. Einzelne hätten unweigerlich erheblich stärker zu leiden gehabt. 
Dennoch blieb der Eindruck, daß unser Staffelkommandeur dies als einen persönlichen Angriff verstanden hat (sicher hat es wegen des Vorkommnisses erhebliche Wellen aus dem Kommando gegeben). Insofern war es keine Erleichterung für uns, als er, anders als von den meisten erwartet und erhofft, ebenso wie wir von der 1. HAS in die 2.HAS gewechselt ist.

Nach dem Empfang der Bewaffnung holte man sich aus dem Schließfach im UvD-Dienstzimmer seine Kartentasche. Abgesehen davon, dass es auf Grund der Bestimmung, dass nur 5 Mann gleichzeitig im Dienstzimmer sein durften, zu Warteschlangenbildung kam, war der UvD sicher recht froh, in den morgendlichen Stunden aus seiner Lethargie und Schläfrigkeit gerissen zu werden, die ihn um diese Uhrzeit schon längst erreicht hatte.

Mit der vollständigen Ausrüstung, zu der sich noch unsere persönlichen Unterlagen und Helmbeutel gesellten, konnten wir uns sodann zum nächsten Anlaufpunkt begeben. Im Med.Punkt wurde vor der Flugschicht eine kurze Kontrolle durchgeführt. Temperatur und Puls wurden von uns selbst gemessen und in die bereitgestellte Kartei eingetragen. Ebenso wurde dort von uns per Unterschrift bestätigt, dass wir in den letzten 24 Stunden keinen Alkohol zu uns genommen hatten sowie mit 8 (bzw. 8+2 bei Spätschicht oder 8+4 bei Nachtschicht) Stunden über die vorgeschriebenen Schlaf- und Ruhezeiten verfügten. Die anschließende Kontrolle des Blutdrucks wurde von einem Angehörigen des medizinischen Personals vorgenommen und ebenfalls in der Karteikarte vermerkt. Die tägliche Kontrolle vor dem Flugdienst war für jeden Flieger in der NVA obligatorisch; ebenso war während der Flugschicht ein Sanitäter zugegen. Dieser hatte dort normalerweise nichts zu tun, jedoch war die Anwesenheit per DV festgelegt. Im Ausnahmefall, so wie es später z.B. bei mir vorkam, wurde von ihm noch einmal unmittelbar vor dem Flugdienst der Blutdruck gemessen, um die Flugtauglichkeit zu bestätigen.

Anschließend stand Frühstück auf dem Plan. Da zu dieser Uhrzeit außer unseren Fluglehrern kaum ein Offizier auf dem Gelände weilte, gab es normalerweise keine Probleme, wenn wir uns völlig unvorschriftsmäßig einzeln, und nicht in der Gruppe, zum Essen begaben.

Der Flugplatz in Brandenburg Briest befand sich eine gute halbe Autostunde von der Dienststelle in der Magdeburger Straße entfernt. Die Fahrt zum Platz wurde für uns Offiziersschüler meistenteils mit einem LKW durchgeführt. Je nach Personalbestand gab es dafür einen W-50 oder Kamaz. Voll beladen, wie wir mit Helmbeutel, Kartentasche und Aktentasche waren, hatten wir natürlich so unsere Probleme, auf den LKW aufzusteigen. Mit Sicherheit ging dies um einiges langsamer vonstatten als es normalerweise einem Zug Mot.Schützen zugestanden wurde - aber eine Zeitnorm wurde dafür bei uns nie angesetzt. Mit der Zeit gewöhnte man sich jedoch an die Kletterei und man schaffte es auch freihändig, ohne eine Tasche abzusetzen. Die Fahrt zum Platz dauerte in etwa 30 Minuten.

Im Laufe der nächsten Jahre (1988) wurde im HAG-35 ein Ikarus-Bus zur Verfügung gestellt, der zunehmend auch die Flugdienstteilnehmer von der Dienststelle zum Flugplatz und zurück transportierte. Anfangs war dieser nur für die Leitung und das Stammpersonal (Fluglehrer), während wir Offiziersschüler weiterhin bei Wind und Wetter auf den LKW kletterten. Später jedoch wurden, sofern der Personalbestand für den Bustransport ausreichend klein war (immerhin fasste der Bus keine 60 Personen), auch die Offiziersschüler im Bus mitgenommen. Insbesondere nach den Flugschichten im Winter empfing uns in ihm wohltuende Wärme. Nach den anstrengenden Flugdiensten geschah es regelmäßig, dass der größte Teil des Personals bereits im Bus einschlief - allerdings erlebten wir dies auch regelmäßig auf den LKW-Ladeflächen.

Flugplatz

Platzansicht von Südwesten. Im Vordergrund der Zeltplatz des THG Flugplatzschema Auf dem Flugplatz Briest war der Bereich nördlich der Start- und Landebahn (SLB) für das HAG-35 vorgesehen. Hier befanden sich die Abstellplätze („Ohren“) für die jeweils 18 Mi-2 und Mi-8, die der I. bzw. II.Technischen Staffel (TS) unterstanden. An der östlichen Kurve der Rollbahn war der Aufenthaltsbereich für das fliegende Personal eingerichtet worden. Um einen kleinen zentralen, betonierten Platz gruppierten sich einige Gebäude.

  • Eine große Blechbaracke, wie sie in ihrer Ziehharmonika-Form überall in der DDR gebräuchlich war, diente als Aufenthalts- und Unterweisungsraum.
  • Mehrere Blechbaracken dienten als Küche und Speisesaal. Für die Offiziersschüler und das technische Personal stand ein Speisesaal zu Verfügung, ein weiterer für das fliegende Stammpersonal.
  • Ein massives Gebäude als Dienstgebäude der II.TS. Hier fanden wir auch ordentlicheToiletten :-) .
  • Ein NVA-typischer geschlossener Anhänger, der wohl als Mittel der politischen Schulung während des Dienstes zur Verfügung stehen sollte. Er enthielt sogar Radio und Fernsehgerät, wurde aber von uns in den Jahren nie richtig genutzt - dazu hatten wir in aller Regel auch überhaupt keine Zeit.

IKP, fotografiert im FP-Museum Cottbus Blick von den Abstellplätzen der Mi-8 zum IKP (auf dem Hügel).Im Hintergrund das Dienstgebäude der 2.TS sowie der Startvorbereitungsraum (rechts). Bild:ElseDie I.Technische Staffel, die für die Mi-2 verantwortlich zeichnete, hatte ein eigenes Dienstgebäude am Westende der Rollbahn.

Vorbereitung am Flugplatz

Vor dem eigentlichen Beginn der Flugschicht wurden die Unterweisung des Personals und die Aufgabenstellung für den Flugdienst im Rahmen der Starteinweisung durchgeführt. Hierbei wurden die aktuelle Flugsicherungs- und Wettersituation erläutert und Daten für die eingesetzte Hubschraubertechnik bekannt gegeben.

Gleichzeitig mit der Aufgabenstellung an das Personal erfolgte der Start zum Wetterflug. Hierzu wurde eine Besatzung befohlen; zumindest der I.HSF bestand war Angehöriger des leitenden Personals des Geschwaders, als II.HSF konnte auch ein Pilot aus dem fliegenden Stammpersonal befohlen werden. Die Besatzung informierte sich vor dem Start beim Meteorologen über die Wetterbedingungen sowie beim Gefechtsstand über die an diesem Tage herrschende Flugsicherungslage. Der Flug des Hubschraubers durch den unmittelbaren Bereich der Zonen brachte ergänzend zu den Aussagen des Meteorologen konkrete Angaben über Sichtverhältnisse und Wolkenuntergrenzen. Entsprechend den herrschenden meteorologischen Bedingungen wurde vom Schichtverantwortlichen die an diesem Tage durchzuführende Variante festgelegt.

In Vorbereitung des Flugdienstes waren durch die verantwortlichen Fluglehrer mehrere Möglichkeiten für die Offiziersschüler (Variante 1, 2 und 3) geplant worden, die je nach auftretenden Wetterverhältnissen eine unterschiedliche Aufgabenstellung für die Flüge beinhaltete. Die 1.Variante war die fliegerisch beste, setzte jedoch auch die höchsten Wetterbedingungen voraus. Für Zonenflüge war beispielsweise eine Wolkenuntergrenzen (WUG) von 600m vorgeschrieben, im Falle von Autorotationsflügen 900m. Die erforderliche Sicht von 2.5km war in aller Regel gewährleistet. Für eine 2.Variante ging man von einer geringeren Wolkenuntergrenze aus, so dass z.B. Zonenflüge nicht durchgeführt werden konnten. Somit wurden Offiziersschüler, die in dieser Ausbildungsetappe notwendigerweise Zonenflüge durchführen mussten, in dieser Variante gar nicht oder nur mit anderen Übungen geplant, für die nur das geringere Wetterminimum erforderlich war. Die 3.Variante ganz und gar berücksichtigte ein noch geringeres Wetterminimum und enthielt für uns Offiziersschüler dann nur noch Standschweben, Flüge in extrem geringen Höhen oder - Ausbildungsstand vorausgesetzt - Instrumentenflüge. Allerdings wurde der beteiligte Personalbestand von Variante zu Variante geringer, und oftmals kam eine 3.Variante gar nicht zum Einsatz. Die Flugschicht wurde dann abgesetzt und der Tag in der Dienststelle mit theoretischer Weiterbildung oder anderen notwendigen Aufgaben ausgefüllt.

NR-10 Navigationsrechenstab Im Anschluss an die Starteinweisung begann - je nach unseren geplanten Flügen für den Flugdienst - die konkrete Vorbereitung, für welche die bis dahin gelieferten Angaben notwendig waren. Dazu zählte insbesondere auch die Berechnung der Strecken. Die Strecken waren entsprechend den Windangaben des Meteorologen neu zu bestimmen, denn der Wind führt zu einer Abdrift vom Kurs und zu einer Änderung der Fluggeschwindigkeit über Grund. In allen Jahren stand den Fliegern in der DDR dazu der Navigationsrechenstab NR-10 zur Verfügung, dessen Anwendung bereits fleißig in der theoretischen Ausbildung (Navigation) trainiert wurde.

Beim Flugdienst jedoch war die Zeit für die Berechnung begrenzt. In aller Regel schaffte man es gerade so, die Bordjournale mit den entsprechend berechneten Angaben auszufüllen, bevor die Auswertung des Wetterfluges und das Geben der letzten Weisung der Zeit ein Ende setzte. Für alle Etappen der Strecke (je nach Strecke 7 bis 10) waren der Abdriftwinkel und die Geschwindigkeiten bzw. die Flugzeiten zu bestimmen. Trotz des Rechenstabes blieb ein gehöriger Anteil Kopfarbeit dabei, denn er lieferte uns nur den Betrag, nicht jedoch das Vorzeichen der dabei anfallenden Winkelfunktionen. Da in aller Regel mehrere Offiziersschüler an jenem Flugtag die gleiche Strecke zu fliegen hatten, tauschte man bisweilen die Daten zur Kontrolle aus oder ergänzte sich ganz und gar, indem man die Berechnung der Etappen aufteilte.

Echte mechanische Windrechner, wie sie schon Dutzende Jahre zuvor im Flugwesen Einzug gehalten hatten, gab es nicht. Warum diese einfache Entwicklung um die DDR mit all ihren findigen Ingenieuren einen Bogen machte - sieht man von den in der SU produzierten Knieplanchetts ab -, bleibt ein Geheimnis. Der NR-10 löste die Aufgaben mit Hilfe von abstrakten Winkelfunktionen und setzte so erheblich mehr „Mitdenken“ des Anwenders voraus.

Nach Rückkehr der Wetterflugbesatzung erfolgte die Auswertung des Fluges. In aller Regel bestätigten sich die Angaben des Meteorologen - in guter wie in schlechter Hinsicht. Die Variante der Durchführung stand zumeist schon fest, und der Wetterflug erbrachte nur noch Konkretisierungen.

Die Aufgabenstellung für den Flugdienst an alle Beteiligten war mit dem folgenden Geben der letzten Weisung (GLW, von uns Fliegern spaßhaft auch als „Letzte Ölung“ bezeichnet) abgeschlossen. Nach dem Wegtreten erfolgte das Abrücken der ersten Besatzungen an die Hubschrauber. Für die Flieger der Mi-2 (I.HAS) stand dabei zumeist ein LKW zur Verfügung, denn für den Fußmarsch bis zu den Abstellplätzen am westlichen Ende hätte man sonst 15 bis 20 Minuten gebraucht.

Die Verantwortlichen für die Durchführung des Flugdienstes nahmen ihre Arbeitsplätze ein: Flugleiter und Steuermann auf dem SKP (Start-Kontroll-Punkt, teilweise auch als Start-Kommando-Punkt bezeichnet), der Ingenieur vom Dienst in seinem IKP (Ingenieur-Kontroll-Punkt), der Landeleiter in seinem Leitraum.

SKP

Flugleitung am Platz. Foto: K.-H.Leisner Im HAG-35 wurde für die Leitung der Flüge der SKP eingesetzt. Eine stationäre Flugleitung wie an den meisten anderen Flugplätzen stand am Südrand des Platzes zwar zur Verfügung, jedoch konnte von hier aus die Sicht auf die vom HAG-35 genutzten Flugbetriebsflächen und insbesondere auf die Anflugrichtungen nicht ausreichend gewährleistet werden. Die Flugleitung wurde so nur für das THG-34 genutzt.

Der SKP (siehe auch unter Flugsicherungsmittel) war ein mit den notwendigsten Flugsicherungsmitteln (Flugfunkstationen, Sprechanlagen) ausgerüstetes Fahrzeug, das unter den Bedingungen der Dezentralisierung und mobilen Leitung der Flüge in den Fliegergeschwadern eingesetzt wurde - nur eben in Briest war er Normalität. In einem auf den LKW aufgesetzten Glaskasten hatten Flugleiter und Steuermann ihren Arbeitsplatz (neben Startschreiber(n) und Vogelschütze), von dem aus sie die Leitung der Flüge vornahmen. Der Standplatz auf der Fläche II nahe des Abzweigs zur Bahn BII bot einen ausreichenden Blick auf die Hubschrauber am Boden und in der Platzrunde sowie beim Landeanflug. Die Position der einzelnen Hubschrauber und Besatzungen wurden an einem Planchett, das im SKP zwischen ihnen auf dem Arbeitstisch lag, mit kleinen beschrifteten Magneten nachvollzogen. SKPDer damit verbundene hohe Aufwand zur Überwachung der Luftlage erforderte hohe Konzentration, insbesondere, wenn man bedenkt, dass es häufig Flugdienste mit mehr als 20 eingesetzten Maschinen gab. Steuermann oder Flugleiter rückten entsprechend den Funkmeldungen der Besatzungen ihre Hubschraubersymbole auf der Karte an die entsprechende Stelle. Systeme einer objektiven Ermittlung und Darstellung der Luftlage gab es im SKP nicht, da zum einen dafür überhaupt kein Platz vorhanden war und zum anderen die Flugbedingungen von Hubschraubern (geringe und extrem geringe Höhen) eine Radarüberwachung des Flugraumes extrem erschweren oder gar unmöglich machen. Selbst bei normalen Streckenflügen, wenn sich der Hubschrauber in einigen Dutzend Kilometer Entfernung in einer Flughöhe von 100m befand, war oftmals keine direkte Sprechfunkverbindung zwischen Maschine und Flugleiter möglich. Im Bedarfsfall musste dann einer der „irgendwo“ befindlichen Hubschrauber als Relais fungieren

Einzig der Landeleiter war am Flugplatz mit Funkmessmitteln ausgestattet. Ihm war es jederzeit möglich, eine Meldung im Flugfunk abzusetzen und so dem Hubschrauberführer (vornehmlich beim Flug nach Instrumenten [Landeverfahren] oder Strecken- und Zonenflügen in mittleren Höhen) oder auch dem Flugleiter Hinweise zur Luftlage zu geben.

Diensthabender Quadrat

Die Sicherstellung des Start- und Landebereiches, der vom HAG auf der Grasfläche I entfaltet wurde, erforderte eine Reihe von Hilfsmitteln. Am Tage bestanden diese aus dem bekannten Lande-T und einer Reihe von Kegeln, welche die Landetore und Abstände in Landerichtung markierten. Für den Aufbau vor dem Flugdienst und den Abbau nach der Schicht war der Diensthabende Quadrat (DHQ) zuständig. Als DHQ wurde ein Offiziersschüler der an diesem Tage fliegenden Ausbildungsjahrgänge befohlen. Nach unserem Eindruck traf es hierbei zumeist die Jüngsten - also uns. In der Anfangszeit bekamen hier oftmals Offiziersschüler, die von der kurz zuvor durchgeführten Flugmedizinischen Kontrolle in Königsbrück noch zeitweise gesperrt waren und nicht fliegen durften, gewissermaßen eine Dauerstellung.

Vor der Schicht fuhr der DHQ gemeinsam mit der Leitungsgruppe vom Kasernengelände ab und hatte bis zum Geben der letzen Weisung Zeit für den Aufbau. In Abhängigkeit von der Windrichtung wurde vom Flugleiter die Landerichtung festgelegt. Zur Seite stand dem DHQ ein Fahrer mit LKW des FTB-35, hier waren alle notwendigen Utensilien für die Markierungen verladen. Mit Kompass bestimmte man die befohlene Landerichtung, sodann mussten die Abstände für die Kegel und die Landetore abgeschritten werden. Hinzu kamen die Markierungen für die so genannten Quadrate (daher auch der Name des Dienstes), welche für das Üben von Standschweben genutzt wurden. Meist wurden 2 oder 3 Quadrate südlich der SLB auf der Fläche V aufgebaut. Auch dazu mussten mit den Kegeln Abstände von 50 Metern markiert werden. Während des Flugdienstes geschah es allerdings insbesondere bei den Standschweben, dass die Verkehrskegel vom Luftstrom der Hubschrauber hinweggefegt wurden und sich überall verteilten. Sofern der Flugschüler vom Fluglehrer nicht selbst die Aufgabe bekam, den Kegel beim Aussteigen an seinen angestammten Ort zu stellen, musste der DHQ auf Anforderung zu dem betreffenden Quadrat eilen und die Kegelformation neu ausrichten.

Das Aufbauen aller Zeichen dauerte trotz LKW seine Zeit, in aller Regel wurde man gerade rechtzeitig vor dem Geben der letzten Weisung fertig. Während des Flugdienstes hatte der DHQ dagegen nicht sehr viel zu tun. Sein normaler Platz befand sich dann im IKP beim Ingenieur vom Dienst. Nur sehr selten trat der Fall auf, dass während einer Flugschicht der Wind extrem stark drehte. Dann machte sich ein Umstellen des Startaufbaus erforderlich, was den DHQ vollends forderte. Der gesamte Aufbau des Landezeichens sowie der Landetore auf der Grasfläche war dann zu drehen, prinzipiell betraf das auch die aufgebauten Quadrate.

Andersherum jedoch das Spiel nach dem Ende der Flugschicht. Hier wurde dann versucht, in Windeseile alle Markierungen einzusammeln und auf den LKW zu bringen. Zielstellung war, pünktlich mit den anderen Flugdienstteilnehmern vom Flugplatz abzurücken. Da hierfür normalerweise nur ein Transport vorgesehen war, mussten ansonsten die anderen Offiziersschüler und Fluglehrer auf den DHQ warten; aber in Anbetracht der undankbaren Aufgabe gab es hierbei kaum böses Blut.

Als später im 3. und 4.Studienjahr die Nachtflugausbildung durchgeführt wurde, änderte sich die Aufgabenstellung ein wenig. Da man hier nicht mehr mit Kegeln hantierte, sondern mit einer durch das FTB-35 aufgebauten Lichtlandeanlage, hielten sich die Anforderungen für den DHQ in geringeren Grenzen. Der größte Teil der LLA wurde vom FTB-35 selbst auf der Landefläche und den Quadraten aufgebaut und zusammengeräumt. Hierbei war der DHQ nur Handlanger und gab gegebenenfalls seine Anweisungen über Startrichtung und aufzubauende Lichtmarkierungsmittel weiter.

Der erste Flugtag

Für meinen Ausbildungskurs nahte nun tatsächlich der erste Flugtag. Am 22.Juni 1987, nach nahezu 9 Monaten der Ausbildung, durften wir das erste Mal vom Boden abheben. Den ersten Flug wird wohl kaum ein Flieger vergessen, ist er doch immer eine neue Herausforderung und ein neues Erlebnis. Zwar hatten wir alle noch vor diesen 9 Monaten in der GST-Ausbildung ein Motorflugzeug geflogen, jedoch hatte das gesamte Umfeld, die militärische Ausbildung uns ebenso geprägt wie das sich auf einmal einstellende Gefühl, jetzt eine richtige Maschine mit mehreren hundert PS und Gasturbinen und Tragschraube zu fliegen.

Der erste Flugtag machte uns mit den beschrieben Abläufen intensiv bekannt. Ausgestattet mit unseren Kartentaschen, Helmbeuteln, Aktentaschen und Pistolen absolvierten wir das erste Mal die medizinische Kontrolle, fuhren zum Flugplatz und nahmen die Anweisungen der Fluglehrer und Vorgesetzten in uns auf. Zwar waren wir schon zuvor auf dem Platz gewesen, insbesondere um Technik- und Kabinentraining am realen Hubschrauber durchzuführen, aber nun würden wir selbst die Maschine in der Luft steuern.

Das Anlassen des Hubschraubers war nur für den jeweils ersten Hubschrauberführer bzw. Offiziersschüler bei Beginn der Flugschicht oder nach der Tankpause erforderlich. Alle anderen stiegen am Landetor auf der Rasenfläche in den bereits laufenden Hubschrauber ein. Die Inbetriebnahme und das Anlassen der Mi-2 waren bis 1988 aus dem Kopf durchzuführen, erst ab diesem Jahr wurden die Vorgänge an Hand einer im Hubschrauber befindlichen Liste („Checkliste“) angesagt und kontrolliert. Die richtige Reihenfolge war damit bereits in der Komplexbodenausbildung ein auswendig zu lernender Punkt gewesen, der nun jeden Tag von uns gefordert werden konnte.

Zweifellos war ich bereits bei meinem ersten Hineinklettern in den Hubschrauber aufgeregt. Wie würde es nun in der Luft werden? Natürlich hatten wir endlos Technik und Aerodynamik gelernt, Methodiken in unser Hirn verfrachtet, aber flog es sich nun wirklich so gut oder schlecht, wie wir gehört hatten?

Zufällig war ich an diesem Tage der erste Flugschüler meines Fluglehrers. Damit oblag mit das Anlassen der Maschine. Aus dem Gedächtnis kramte ich die gelernten Abläufe hervor; sie nahmen mich bei diesem ersten Mal schon vollständig in Beschlag, so dass gar keine Zeit mehr blieb, an etwas anderes zu denken.

Die Vorgänge liefen nahezu von selbst ab. Nur ab und an ein Hinweis des Fluglehrers. Nach 2 Minuten liefen die Triebwerke, wohlig nahm ich die Triebwerksgeräusche und das unvermeidliche, leichte Schaukeln der Mi-2 zur Kenntnis. Das notwendige Warmlaufen der Turbinen verschaffte mir etwas Zeit, um mich mit der neuen Situation anzufreunden.

Die einmal am Tage durchzuführende Kontrollstandschwebe und der Start blieben vorerst wieder meinem Fluglehrer überlassen. Nachdem ich die russische Meldung an den Flugleiter abgesetzt und die Antwort entgegen genommen hatte, starteten wir unmittelbar vom Abstellplatz. Die Möglichkeit des Starts vom Abstellplatz wurde nur den Fluglehrern gestattet; als Flugschüler mussten wir normalerweise auf den Rollbahnen bis zur SLB rollen und von dort starten. Dies vermied ein Überfliegen anderer Hubschrauber. Als wir später öfters Übungsflüge mit 2 Offiziersschülern an Bord durchführten, gelang es uns ab und an jedoch, einfach vom Abstellplatz aus die Startanfrage abzusetzen und den Startbefehl zu bekommen; wahrscheinlich hatte der Flugleiter in aller Eile nicht mitbekommen, dass hier nur ein Offiziersschüler am Werke war. So kamen auch wir unbeabsichtigter Weise in den Genuss eines Profi-Starts.

Tatsächlich: der Gassteigungshebel hob sich, der Steuerknüppel bewegte sich sanft zappelnd nach hinten und rechts, das rechte Pedal rutschte nach vorne, und schon war die Maschine in der Luft. Großartig! Irgendwie schien das alles nur für mich gemacht zu sein! In der Mi-2 sitzt der Fluglehrer bzw. der II.HSF etwas nach hinten versetzt, so dass ein unmittelbarer Blickkontakt nicht möglich ist; dazu hätte ich mich erst etwas nach rechts hinten drehen müssen. Unmöglich konnte ich meinen Blick von der Maschine und dem erhebenden Ausblick abwenden! Mein Fluglehrer Major Saupe hielt die Maschine ruhig über dem Boden. Ich hatte zwar „mitgefühlt“, wie dies bei Fliegern üblich ist, aber etwas Eigenständiges hatte ich noch nicht zu tun. Nach den kurzen Sekunden der Standschwebe zog er die Maschine in den Steigflug, die Geschwindigkeit nahm zu. Der Flugplatz unter uns entfernte sich zusehends. Die Havel kreuzte unseren Flugweg, und weiter ging es entsprechend der von mir vorbereiteten Übung: K1, Rayonabflug.

Methodik K1, RayonabflugIn 90 Minuten flogen wir durch das Umfeld des Flugplatzes. Im Flugraum „besuchten“ wir alle Zonen, besahen uns in späteren Übungen notwendige Streckenpunkte und begrenzte Landeplätze. In einem der ersten „normalen“ Geradeausflüge übergab mir mein Fluglehrer die Steuerung; ich sollte nichts weiter tun, als die Maschine ruhig in der Luft zu halten. Sie hatte die richtige Lage, war ausgetrimmt - und ich war erstaunt, flog sie doch nicht anders und nicht schlechter als ein Flugzeug! Freilich stellt hierbei der Horizontalflug noch das einfachste Flugregime dar, aber für ein erstes Gefühl und Erfolgserlebnis genau richtig. Ich bekam ein Gefühl für die richtige Größe der Steuerausschläge; immerhin reichen ein paar Millimeter Spielraum am Steuerknüppel aus, um den Hubschrauber in eine vollständig andere Fluglage zu bringen.

Erste Versuche, den Hubschrauber in eine Kurve zu zwingen, zeigten die noch vorhandene Ungeschicklichkeit meiner Steuertechnik. Das Zusammenwirken von Gassteigungshebel und Pedalen, das ständige „Rühren“ am Steuerknüppel war eine neue Erfahrung, die mich voll forderte. Anfangs war ich so mit dem Hubschrauber und dem Einhalten der Regime (Geschwindigkeit, Höhe, Kurs, Schieben) beschäftigt, dass ich beim besten Willen nichts hätte nebenher tun können. Ganz grob konnte ich noch schätzen, wo wir waren, aber genau war dies mit Sicherheit nicht. Später einmal sollten wir alles so beherrschen, dass wir nebenher noch Aufklärung betreiben und schießen konnten, nach Landeplätzen Ausschau hielten oder uns vor gegnerischem Angriff schützen können sollten – alles noch in weiter Ferne!

Die 90 Minuten des Rayonabfluges vergingen wie im sprichwörtlichen Fluge. Da dies an diesem Tage mein einziger Flug war, konnte ich ihn in Ruhe mit mir selbst verarbeiten. Das Erlebnis nahm mich noch den restlichen Tag gefangen. Vielen Kameraden ging es ebenso. Auch für sie war der erste eigene Flug mit dem Hubschrauber ein großes Erlebnis, selbst wenn nur wenige selbst gesteuerte Minuten dabei waren.

Am nächsten Tag zog langsam der normale Fliegeralltag ein. Unsere Fluglehrer ließen uns keine Zeit, in den Gefühlen des ersten Flugtages zu schwelgen. Die Vorgänge um den Flugdienst herum kannten wir nun schon, und neue Aufgaben, die uns härter forderten, kamen auf uns zu: die ersten Flüge in der Standschwebe und in den Zonen.

Die Standschwebe ist eines der wichtigsten Flugmanöver, ist sie doch Voraussetzung für Start und Landung oder für das Absetzen und Aufnehmen von Lasten. Zugleich ist es eines der schwierigsten Manöver, zumindest war es das für uns Anfänger. Die Standschwebe ist ein vollständig instabiler Flugzustand und muss vom Hubschrauberführer durch ständige Arbeit an den Steuerorganen Steuerknüppel, Gassteigungshebel und Pedal sauber in ihrer Lage gehalten werden. Steuertechnische Hilfsmittel gibt es in einer Mi-2 nicht; erst später, in der Mi-8, erleichterte uns der Autopilot in geringen Größenordnungen die Standschwebe - aber auch er übernahm sie nicht! Wir mussten uns gleichermaßen um eine entsprechend saubere Steuertechnik bemühen. Die Standschwebe wurde in vorbereiteten Quadraten von 50m Kantenlänge durchgeführt, die der DHQ vor dem Schichtbeginn mit Begrenzungskegeln versehen hatte. Nach dem Abheben, wobei wir genau auf die genaue Lage des Hubschraubers achten mussten, um nicht nach vorne, hinten rechts oder links abzudriften, sollten wir die festgelegte Höhe, zumeist 5 Meter, einnehmen. Schon das Halten von Höhe und Lage über dem Erdboden rang uns anfangs viel Anstrengung ab. Hinzu kam die genaue Einhaltung des Kurses, da schon mit der geringsten Arbeit am Gassteigungshebel - um die Höhe zu einzustellen - der Hubschrauber in eine leichte Drehung verfiel, denn die per Gassteigungshebel veränderte Triebwerksleistung verursacht ein Rückdrehmoment der Maschine und somit ein Drehen um die Hochachse, das mit der Heckschraube (Pedal) auszugleichen ist. Auf Weisung des Fluglehrers waren dann Bewegungen des Hubschraubers zur Seite oder nach vorn bzw. hinten vorzunehmen, Drehungen oder Höhenänderungen. Der Hubschrauber kann sich gleichermaßen in alle Richtungen bewegen, da die Tragschraube ihren resultierenden Kraftvektor in jede Richtung zu neigen vermag. Aber für uns Flugschüler war es recht schwierig, den Hubschrauber in eine gleichmäßige Bewegung zu zwingen. Das Gleichgewicht konnten wir anfangs noch nicht so recht herstellen, oftmals waren die Bewegungen ruckartig und missfielen dem Fluglehrer. Mir persönlich teilte einmal ein Prüfer mit, dass er bei den Bewegungen, die ich dem Hubschrauber abrang, die Augen schloss und auf seine inneren Empfindungen hörte. Waren die Bewegungen gleichmäßig, konnte er prima auf seinem rechten Sitz schlummern, waren meine Bewegungen gar zu ruckartig und pendelten fortwährend zwischen Einleiten und Ausleiten einer Bewegung, war die Bewegung nicht sauber und es gab Abzug bei der Benotung.

Wir umkrampften den Steuerknüppel, als gelte es, das sprichwörtliche Wasser aus ihm heraus zu drücken. Oftmals wurde uns dieser Zustand gar nicht bewusst, aber wenn uns das einfache Halten einer sauberen Standschwebe gar nicht mehr gelingen wollte und der Hubschrauber in der Luft wild umherzappelte, ließ uns der Fluglehrer schon einmal absetzen, Arme und Beine lockermachen und zu einem neuen Flug abheben. Eine Standschwebe als Übung dauerte 5 Minuten, allerdings wurden aus Effektivitätsgründen 4 oder 5 Standschweben am Block geflogen. Anfangs waren wir nach diesen 20 oder 30 Minuten völlig durchnässt und waren tatsächlich an den Rand der körperlichen Erschöpfung getrieben.

Parallel zu den Standschweben gab es erste Flüge in den Zonen. Zonenflug bedeutete im Falle der Hubschrauberfliegerei, eine definierte Zone außerhalb des Platzes anzufliegen. In dieser konnten dann alle möglichen Flugzustände und Manöver trainiert werden. Die Zonen-Kontrollflüge (Flüge mit Fluglehrer) dauerten 40 Minuten und beinhalteten folgende Übungen:

  • Geradeausflug
  • Geschwindigkeitsmanöver von 60 bis 180 km/h (Mi-8 bis 250km/h), wobei insbesondere auf die Einhaltung der Höhe und des Kurses geachtet werden musste
  • Kurvenflüge bis zu einer Schräglage von 45° (Mi-2) bzw. 30° (später auf der Mi-8), Auch dabei stellte die Einhaltung der Flughöhe besondere Anforderungen an uns Offiziersschüler.
  • Einnehmen von verschiedenen Flughöhen, Gleit- und Steigspiralen.

Die maximale Flughöhe in der Zone betrug in aller Regel 500m.

Trotz der recht einfach anmutenden Flugmanöver, die wir zu unseren Motorflugzeiten auf der Z-42 angesichts dort üblicher höherer Kunstflüge alle mit links absolvierten, forderten uns diese Flüge auf dem Hubschrauber schon erheblich. Durch die generelle Instabilität und die extrem große Abhängigkeit aller Steuerelemente voneinander hatten wir einige Zeit zu tun, bis die die Flüge ordentlich klappten.

Die Flüge in den Zonen und die Standschweben waren die Voraussetzung, um überhaupt Start und Landung sowie den Flug in der Platzrunde durchführen zu können. Den Ablauf der Platzrunde kannten wir freilich schon aus all unseren Fliegerjahren beim Segel- und Motorflug; auch hatten wir sie jetzt bereits vielfach auf dem Hubschrauber miterlebt. Nun kam aber alles geballt auf uns zu: die Bereitschaftsmeldung per Funk an den Flugleiter (Russisch nicht vergessen!), Abheben, kurze Standschwebe, Fahrtaufholen, Steigflug, Kurven, an der Traverse die Landemeldung, die richtige Landeeinteilung - und bei allem kontrollieren, dass man sich über den richtigen Sichtmerkmalen am Boden befand. In aller Regel wurde die Startrichtung auf 255° gelegt, was der normalen Richtung der SLB entsprach, so dass man sich im wesentlichen in der Platzrunde nicht völlig neu orientieren musste. Nur ab und an gab es völlig „daneben liegende“ Windrichtungen, die uns einen Start nach Norden oder Süden aufzwangen; da wäre der Seitenwindeinfluss für die Standardrichtungen 255° oder die entgegen gesetzten 75° doch zu groß gewesen.

Insbesondere mit der richtigen Landeeinteilung stieg und fiel die Qualität des Fluges; irgendwelche wilden Manöver zum Abbremsen oder Abbauen der Höhe, wie sie in den Truppenteilen unter Einsatzbedingungen durchaus gang und gäbe waren, wurden an diesem Punkt der Ausbildung, wo wir das Fliegen nach Bilderbuch lernen sollten, von unseren Fluglehrern nicht geduldet. Aber wir hatten auch mit der Standardaufgabe vorerst genug zu tun. Nach der 4.Kurve hieß es, gleichmäßig Geschwindigkeit und Höhe zu verringern, so dass man nahezu von allein kurz vor dem Landetor in 2 bis 3 Meter Höhe zum Stehen kam. Die Sinkgeschwindigkeit sollte beim Landanflug ca.2 bis 2.5m/s betragen – nach diesen Vorgaben mussten wir uns richten und dabei noch den herrschenden Wind mit Vorhalt berücksichtigen. Während der ersten Flüge war es für uns völlig ungewohnt, so ganz ohne Vorwärtsgeschwindigkeit aufzusetzen, hatten wir bisher doch unsere fliegerischen Erfahrungen auf Flugzeugen gesammelt, die ja gemeinhin mit etlichen km/h aufsetzen und ausrollen. Nun blieben wir jedoch auf einmal in der Luft stehen und mussten den Hubschrauber sanft absetzen.

Freiflug

Flugbuch, 1.Monat Nach nahezu dem ersten Dutzend Flugstunden, das insgesamt in einem Monat der Ausbildung absolviert wurde, kam die nächste wichtige Etappe auf uns zu: der Freiflug. Für jeden Flieger stellt der Freiflug auf einem Flugzeug- oder Hubschraubertyp ein ganz besonderes Erlebnis dar, denn er ist die offizielle Bestätigung für das eigene Können. Ohne fremde Hilfe wird er das Luftfahrzeug in der Platzrunde alleine durch die Luft steuern.

Auch bei mir kam der Tag, an dem mein Fluglehrer der Meinung war, mich nun allein in die Luft lassen zu dürfen. Dem Freiflug voran ging ein Prüfungsflug durch einen Vorgesetzten. Bisher waren wir bis auf wenige Ausnahmen immer mit unserem Fluglehrer unterwegs gewesen. Ihn kannten wir mittlerweile recht gut, konnten seine Reaktionen während des Fluges einschätzen und mit seiner Auswertung umgehen. Nun kletterte bei mir als Prüfer der Stellvertreter des Staffelkommandeurs für Fliegerische Ausbildung (StKFA) in die Maschine. Während des Fluges, den ich logischerweise völlig selbständig durchzuführen hatte, verlor mein Prüfer kein Wort. Wahrscheinlich ist es ungeschriebenes Gesetz, dass Prüfer, solange sie sich nicht irgendwie in Unbehagen versetzt fühlen, völlig unbeteiligt aus dem uns abgewandten Seitenfenster blicken und den Flugschüler vor sich hin werkeln lassen. Beim Prüfling steigt damit die Unsicherheit, da man ja beim besten Willen nicht einschätzen kann, was im Prüfer vorgeht. Nicht selten entlud sich der Unwillen des Vorgesetzten darob einer miserablen Flugleistung erst bei der Auswertung nach der Landung in einem gewaltigen Donnerwetter.

Unser letzter Flug, die Platzrunde war nach 6 Minuten überstanden. Mein Prüfer stieg ohne viel Aufhebens aus der Maschine. Kein Donnerwetter, keine Kritik. Er meldete nur kurz über Funk dem Flugleiter, dass nun mein Alleinflug bevorstünde. Mir fiel ein Stein vom Herzen! So schnell ging das: eben noch völlig ungewiss, wie gut ich mich tatsächlich anstellte - immerhin war dies die erste fliegerische Prüfung in der Ausbildung - und nun war ich wirklich drauf und dran, die reichlichen 3 Tonnen völlig allein zu beherrschen und mit sanften Steuerausschlägen durch die Luft zu schicken! Ein letzter aufmunternder Blick, und schon war der Genosse Oberleutnant verschwunden. Die rechte Tür klappte zu.

Jetzt war ich wieder dran: Bereitschaftsmeldung an den Flugleiter, Starterlaubnis. Nun langsam den Gassteigungshebel ziehen, dabei den Steuerknüppel nach hinten und rechts, das Pedal rechts nicht vergessen, damit die Maschine nicht dreht. Auch dieses Mal hing die Mi-2 zuverlässig in der Standschwebe, 2m über dem Boden. Leichtes Drücken des Steuerknüppels, Fahrt aufholen. Übergang in den Steigflug.

Nichts unterschied diesen Start von den anderen vorangegangenen, und doch war alles anders. Allein das Bewusstsein, nun völlig auf mich allein gestellt zu sein, keine im Notfall helfende Hand an meiner Seite zu haben, versetzte mich in einen besonders aufregenden Zustand. Zweifellos ging es den meisten anderen Offiziersschülern, die vor oder nach mir allein den Hubschrauber durch die Luft steuerten, ebenso. Der Schweiß lief mir unter der Fliegerkombi in Strömen, die Kopfhaube war völlig durchnässt. Nur war heute nicht unbedingt das ständige Standschwebe-Üben daran schuld, ebenso wenig die in diesen Tagen herrschende Sommerhitze. Mit jedem Meter, den ich mich vom Startplatz entfernte, wurde ich sicherer. Die Routine, die wir in etlichen Dutzend Flügen zuvor gelernt hatten, versetzte mich zunehmend in die erforderliche Ruhe.

Erste Kurve, zweite Kurve, Traverse. Landemeldung, dritte Kurve. Queranflug, vierte Kurve – Landeanflug. Die Rasenfläche mit ihren Landetoren rauschte unaufhaltsam auf mich zu. Fliegen heißt Landen! Jetzt zeig’, dass Du es kannst! Ich verminderte die Flughöhe, bremste die Maschine ab. Sanftes Ausschweben und Anhalten der Maschine vor dem Landetor. Genau wie beim letzten Flug vor 8 Minuten schwebte ich über der Rasenfläche. Kontrollblick auf den Funkhöhenmesser – 2m über dem Rasen. Sie machte, was ich wollte! Perfekt! Nun das letzte Stück, das Absetzen aus der Standschwebe. Die Anspannung löste sich. Irgendwie wurde mir erst jetzt bewusst, wie verkrampft ich in der Maschine gesessen hatte. Ein Wunder, dass ich nicht den Steuerknüppel abgebrochen hatte! Ich war wohl noch etliche Jahre entfernt von jener Routine und Kaltblütigkeit, die einen Hubschrauberführer zu Kampfeinsätzen befähigen sollte; dennoch kam angesichts dieser ersten erfolgreich genommenen Hürde Stolz in mir auf.

Am Boden erwarteten mich bereits meine Kameraden am Landezeichen. Nach alter Fliegertradition hatte meine Fluggruppe Disteln an dem reichlich bewachsenen Flugplatzrand gesammelt und zu einem großzügigen Strauß gebündelt. Nachdem mir jemand flugs den Distelstrauß in die Hand gedrückt hatte, bemühte sich jeder nochmals persönlich, mir mit einem Lächeln und mit festem Händedruck seine Verbundenheit mitzuteilen. Selbst die Fluglehrer bildeten dabei keine Ausnahme und gratuliertem ihrem Schützling. Tief bohrten sich dabei die Stacheln in die Handflächen, denn selbstverständlich mussten vor Anwendung des Rituals die Fliegerhandschuhe ausgezogen werden! Gerne nahmen wir diesen Brauch in Kauf, der uns bereits seit Segelfliegerzeiten begleitete. Stolz erfüllte uns, da wir jetzt freigeflogen waren … und kein Schmerzenslaut kam über unsere Lippen. Die Disteln sollten dem Flieger stets das richtige Gefühl für den Steuerknüppel geben.

Innerhalb der nächsten Flugtage hatten alle Offiziersschüler ihren Freiflug erreicht, je nachdem, wie der Fluglehrer ihre Ausbildungszeit eingeplant hatte. Der Distelbrauch änderte sich nicht, wohl jedoch die Sitte, uns Flugschüler tatsächlich allein fliegen zu lassen. Mein Alleinflug fand am 17.Juli 1987 statt. Im Laufe der Zeit nach meinem Freiflug wurde im Geschwader befohlen, dass der Hubschrauber ständig mit 2 Mann geflogen wurde. Als 2.Hubschrauberführer bei diesen so genannten Übungsflügen wurden zunächst Fluglehrer eingesetzt, so dass bei diesem Flug beim besten Willen nicht das Gefühl des Alleinfluges aufkam. Später durften auch andere Offiziersschüler, die selbst bereits freigeflogen waren, auf dem rechten Sitz Platz nehmen. So wurde ich wahrscheinlich einer der letzten Offizierschüler, der einen Alleinflug genießen konnte. Den Verlust dieses Privilegs bedauerten wir Offiziersschüler sehr, zumal uns nie wieder in der fliegerischen Laufbahn als Hubschrauberführer ein Alleinflug bevorstand. In den Hubschraubern der Truppenteile war stets ein 2.Hubschrauberführer eingesetzt, in der Mi-8 und Mi-24 kam dazu noch der mitfliegende Bordtechniker.

Fliegerisches Ausbildungsprogramm

Lage der Zonen (teilweise) Abfolge der Flüge und Übungen Abfolge der Flüge und Übungen Mit der Zeit stellte sich fliegerische Routine ein. Wir wurden zunehmen sicherer, beherrschten Starts und Landungen. Die täglichen Flugmanöver vollzogen sich irgendwann wie von selbst. Freilich kannten wir bis dahin noch nicht die echten Anforderungen, die einmal auf uns zukommen würden.

Insgesamt sah das Ausbildungsprogramm auf der Mi-2 und Mi-8 Flüge in folgenden Übungen vor:

  • Standschweben
  • Zonenflüge
  • Zonenflüge mit Autorotation
  • Platzrunden
  • Platzrunden mit 1 arbeitenden Triebwerk (Flugzeuglandung)
  • Platzrunden mit maximaler Startmasse
  • Starts und Landungen auf begrenzten Plätzen außerhalb des Flugplatzes
  • Zonenflüge nach Instrumenten in verhangener Kabine
  • Flüge nach Instrumenten in den Landeverfahren
  • Streckenflüge
  • Gruppenflüge tags
  • Flüge in extrem geringen Höhen
  • Aufnehmen von Lasten in der Standschwebe (nur Mi-8)
  • Angriffe auf Erdziele mit MG (Mi-2) und ungelenkten Raketen tags (Mi-2, Mi-8)
  • Überwindung der Luftverteidigung des Gegners tags (nur Mi-8)

Auf der Mi-8 (Typ II) wurde nach einer ersten Tagflugperiode mit dem Nachtflug begonnen. Dieser hielt zusätzliche Anstrengungen für uns bereit.

Nach dem für die Offiziersschüler vorgesehenen Ausbildungsprogramm auf beiden Hubschraubertypen sollten diese in ihren Truppenteilen während des Truppenpraktikums weitere Elemente erlernen, die sich bereits an dem konkreten Hubschraubertyp und der geplanten Verwendung des Einzelnen orientierten. Dieser Teil fiel jedoch nicht mehr in die Verantwortung des HAG-35, sondern wurde in den jeweiligen Geschwadern absolviert. Ausnahme bildete hierbei jedoch mein Ausbildungsjahrgang, den 1989 die Abrüstungsbemühungen und Wende ereilten.

Flüge mit maximaler Startmasse

Die Flüge wurden in der Platzrunde durchgeführt, da insbesondere Start und Landung mit GMAX eine große Herausforderung darstellen. Die Standschwebe zum Start wurde in minimaler Höhe befohlen, 0,5m waren stets die Vorgabe. So konnte der vorhandene Bodeneffekt besser genutzt werden, um die 3700kg schwere Mi-2 (was deren maximal zulässige Startgewicht ist) anzuheben. Der Hubschrauber war so fast eine Tonne schwerer als wir es sonst gewohnt waren, wobei ja im Laufe eines Flugtages auch schon Veränderungen durch den verflogenen Kraftstoffvorrat auftraten. Das Fahrtaufholen, das beim normalen Start schon ein normaler Steigflug war, wurde nun auch in geringer Höhe durchgeführt. So donnerten wir mit 50km/h über die Wiese, bevor wir den Hubschrauber in den Steigflug zogen. In gleicher Weise wurde beim Landeanflug verfahren: der Anflug erfolgte tiefer und flacher, das Ausschweben wurde in geringen Höhen von 3 bis 5m durchgeführt. Der Hubschrauber musste ohne weiteren Höhenverlust abgebremst werden, was angesichts der großen Masse träger verlief als sonst. Die abschließende Standschwebe vor dem Aufsetzen sollte ebenfalls wieder nur in einem halben Meter Höhe durchgeführt werden.

Über allen Forderungen durch die Vorgaben der Übung standen die jeweiligen einzuhaltenden Triebwerksparameter. Nicht selten wurden die Triebwerke bis an ihre erlaubte Grenze belastet, zumal mit Beginn unserer fliegerischen Ausbildung es der Sommer gut mit uns meinte und die Lufttemperaturen insbesondere in den Nachmittagsstunden auf über 30°C trieb. Infolge der geringeren Luftdichte sank das Leistungsvermögen der Maschine, überdies musste die maximale Abgastemperatur beachtet werden.

Einige Platzrunden mit GMAX waren als Flüge mit Flugzeug-Start und -Landung geplant. So wie uns anfangs das völlige Stillhalten über dem Boden merkwürdig vorkam, so war es inzwischen genau anders herum: Rollen und Fahrtaufholen auf dem Boden bzw. Aufsetzen mit Vorwärtsgeschwindigkeit.

Autorotationsflüge

Methodik Zone Autorotation Methodik Zone Autorotation Methodik Zone Autorotation Für Autorotationsflüge war eine Flughöhe von mindestens 900m erforderlich. Nur selten kamen wir sonst auf solche Höhen, tummelten sich Hubschrauber doch meistens deutlich unter 500m. Sofern es die an diesem Tage herrschende Wolkenuntergrenze zuließ, stiegen wir auch bis 1200m. Auf Grund der Besonderheiten im Flugraum Brandenburg, wo der größte Teil von den ZLVW (zeitweiligen Luftverbindungswegen) mit unteren Staffelungshöhen von 1000m „überdeckt“ wurde, waren nur wenige Zonen für solche Flughöhen freigegeben. In den meisten Fällen wurde dafür die Zone 064 (Rathenow) ausgewählt.

Anschließend nahmen wir die Flugrichtung gegen den Wind ein. Das Absenken des Gassteigungshebels nahm die Triebwerksleistung bis auf den Leerlauf zurück. Ein Abstellen der Triebwerke war im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr erlaubt. Seinerzeit hatte die ungenügende Berücksichtigung des Minimaldruckventils im Hubschraubertriebwerk durch die Besatzung zu einer völlig verspäteten Reaktion beim Ausleiten der Autorotation geführt, das Triebwerk stand und war nicht in der geforderten Sicherheitshöhe leistungsbereit. Mit Sparfluggeschwindigkeit (90km/h für die Mi-2, bei der Mi-8 120km/h) glitt der Hubschrauber im Leerlauf der Erde entgegen. Der Luftstrom trieb jetzt die Tragschraube an und versetzte sie in Drehung. Mit planmäßigen 7-8m/s Sinkgeschwindigkeit, wobei bis zu 15 m/s erlaubt waren, war die Steuertechnik für uns fast wie im Segelflugzeug – etwas träge und nicht so zappelig wie im normalen Flug mit Antriebsleistung. Rechtzeitig musste in einer Höhe von 300m mit dem Ausleiten begonnen werden, um in 200m in den Horizontalflug übergehen zu können.

Flüge mit Autorotation bis zum Aufsetzen, wie sie auch heute als „Notverfahren“ bekannt sind, wurden nicht durchgeführt, wenngleich solche Manöver dem Ausbildungsstand dienlich gewesen wären. Ursachen lagen wohl insbesondere in den aerodynamischen Besonderheiten der Autorotation, die u.U. eine erhebliche Belastung der Maschine darstellen.

Flüge am begrenzten Platz

Methodik Begrenzter PlatzAls begrenzte Plätze standen im Flugraum Brandenburg mehrere Plätze zur Verfügung, die von ihrer Lage, Größe und Bewuchs bekannt waren. Normalerweise wurden nur einige Plätze genutzt, daher schlossen wir Offiziersschüler nicht mit allen Plätzen Bekanntschaft. „Beliebt“ waren die Plätze Bensdorf (14), Kade (15) und Kiek.

Die Besonderheit der begrenzten Plätze bestand in deren geringen Ausmaßen. Zwar war für die Ausbildung eine verfügbare Landefläche von 200x200m vorgeschrieben, was angesichts tatsächlicher Anforderungen im späteren Truppenleben geradezu eine Spielerei war, jedoch mussten wir alle geforderten fliegerischen Besonderheiten beherrschen. Nach dem Start und dem Ausflug aus der Platzrunde musste der begrenzte Platz angeflogen werden – bereits dazu waren navigatorische Fertigkeiten gefragt. Nach den ersten Flügen kannte man die Strecke ohne weiteres. Um den begrenzten Platz wurde im Ausbildungsbetrieb eine verkleinerte Platzrunde aufgebaut. Damit war die Flugsicherheit insbesondere bei Nutzung durch mehrere Hubschrauber besser gewährleistet. In aller Regel gab es am begrenzten Platz ebenfalls einen Flugleiter, den man zum Flugschichtbeginn mit einer Funkstation ausrüstete und per Hubschrauber auf seinen Platz flog. Der Flugleiter war auf alle Fälle obligatorisch, wenn am Platz Übungsflüge mit einer reinen Offiziersschüler-Besatzung stattfanden. Die Nutzung eines Platzes ohne Flugleiter war nur bei Kontrollflügen mit einem Fluglehrer auf dem rechten Sitz erlaubt.

Nur in einigen Fällen, wenn man beispielsweise auch den Platz Klein-Kreutz nutzte, kam der Flugleiter mit einen Fahrzeug dorthin. Der Funkverkehr mit dem begrenzten Platz wurde auf einem anderen Kanal geführt, das Rufzeichen war dann „патока“ oder im Falle von Klein-Kreutz „кодекс“.

Vor Erreichen des Platzes wurde eine so genannte „Überfahrt“ durchgeführt. Wir meldeten uns bei „UNRECHT-Start“ ab, wechselten den Kanal und meldeten uns beim Flugleiter des begrenzten Platzes an. Vor der ersten Landung wurde ein Überflug außerhalb der Platzrunde in 20-30m Höhe mit ca.80km/h durchgeführt, um die Landeverhältnisse zu überprüfen. Während der Ausbildung wurde am Platz durch den Flugleiter ein Landetor aufgestellt, bei erreichtem höherem Ausbildungsstand wurde darauf verzichtet. Nach der 4.Kurve (100m Höhe) der Platzrunde wurde der Sinkflug erst durchgeführt, wenn das aufgebaute Landetor zu sehen war. So wurde der Anflug unter Umständen recht steil, was aber auch dem Charakter der geplanten Übung entsprach und uns forderte. Der Anflug war entsprechend langsam durchzuführen. Über den Hindernissen, die den Platzrand säumten, war eine Höhe von 5m und Schrittgeschwindigkeit einzuhalten. Ein weiteres Sinken konnte erst nach Passieren der Hindernisse durchgeführt werden, wobei wir auch lernen mussten, mit der in unserem Rücken liegenden Länge des Hubschraubers umzugehen. Hinderlich war für uns oftmals bei den vorherrschenden westlichen Anflugrichtungen die Sonne, die insbesondere in den späten Nachmittagsstunden schon recht tief stand und uns genau ins Gesicht schien. Zwar konnte man damit recht gut ohne Kompass die Richtung kontrollieren, jedoch sahen wir nicht so recht das Landefeld inmitten des Waldes. Das Herunterziehen des Helmvisiers oder ganz und gar das Tragen einer Sonnenbrille war bei den NVA-Hubschrauberführern als Amerikanismus verpönt (wenngleich bei Jagdfliegern die Helmvisiernutzung unumgänglich war) und führte an der OHS zu unwilligen Kritiken durch die Fluglehrer. Aber des Öfteren kam man an den begrenzten Plätzen nicht umhin, das Visier zu benutzen. Zumindest ein einziges Mal sah ich selbst mich beim Anflug auf den begrenzten Platz genötigt, das Helmvisier herunter zu ziehen, nachdem die klappbaren Sonnenblenden dem Licht nicht Herr wurden und ich die Frontscheibe nur noch als weiße Fläche sah.

Zonenflüge nach Instrumenten in verhangener Kabine

Zone nach InstrumentenNach unseren grundlegenden Erfahrungen mit dem Hubschrauber lernten wir auch die hohe Schule des Schlechtwetterfliegens kennen: den Instrumentenflug. Zwar flogen wir in den ersten Ausbildungsetappen ohne das schlechte Wetter, jedoch wurde die ausschließliche Orientierung auf die Instrumente mit einer „verhangenen Kabine“ erzwungen. In der Mi-2 wurde an unsere Kopfhaube ein halbrunder, ca.30cm langer Sichtschutz aus Blech befestigt. Mit diesem Ungetüm am Kopf, ab und an auch als Tunnel bezeichnet, konnten wir oberhalb und seitlich des Instrumentenpultes nahezu nichts mehr sehen, so dass wir uns voll auf die Instrumente konzentrieren mussten. Allerdings war im unteren Bereich durchaus ein Blick durch die Fenster auf die Erde zu erhaschen, was jedoch in der Praxis mehr störte als dass es half. Die Zonenflüge führten wir generell nur nach verhangener Kabine durch. In den später folgenden Landeverfahren war ab und an tatsächlich auch der Flug bei schwierigen Wetterbedingungen (SWB) möglich, sofern man mit uns Offiziersschüler bei diesen 3.Varianten überhaupt eine Flugschicht durchführte. Ich selbst empfand den Flug bei SWB ohne den unbequemen Sichtschutz und ohne unfreiwillige Erdsicht erheblich angenehmer. Der Flug in oder über den Wolken war eine völlig neue Erfahrung; fasziniert verfolgte ich den Schatten meines Hubschraubers auf der unter mir liegenden geschlossenen Wolkenschicht. Dieses völlige Ausgeliefertsein an das richtige Interpretieren der Instrumentenanzeigen schaffte fast so etwas wie Nervenkitzel.

In der Mi-8 waren die Vorkehrungen für den Flug in verhangener Kabine besser. Hier musste kein Sichtschutz mehr auf den Helm geklemmt werden. Es befanden sich Spanndrähte an der Seiten- und Frontscheibe um den linken Sitz herum, an denen eine Art Gardine um den I.HSF gezogen werden konnte. Damit hatte man trotz der freien Kopfbewegung nur wenig fremde „Sichteinflüsse“ und konnte sich tatsächlich auf den Instrumentenflug konzentrieren. Allerdings mogelten sich auch in der Mi-8 die Blicke durch die ansonsten sehr angenehmen unteren Fenster. Wir mussten uns zwingen, die vorbeihuschenden Landstriche zu ignorieren und vollends den Instrumenten zu vertrauen. Gerade diese Konzentration ist für jeden Instrumentenflieger wichtig, denn nur so vermeidet man Illusionen, die zur räumlichen Desorientierung und zu manchem Absturz führen. Leider ließen sich die Fenster nicht einfach abschalten.

Aufmerksamkeitsverteilung im InstrumentenflugDer Instrumentenflugausbildung voran ging ein recht umfangreiches Kabinentraining, das wir vornehmlich in den Fluggruppen durchführten. So konnten wir uns besser gegenseitig kontrollieren. Wir stülpten uns die Mützen über die Augen und zeigten auf Geheiß des Kameraden auf dieses und jenes Instrument. Das schnelle Erkennen der Parameter während des Fluges ist die wichtigste Voraussetzung für einen Flug unter Instrumentenbedingungen, Blitzschnell musste der Blick zum richtigen Instrument schweifen. Im Fluge war je nach Flugzustand eine bestimmte Aufmerksamkeitsverteilung einzuhalten, damit das Manöver optimal kontrolliert werden konnte:

Horizontalflug

Künstlicher Horizont – Variometer - Künstlicher Horizont - GIK(Kreiselpompass)- Höhenmesser- Künstlicher Horizont – Fahrtmesser.

Kurve

Künstlicher Horizont – Variometer - Künstlicher Horizont - Fahrtmesser - Künstlicher Horizont -GIK(Kreiselpompass)- Höhenmesser- Künstlicher Horizont

In anderen Flugzuständen, wie Kurven, Steig- und Sinkflug variierte die Aufmerksamkeitsverteilung entsprechend der Wichtigkeit der einzelnen Parameter.

Im Zuge der Ausbildung wurden ebenfalls Instrumentenflüge nach doublierenden Instrumenten trainiert. Eine solche Situation tritt ein, wenn bestimmte Instrumente während des Fluges versagen. Im Allgemeinen ergänzen sich alle Instrumente und vermitteln dem Hubschrauberführer ein Gesamtbild des Flugzustandes und der Fluglage. Bei Ausfall des künstlichen Horizonts als wichtigstem Instrument oder anderen Instrumenten war die Not groß, aber auch hier musste man auf Grund der verbleibenden Instrumente zuverlässig die Fluglage einschätzen können. Fahrtmesser und Variometer lieferten im Zusammenhang mit dem Tragschraubenschritt und der Triebwerksdrehzahl die Aussage, dass man den Hubschrauber horizontal ohne Längsneigung hielt, der Blick auf den Wendezeiger und das Kurssystem sorgten für ein Fliegen ohne Schräglage. Natürlich wieder die Kugel in der Libelle nicht vergessen, sonst schiebt der Hubschrauber und hat eventuell Schräglage… Die Blicke wanderten also unentwegt zwischen den Instrumenten hin und her. Ein Ausruhen gab es keine Sekunde, denn wich der Hubschrauber erst ein Mal um einen größeren Betrag von seiner optimalen Fluglage ab, hatten wir alle Hände voll zu tun, ihn wieder mit ruhigen Bewegungen dorthin zu dirigieren. Bei alledem hatten wir bei diesen einfachen Zonenflügen noch keine ernsthaften Navigationsaufgaben, musste uns doch der Fluglehrer, der ja alles sah, mit entsprechend befohlenen Flugbewegungen („Kurve rechts auf 300°“) in der Zone halten. In späteren Flügen, als wir auch Strecken nach Instrumenten flogen, war die beständige Kontrolle der Position anhand der Peilungen zu den Funkfeuern noch zusätzlich durchzuführen.

Zum Beherrschen des Instrumentenfluges zählte weiterhin das Ausleiten komplizierter Fluglagen. Der Fluglehrer hieß uns erst einmal, alle Steuerorgane loszulassen. Sodann warf er den Steuerknüppel in die Ecke, vollführte mit dem Gassteigungshebel und den Pedalen irgendwelche Bewegungen, so dass der Hubschrauber in einer x-beliebigen Lage im Raum hing, Fahrt verlor, Schräglage hatte und sich um sich selbst drehte. Natürlich war dies alles nur im Rahmen der für die Mi-2 oder Mi-8 zugelassenen Parameter möglich, insofern entstand keine völlig gefährliche Situation. Mit diesen Anforderungen kamen wir Flugschüler gut zurecht: Schräglage ausleiten, Schieben beseitigen (Kugel in die den Käfig), Längsneigung ausgleichen, Triebwerksdrehzahl und das normale Flugregime wiederherstellen. Ob uns da noch die Erfahrung von der um einiges agileren Z-42 half? Dort hatten wir immerhin gegen Trudeln, Sturzflüge und Rollen zu kämpfen, was mit einem Hubschrauber nicht möglich war.

Landeverfahren

Die Landeverfahren dienten der Landung bei schwierigen Wetterbedingungen, wenn eine Sicht auf den Platz nicht möglich war. Nach dem Überflug des (Nah)funkfeuers sind genau festgelegte Flugregime einzunehmen gewesen, die einen exakten Landeanflug und die Landung sicherstellten. Zum Vergleich mit technisch aufwändigeren Verfahren (ILS bzw. militärische Entsprechung RSBN+PRMG): eine tatsächliche Führung auf einem Gleitpfad und beim Anflug ist nicht möglich. Das einzige, was tatsächlich objektiv und halbwegs genau bestimmt werden kann, ist der Zeitpunkt des Überfluges über das Funkfeuer und damit die Kenntnis, dass man sich im Falle des NFF 1000m vor der Landeschwelle befindet. Alles andere ist peinlich genaue Befolgung der einzunehmenden Geschwindigkeiten, sekundengenauer Abflug und exakte Sinkgeschwindigkeit!

Landeverfahren Rechteck

Landeverfahren Rechenwinkel>Üblich waren die Landeverfahren Rechenwinkel und Rechteck, wobei beide in mehreren Varianten möglich waren.

Das Landeverfahren Rechenwinkel besteht aus einem definierten Abflug vom Funkfeuer (Landegegenkurs +/-28°) in 500m Höhe und einer Abflugzeit von 1:30min. Nach Ablauf der Zeit wird eine Sinkflugkurve auf Landekurs durchgeführt, die in 300m beendet wird. Ein weiterer Sinkflug erfolgt auf 100m. In dieser Höhe wird das Funkfeuer überflogen (1000m vor der Landeschwelle). Ab diesem Punkt kann unter den echten Bedingungen ein Sinkflug mit 2m/s durchgeführt werden, so dass man genau an der Landeschwelle die notwendige Höhe für eine saubere Landung hat. Für Übungszwecke erfolgt jedoch keine Landung, sondern ein erneuter Abflug von 4:30min ab dem Funkfeuer für einen neuen Anflug.

Normalerweise wird an den Plätzen das Landeverfahren so aufgebaut, dass beim Überflug des Funkfeuers nur ein kleiner Winkel zum Auskurven notwendig ist. Das Auskurven selbst bringt eine erhebliche Abweichung vom beabsichtigten Kurs, die wieder per genauer Flugweise nach dem Funkkompass ARK korrigiert werden muss. In Brandenburg-Briest gab es jedoch einige Besonderheiten im Flugraum, da der Überflug des Geländes südlich des Platzes verboten war – hier befanden sich Strafvollzug und Nervenklinik. Aus diesem Grunde wurden hier die „normalen“ Landeverfahren immer nördlich aufgebaut, und tatsächlich hatten wir nach dem Überflug des Funkfeuers eine riesige Kurve auf den Rechenwinkel zu fliegen. Diese Verfahrensweise hatten wir stets und ständig in der Navigationsausbildung und bei den Fluglehrern gelehrt bekommen.

Landeverfahren in Briest (Original)Das andere Landeverfahren, Rechteck, glich im Grunde einer großen Platzrunde, welche genau nach Zeit und Funkpeilung abgeflogen werden musste. Auch hier wird abschließend in einer Höhe von 100m das Funkfeuer passiert und zum Landeanflug übergegangen. Das Verfahren Rechteck war in Brandenburg theoretisch in den Varianten

  • großes Rechteck nördlich,
  • großes Rechteck südlich,
  • kleines Rechteck nördlich und
  • kleines Rechteck südlich

möglich. Normalerweise wurde aber auch hier nur die nördliche Möglichkeit in Anspruch genommen, um den beschriebenen Überflug südlich des Flugplatzgeländes zu vermeiden.

Die Auswahl des Verfahrens, welches zum Anflug zur Landung genutzt wurde, musste vom Hubschrauberführer in Abhängigkeit von seiner Anflugrichtung von außerhalb des Platzes gewählt werden. Auch hier galt, dass man nach dem Überflug des Funkfeuers nur um einen möglichst kleinen Winkel kurven sollte, um keine größere Abweichung infolge der Kurve zuzulassen.

Uns Offiziersschülern war zumindest in der Anfangsausbildung die tatsächliche Anwendbarkeit der südlichen Verfahren nicht bekannt, waren wir doch durch die normalen Kontrollflüge stets auf Rechenwinkel und Rechteck nördlich mit allen bekannten Nachteilen „eingeschworen“. Um so erschütterter war ich, als ich nach einem Prüfungsflug in der Zone mit verhangener Kabine sogleich das Funkfeuer und im Landeverfahren zur Landung anfliegen sollte. Aus purer Gewohnheit wollte ich, aus der Zone 064 kommend, nach dem Überflug des FF auf den Rechenwinkel einkurven; ein Kurswechsel um ca.160° auf 47° ist bei der befohlenen Schräglage von 15° mit einer gewaltigen Kurve verbunden, die den Hubschrauber um einiges vom richtigen Abflugkurs abbrachte – das wusste ich zwar und versuchte dies in den verbleibenden 90 Sekunden des Abfluges zu korrigieren, jedoch zauberte dies bei meinem Prüfer OSL Vetter große Falten auf die Stirn. Noch während des Fluges entlud sich das stimmgewaltige Donnerwetter, schließlich hätte ich nach seiner Auffassung Rechenwinkel südlich oder kleines Rechteck südlich fliegen müssen. Im Nachhinein erscheint dies natürlich logisch, jedoch waren uns die südlichen Verfahren bis dahin überhaupt nicht geläufig, waren wir doch stets von einem generellen Überflugverbot des Raumes südlich des Flugplatzes ausgegangen. So war für mich der Stellvertreter des Geschwaderkommandeurs für Fliegerische Ausbildung der erste, der es in dieser Art praktizierte und mir damit tatsächlich eine recht schlechte Note für den Teilaspekt Landeverfahren bescherte. Bisher hatte es noch nicht einmal unser Fluglehrer für notwendig erachtet, mit uns die Verfahren in dieser Komplexität zu besprechen.

Streckenflüge

Mit den Streckenflügen kamen neue, interessante Herausforderungen auf uns zu. Endlich konnten wir uns mit dem Hubschrauber weiter als 15 Flugminuten vom Platz entfernen und lernten die Welt auf neue Weise kennen. Gegenden, die wir sonst mit stundenlanger Auto- oder Zugfahrt erreichten, waren nun nur einen Katzensprung vom Flugplatz entfernt. Für die Ausbildung waren am Platz Brandenburg-Briest eine Anzahl von Standardstrecken festgelegt, die in Abhängigkeit von der geplanten Flugzeit genutzt wurden. Häufigste Strecken:

  • 843: Briest- Butzow- Buschow- Groß Wudicke- Genthin- Karow- Schmerzke- Briest
  • 846: Briest- Wiesenburg- Coswig- Aken- Schönebeck- Niegripp- Genthin- Briest
  • 850: Briest- Tremmen- Stechow- Kleßen- Neustadt- Sieversdorf- (Strohdehne-) Hohennauen- Biest

Navigationsplan Strecke 850 Navigationsplan Strecke 850, Rückseite Bordjournal Strecke 850 Navigationsplan Strecke 843

Als Fluggeschwindigkeit wurden bei Flügen mit der Mi-2 160km/h festgelegt, für die Mi-8 galten 180km/h als Vorgabe. Vorzugsweise absolvierten wir als Offiziersschüler die Strecken 843 und 850. Mit der Zeit gingen uns die Streckenparameter so in Fleisch und Blut über, dass wir keine Karte mehr benötigten und uns im Umfeld der Streckenführung recht gut auskannten. Spaßhaft machte sich unter Fliegern bei viel genutzten Strecken die Meinung breit, dass man ja „nur noch der Ölspur hinterher fliegen brauche“. Tatsächlich kannten wir irgendwann jeden markanten Wegpunkt, wussten, wo welche Brücke über einen Fluss oder eine Eisenbahnstrecke führt oder wo besonders auffällige standen wie besondere Kirchen, Türme und ähnliches. Die navigatorische Vorbereitung des Streckenfluges indes forderte mehr erheblich Zeit, als wir es von bisherigen Flügen kannten. Zunächst galt es, die Karten vorzubereiten. Einzeichnen der Wendepunkte, der Etappen, das Ausmessen des Kurses und die Umrechnung in den Magnetkurs, Bestimmen der Entfernungen, Kennzeichnen der höchsten Hindernisse im Umkreis gehörten dazu ebenso wie das Bestimmen von Funkpeilungen zu den gängigen Funkfeuern. Sodann wurden handschriftlich Navigationsplan, Steuermannsplan und Bordjournal vorbereitet.

Der Navigationsplan ist eine grafische Darstellung der Flugstrecke und der Umgebungsmerkmale. Anhand des Planes konnte man sich innerlich auf den Streckenflug vorbereiten, nach genügendem Studium hatte man im Wesentlichen die Navigationsmerkmale im Kopf. Sicher kam es hierbei darauf an, ob der betreffende Offiziersschüler ein „optischer“ Lerntyp war, dem diese bildhafte Darstellung besser einging als eine textliche. Mir persönlich haben die selbst angefertigten Pläne sehr geholfen.

Bordjournal und Steuermannsplan enthielten nun alle Strecken- und Etappenangaben in verbaler Form: Kurse und Zeiten. Nicht zuletzt waren auch die mehr oder weniger vorgeschriebenen Handlungen bei unerwarteten Situationen wie bei Wetterverschlechterung (immerhin sollten wir in dieser Ausbildungsetappe ausschließlich nach Sicht fliegen) oder Orientierungsverlust in festgelegter Form zu notieren.

Zu den theoretischen Vorbereitungen einer Flugstrecke am Tage der Flugvorbereitung gesellten sich am Flugtag selbst Nacharbeiten entsprechend der aktuellen Wetterlage. Anhand der Angaben des Meteorologen berechneten wir die Kurse und Flugzeiten neu und legten gemäß der Aufgabenstellung einen Zielanflug zur befohlenen Zeit fest. Vom Fluglehrer oder Prüfer wurde auf der Strecke ein Punkt vorgegeben (meist eine markante Kreuzung mit einer Straße oder Eisenbahnlinie), die wir möglichst exakt nach Zeit zu überfliegen hatten. Zwar gehörte dies in unseren ersten Flügen noch nicht zur eigentlichen Aufgabenstellung, aber unsere Vorgesetzten bedachten uns der Übung wegen schon ganz gern auch mit diesen Aufgaben. Der tiefere Sinn des Zielanfluges zur befohlenen Zeit liegt in den Aufgaben der Armeeflieger- und Transporthubschrauberkräfte begründet: eingereiht in Kampfhandlungen anderer Waffengattungen musste der Zeitpunkt der Zielankunft und Überflug der Frontlinie exakt eingehalten werden. Immerhin galt es die Aktionen der Jagdbomberkräfte zu berücksichtigen, ebenso massive Artillerievorbereitungen der Landstreitkräfte sowie den Übergang zum Sturmangriff der Mot.Schützen. Für die Note „1“ musste der Zeitpunkt des Überfluges mit +/-30 Sekunden eingehalten werden. Das war nicht immer einfach, insbesondere wenn der Wind doch arg von der ursprünglich mitgeteilten Stärke abwich. Für die Etappe, in der der Zielanflug zur befohlenen Zeit durchgeführt werden musste, wurde für uns Offiziersschüler auch nur eine Geschwindigkeitsabweichung von maximal 10 km/h geduldet - ein erhebliche schnelleres Fliegen bei Zeitverlust war also für uns nicht machbar! ZeittabelleEntsprechend sauber musste die Vorbereitung sein, ebenso musste bereits auf allen vorherigen Etappen die Zeit beim Passieren von Wende- und anderen markanten Punkten pingelig kontrolliert werden. Dazu notierten wir auf unseren Karten Kontrollpunkte mit der zugehörigen Zeit (dank der üblichen Folien- und Spiritustechnik gab es kein ernsthaftes Problem beim späteren Bereinigen). Wich die Zeit von der berechneten Vorgabe ab, musste man etwas schneller oder langsamer fliegen. Zur Kalkulation der restlichen Flugzeit hatten wir in unseren Knieplanchetts eine Zeittabelle; hier konnten wir ablesen, welche Geschwindigkeit auf welche Entfernung für welche Zeitkorrektur einzuhalten war.

Die Streckenflüge erforderten von uns viel Umsicht; nicht, dass die Flugregime schwer zu halten gewesen wären, jedoch mussten wir fortwährend die Sichtnavigation führen, um nicht den „Anschluss“ an die Streckenführung oder die genaue Zeitkontrolle zu verlieren. Die übliche Flughöhe von 100m erlaubte auch keinen Blick „von oben“ auf die Landschaft. Ortschaften und Orientierungsmerkmale waren so besonders bei hügeligem Gelände erst spät und oftmals nur seitlich zu sehen und erschwerten das Erkennen anhand der Karte.

Insbesondere auf den ersten Flügen, als uns die meisten Streckenpunkte noch unbekannt waren, gehörte der ständige Blick auf die unter das Knieplanchett geklemmte Karte dazu. Üblich war und ist es bei Fliegern, die Karte gemäß der Flugrichtung so zu drehen, dass man die gleiche Ansicht auf der Karte wie in natura hat; was sich auf der Karte links befindet, muss auch aus dem linken Fenster zu sehen sein. So wurde nach jedem Wendepunkt die Karte in die neue Flugrichtung gedreht. Ich selbst kam aber ganz gut mit der „unorientierten“ Karte zurecht und dachte lieber die Himmelrichtungen um. Zwar guckten die Fluglehrer ab und an skeptisch, ließen mich jedoch mit meiner gerade vor mir liegenden Karte werkeln.

Die vorrangig geführte Sichtnavigation wurde um eine rudimentäre Funknavigation ergänzt: zumindest an den Wendepunkten war anhand des Funkkompass’ die Peilung zu zwei Funkfeuern zu kontrollieren, die nach Möglichkeit einen Winkel von 90° einschließen sollten (so ist die Genauigkeit einer Standortbestimmung am größten). In aller Regel nutzten wir das Platzfunkfeuer UT, den Mittelwellen-Rundfunksender Burg, den gleich gearteten Sender Potsdam (allerdings zeitweise außer Betrieb, was aber auch schon mal mehrere Monate ging) und das zivile Trassenfunkfeuer HKF (Hennickendorf). In der Mi-2 waren wir als Flugschüler selbst in der Lage, den Funkkompass abzustimmen und zwischen beiden eingestellten Funkfeuern umzuschalten (das Anzeigegerät stellt jeweils nur eine Peilung dar), in der Mi-8 mussten wir dazu auf Grund der Lage des Gerätes am rechten oberen Pult den Fluglehrer bitten. Ab und zu kam es bei meinen eigenen Flügen schon vor, dass der Fluglehrer (einscließlich Staffelkommandeur OSL L.) auf seinem rechten Sitz eindöste und auf meine Ansprache über den SPU-Bordfunk gar nicht reagierte, insbesondere, wenn an diesem Tage Spätschicht war, er schon etliche Stunden im Cockpit verbracht hatte und die wärmend strahlende Sonne jedermann in Schläfrigkeit versetzte. Was ich zwar einerseits als Beweis eines ruhigen Flugstils nehmen konnte, beunruhigte mich andererseits - wie würde wohl der Vorgesetzte bei der Auswertung reagieren? Sollte ich ihn nun noch mal ansprechen oder lieber schlafen lassen? Meist ließ man den rechten Mann ruhen, und bei der Auswertung wurde das Thema geschickt übergangen.

Mit fortschreitenden fliegerischen Fähigkeiten im Instrumentenflug gesellten sich zu den Sichtnavigationsflügen ebenfalls Streckenflüge nach Instrumenten. Wie gewohnt waren sie meistenteils in verhangener Kabine zu absolvieren, nun allerdings kannten wir schon das Procedere und ließen uns nicht mehr von willkürlich umherhuschenden Landschaftsfetzen in den unteren Fenstern irritieren. Dafür gewann die Funknavigation extrem an Bedeutung. Im Gegensatz zu unseren Kameraden bei den Jagd- und Transportfliegern gab es in den Hubschraubern kein RSBN (Nahnavigationssystem, das Richtung und Entfernung angibt), so dass wir mit der althergebrachten Funkfeuer-Richtungsmethode den Standort bestimmen mussten. Solange wir uns auf der festgelegten Strecke befanden und im Prinzip die Funkpeilungen nur kontrollierten, stellte dies keine große Herausforderung dar. Wenn es jedoch darum ging, aus einer abweichenden Peilung am (vermeintlichen) Wendepunkt, den wir nach Kurs und Zeit angeflogen hatten, den Standort zu bestimmen, war räumliches Vorstellungsvermögen ebenso wie sofortiges Handeln gefragt. Schließlich konnten wir ja nicht wie mit einem Auto rechts heranfahren und erst mal auf die Karte schauen. Wir mussten unmittelbar eine Entscheidung treffen – in welche Richtung war der Kurs zu korrigieren? War der Wind im Spiel – musste der Vorhalt auf der neuen Etappe generell verändert werden? So wurden wir als Flugschüler umfassend an Streckenflüge herangeführt, wenngleich wir keine neuen, unbekannten Strecken flogen, sondern eigentlich stets auf unseren lieb gewonnenen 843 und 850 unterwegs waren.

Gruppenflüge

Zunächst fing erst einmal alles mit einer Zurechtweisung an. Allgemein hatte sich in unserem Sprachgebrauch das Wort Verbandsflug eingebürgert. Ein Verbandsflug allerdings wäre im NVA-Sinne erst ein Flug im Verband gewesen, also noch größer als ein Geschwader. Für unsere bescheidenen Maßstäbe war also ein Gruppenflug das richtige Mittel.

Gruppenflüge sind erforderlich, um mit mehreren Hubschraubern in einer (geschlossenen) Gefechtsordnung das Ziel anzufliegen. Der Gruppenflug erfordert wider Erwarten viel Aufmerksamkeit und trieb uns manches Mal zur Weißglut. Inzwischen waren wir als Flugschüler erfahren genug, um die meisten Flugsituationen gut zu meistern. Da sollte das Hinterherfliegen hinter einem anderen Hubschrauber ein Problem sein?

Methodik GruppenflugGruppenflug Mi-2. Bild: M.PestelDie Praxis lehrte uns Besseres: die Position zu halten war schwer genug. Sie war so einzunehmen, dass aus Sicht des Geführten das linke bzw. rechte Hauptfahrwerk (je nach Position) des Führenden das Bugrad verdeckte. Damit bildeten die Hubschrauber die richtigen Winkel zueinander und befanden sich in einer Höhenstaffelung; der Geführte flog nun 3 bis 5 Meter tiefer. Die Entfernung wurde visuell eingeschätzt. Im Zuge der Ausbildung war uns ein Abstand von 50m befohlen; in der „echten“ Fliegerei waren durchaus auch weniger machbar, wenngleich dies nicht immer von großem taktischem Nutzen ist. Unsere Steuertechnik war mittlerweile fein genug, um die Position richtig einnehmen zu können. Die 50m Abstand, also grob gerechnet 2 Tragschraubendurchmesser, waren für uns recht gut zu halten, wenngleich wir uns schon mächtig auf Tuchfühlung befanden und so manches mal ob der Nähe eines anderen um seine Position tänzelnden Hubschraubers unbehaglich war. Allerdings waren wir als Geführter stets drauf und dran, den Hubschrauber in Richtung des Führenden zu drehen (wahrscheinlich, weil man ihn dann besser als so halblinks aus dem Fenster sieht). Damit man nicht auf ihn zuflog, trat man (unbewusst) kräftig das linke bzw. rechte Pedal; damit schob der Hubschrauber mehr durch die Landschaft als dass er sauber flog. Entsprechend schwierig gestaltete sich dann der Kurvenflug. Irgendwie wollte die Maschine nicht „herumkommen“, die Kugel tummelte sich sonstwo, aber nicht in ihrem Käfig. Der Fluglehrer sandte unwillige Blicke in meine Richtung. Wie ein echter Flieger-Anfänger schwitzte ich hinter dem Steuerknüppel, um mich und die Maschine in ein sauberes Flugregime zu zwingen.

Der Gruppenflug beinhaltete zu unseren Ausbildungszwecken zumeist Funkansagen des Führenden. Zwar flogen die Führenden die Flugmanöver betont langsam und sauber, um dem Geführten ein Hinterherkommen zu ermöglichen, jedoch gab ein Kommando wie „Kurve rechts“ uns Geführten einige Sekunden Zeit, uns auf das Manöver einzustellen. In der späteren Praxis musste es allerdings ohne die Hilfen gehen. Genaues Beobachten des der Fluglage des Führenden tat also Not.

Geschwindigkeitsmanöver, also Fahrtaufholen oder Langsamflug bekamen wir auch ohne Ansagen ganz gut hin, aber das ständige Achten auf die Position - hierbei insbesondere auf die Höhe- war das eigentlich anstrengende. Durch die Änderung der Geschwindigkeit oder in Kurven musste der Hubschrauber über entsprechendes Arbeiten mit dem Gassteigungshebel in der richtigen Höhe gehalten werden. Während bei Einzelflügen es nicht ganz genau auf jedem Meter ankommt, rächten sich hier rabiate Steuertechniken sofort. In den Kurven war ohnehin die Höhe besonders zu beachten, denn der innen fliegende Geführte musste tiefer fliegen, die äußeren Geführten allerdings mit entsprechender Überhöhung. Damit jeder Flugschüler die schwierigen Situationen auf gleiche Art beherrschen konnte, flogen wir regelmäßig mal in linker, mal in rechter Position, auch mal Führender. Beim Flug im Paar erwies sich das als relativ einfach. Schwieriger war es dagegen beim Flug in der Kette mit 4 Hubschraubern, denn hier musste die Position zum Geführten auf der „anderen Seite“ ebenso stimmen wie der Bezug zu den anderen 1 oder 2 Hubschraubern vor mir. Die bevorzugten Formationen in der Kette waren dabei Keil und Reihe, weitere Möglichkeiten trainierten wir vorerst nicht.

Pflicht der Geführten war - neben dem ordentlichen Halten der Position - das selbständige Führen der Navigation. Als Geführte konnten wir nicht ausschließlich den Führenden der Gruppe für unsere richtige Position verantwortlich machen. Jeder hatte stets zu wissen, wo er sich gerade befand. Normalerweise sollte uns das im gewohnten Flugraum nicht schwer fallen. Aber unter dem ständigen Blick auf den Hubschrauber vor uns jedoch waren wir damit fast voll und ganz mit dem Halten der Position beschäftigt. Nur zwei Sekunden Blick auf die Karte ließen uns schon bedrohlich von der Position abweichen (zumindest anfangs), so dass wir im Grunde gar keine Zeit auf Feinnavigation verschwendeten. Gut, dass uns das Platzfunkfeuer den Weg nach Hause wies…

Flüge in extrem geringen Höhen

Zone Extrem geringe Höhe- MethodikZone Extrem geringe Höhe- MethodikExtrem geringe Höhen - genau das, worauf wir lange gewartet hatten! Mit dem Hubschrauber zwischen den Baumwipfeln, durch Schneisen zu fegen und „Bodenständigen“ das Fürchten zu lehren - so stellten wir uns das Leben eines (Kampf)hubschrauberpiloten vor!

Nun kam der Tag heran, an dem wir das auch offiziell üben durften. Zwar hatte es zu fast allen Zeiten immer mal „Ausrutscher“ von Offiziersschülerbesatzungen gegeben, indem diese bei Zonen- oder Streckenflügen in wenigen Metern über die Äcker huschten. Insbesondere mein eigener Jahrgang hatte dies im Jahre 1987 extrem auf die Spitze getrieben – immerhin hatten sich hier fast alle Offiziersschüler der 1.Kette beteiligt, was nach dem Auffliegen dieser Disziplinlosigkeiten und Verstößen gegen die Vorschriften (was letzten Endes mit nicht wenig Gefahr für unser eigenes Leben einherging, zumal bei unsere geringen Flugerfahrung) auch zu drastischen Disziplinar- und Parteistrafen führte. Immerhin handelte es sich um ein K1, ein Besonderes Vorkommnis der Klasse 1! Und (heute persönlich bestätigten) Gerüchten zufolge eine Rückstellung der bevorstehenden Beförderung des Geschwaderkommandeurs zum Oberst…

Mit Erreichen des Ausbildungsstandes kam jetzt der Augenblick, in dem das ganze offiziell und unter Anleitung des Fluglehrers klappen sollte. Auch unsere Fluglehrer vergaßen nicht den „Spaßfaktor“. Wir selbst lernten hinzu, dass der Flug in 30m (mit Fluglehrer) oder 50m (Offiziersschüler-Übungsflüge) nicht ganz ohne Schwierigkeiten ist. Zwar konnten wir zielsicher den Hubschrauber in der Höhe über dem Boden halten und dem Hubschrauber alle geforderten Manöver abringen - auch Flüge durch schneisenähnliche Landschaften oder entlang von Flussläufen klappten mit etwas Übung hervorragend. Der Funkhöhenmesser wurde zu einem der wichtigsten Instrumente. Aber wie in diesen Höhen navigieren? In 30m Höhe kann man im Grunde nicht viel weiter sehen als ein Autofahrer auf dem flachen Lande. Weiter entfernte markante Orientierungspunkte, Ortschaften oder Linien wie Eisenbahn und Straßen waren nicht auszumachen, verbargen sie sich doch oftmals hinter Baumgruppen, Hügeln oder dem nächsten Dorf. Insbesondere nach „wilder Fliegerei“ in der uns zugewiesenen Zone hätten wir unmöglich die Orientierung wieder herstellen können. Die richtige Vorbereitung, Kartenstudium und letzen Endes die Erfahrung etlicher Flüge in den Bereichen dieser Zone oder Strecke halfen uns ebenso wie die im Vorfeld von unseren Fluglehrern ergangenen Erläuterungen. Immerhin konnten sie auf jahrelange Routine zurückblicken, so kamen die Hinweise genau richtig: die Kirche in diesem Ort hat eine besondere Form (Zollchow auf der Strecke 843 hatte genau eine solche Doppelkirche), der See hat diese und jene Uferform, der Fluss hat hier einen charakteristischen Knick, dort führt eine Brücke über den Fluss… In aller Regel musste uns die gute Vorbereitung helfen, denn oftmals war die Streckenführung selbst in den geringen Flughöhen nicht einzuhalten: Auskurven vor Ortschaften und sogar einzelnen Gehöften, Viehherden oder Weihern (Vögel!) erbrachten oftmals Abweichungen im Kilometerbereich, trotz dessen wir letzten Endes zu den geplanten Wendepunkten finden mussten. Natürlich machten diese Flüge extrem Spaß, konnten wir uns doch in Baumwipfelhöhe (naja, fast!) durch’s Gelände schlängeln. Gern hätten wir davon auch mehr gemacht als die Hand voll Flüge.

In aller Regel war auch während der Streckenflüge in extrem geringen Höhen ein begrenzter Platz anzufliegen, den es mit der gleichen Zuverlässigkeit zu finden galt wie alle anderen Punkte auch. Alles in allem ein guter Vorgriff auf die später folgenden Flüge zur Überwindung der Luftverteidigung des Gegners, die noch um einiges „rasanter“ verlaufen sollten.

Allerdings war die Navigation ab und an wirklich ein nur mühsam zu beherrschendes Problem. Auch in meinem Ausbildungskurs kam es vor, dass sich ein Offiziersschüler auf einem solchen Flug hoffnungslos verfranzte und an einer Stelle nicht mehr wusste, wo er sich befand; zu allem Überfluss geschah dies auch noch auf einem Flug mit dem Geschwaderkommandeur! Abgesehen von der schlechten Note, die er für diesen Flug abfasste, kam noch eine Aufgabenstellung durch OSL Zahl selbst hinzu, der den Offiziersschüler für den folgenden Flugtag eine völlig willkürliche Strecke durch den Flugraum vorbereiten ließ und diese dann mit ihm im Tiefflug absolvierte. Einen OV konnte sich der Offiziersschüler jetzt nicht mehr leisten.

Überwindung der Luftverteidigung des Gegners

Eingebettet in die langsam wachsende Anforderung, Grundlagen taktischer Manöver zu erlernen, waren für uns Offiziersschüler Flüge zur Überwindung der gegnerischen Luftverteidigung geplant. Flüge über gegnerischem Territorium hinter der Front würden mit solchen Anforderungen auf uns warten, sei es, um Lufttransporte durchzuführen, Lasten und Truppen im gegnerischen Hinterland abzusetzen oder in Frontnähe das Bekämpfen generischer Truppen und Technik durchzuführen. Luftabwehrmittel des Gegners überwinden hieß für uns, vornehmlich Mitteln der NATO-Streitkräfte auszuweichen und unbeschadet zu entkommen, wenngleich Mitte der 80er Jahre eine definitive Entspannung des Kalten Kriegs einsetze. Chaparral, RedEye, Hawk, Jagdflugzeuge bekamen bunte Bildchen in unseren Streckenvorbereitungen zugewiesen, eine fiktive taktische Lage wurde vorbereitet und in der Karte angedeutet.

Methodik zu Überwindung der gegnerischen LuftverteidigungMethodik zu Überwindung der gegnerischen LuftverteidigungDie Flüge passten sich für uns nahtlos in Streckenflüge in extrem geringen Höhen ein, waren doch die Flugprofile nahezu gleich. Inzwischen mit halbwegs erfahrener Steuertechnik ausgestattet, flogen wir unter Anleitung des Fluglehrers im Tiefflug durch die Waldschneisen (Warnhöhe Funkhöhenmesser: 30m; aber es ging regelmäßig auch tiefer!) und harrten seines Rufes „Jagdflieger von hinten!“, worauf wir unter Ausnutzung der erlaubten Parameter den Hubschrauber herumwarfen und geeignete Manöver zum Ausweichen versuchen sollten. Spaß gemacht haben sie, die Flüge, wenngleich uns die vollführten Flüge nicht wirklich das Gefühl gaben, im Ernstfall dem feindlichen Mittel entkommen zu sein. Zu eng waren die Möglichkeiten insbesondere der Mi-8 (auf der Mi-2 hatten wir solche Flüge im Ausbildungsprogramm auch gar nicht absolviert). Schnell trieb man sie mit solchen Manövern an die Grenze der erlaubten Schräglage (30°), der Triebwerksleistung, und Tragschraubendrehzahl. Wie würde es eines Tages bei der voll beladenen Mi-8TB sein? Unsere einzige Hoffnung war, nie in eine solche Situation zu geraten oder wenigstens mit einer Mi-24 unterwegs zu sein, der wir eine freudige Reaktion auf unser Rupfen an den Steuerorganen zutrauten. Allein die Schräglagenbegrenzung und die Tatsache, dass man auch in solch eiligen Kurven die Kugel nicht völlig in die Ecke driften lassen konnte, setzte dem Wenderadius (der z.B. für das schnelle Einkurven in Richtung auf den feindlichen Jagdflieger eine Rolle spielte) eine praktische Grenze. Ebenso konnte man nicht x-beliebig schnell in eine Schneise abtauchen und Abbremsen; die Tragschraubendrehzahl wäre beim anschließenden Wiederaufrichten des Hubschraubers hoffnungslos in den Keller gerutscht. Auch das Gegenteil, schnelles Ziehen am Gassteigungshebel und damit in wenigen Sekunden Dutzende Meter Höhe gewinnen, klappte nur in Maßen, da man wieder an erlaubte Grenzen der Technik kam. Manöver, denen man im Kinofilm ständig begegnete (natürlich vorzugsweise den modernen westlichen Modellen), waren ganz und gar nicht machbar. Zweifellos waren die Leistungsgrenzen der Maschinen nicht bis zum physisch möglichen ausgeschöpft. Unter den Bedingungen eines Krieges wären auch wir als Hubschrauberführer mit mehr Risiko zu Werke gegangen – immerhin bieten Zellen und Triebwerke noch einiges an Reserven, bevor sie zu Bruch gehen.

Stellenweise kamen uns Berichte und Einsatzerfahrungen der Sowjetischen Armee in Afghanistan zur Kenntnis, die ja in jenen Jahren massive Kampfhandlungen mit Hubschraubern geführt hatte. Zwar kamen vorzugsweise Mi-24 zum Einsatz, jedoch konnte das Lernen aus ihren Erfahrungen nicht schaden. Oftmals wurden hier extreme Manöver im Gebirge geflogen, die sich völlig jenseits der Betriebsvorschrift für die Maschine bewegte und so den Besatzungen das Leben rettete. Vorerst hatte das für uns natürlich keine praktische Bedeutung, aber allein das Wissen um die Leistung einer Mi-24, auf der ich eines Tages einmal fliegen sollte, gab Zutrauen.

Aufklärung

Nur wenige Flüge zur Aufklärung waren für uns Offiziersschüler geplant, sie fügten sich ebenso in die Streckenflüge ein wie die schon zuvor absolvierten Flüge zur Überwindung der gegnerischen Luftverteidigung. In der späteren fliegerischen Praxis würden einmal Flüge zur Aufklärung der Lage am Boden, von (gegnerischen) Gruppierungen, von Artillerietreffern oder von Verhältnissen der Kernstrahlung, chemischen oder biologischen Waffen an der Tagesordnung sein.

Aufklärungsskizze eines OSAufklärung gegnerischer ObjekteFür uns Offiziersschüler galt es nur die Grundlagen zu erlernen. Auf dem Streckenflug wurde vom Fluglehrer vor dem Flug ein Objekt befohlen, dass man aufzuklären hatte. Für uns sah die Aufklärung ganz einfach so aus, dass eine Skizze des Geländes, seiner Gebäude und Verkehrswege oder der sonstigen (militärischen) Lage angefertigt werden musste. Oftmals erwischten wir dabei, wie es sich gehört, Dinge, die wir zuvor nur selten sahen. Ich selbst bekam die Aufgabe, auf dem Streckenflug auf der selten geflogenen 846 den Hafen in Barby aufzuklären. Dazu bewaffnete ich mich vor dem Flug mit Papier und Bleistift, um im richtigen Moment meine Eindrücke bildlich festzuhalten. Der Streckenflug als solcher war nicht außergewöhnlich. Mit Annäherung an das vor mir zu identifizierende Objekt hatte ich dem Fluglehrer Meldung zu machen und ihm die Steuerung zu übergeben; schließlich sollte ich nun in dem schüttelnden Gefährt eine erste Skizze und verbale Bemerkungen zu vorgefundenen Straßen, Bahngleisen, Hafenanbindungen, Schiffen und derlei mehr machen. Der an diesem Tage mit mir durch die Luft eilende Fluglehrer war aber ein sehr lustiger und umgänglicher Vertreter seiner Zunft – vielleicht war ihm aber das eine oder andere während des Fluges einfach nur zu langweilig. Während ich also eifrig den Blick zwischen dem unter uns kreisenden Hafengelände und meinen Notizen pendeln ließ, hatte der Fluglehrer nichts besseres zu tun, als flugs mal den Gassteigungshebel ruckartig abzusetzen und die Maschine mächtig durchsacken zu lassen. Der auf dem Kabinenboden liegende Dreck flog uns entgegen, und meine Karte und meine Skizze machten in der oberen Kabinenhälfte, was sie wollten. So war ein Weiterarbeiten nicht möglich. Natürlich fing sich die Maschine nach wenigen Sekunden, und der Fluglehrer bekam sich vor Lachen nicht ein.

Die Aufgabe wurde von mir allerdings ordentlich zu Ende geführt. Nach dem Fluge war die eilig gekritzelte Skizze noch einmal in eine ordentliche Zeichnung zu „übersetzen“, die einschließlich Datum-Objekt-Dienstgrad-Name-Unterschrift dem Fluglehrer zur Bewertung vorzulegen war. Für unsere Ausbildung an der OHS schienen diese Dinge zu genügen.

Flüge zur KCB-Aufklärung wurden im Rahmen der Ausbildung des Stammpersonals durchgeführt, die mit unserer Ausbildung nichts gemeinsam hatte. Für eine solche Aufklärung wurden dann oftmals die entsprechenden Messgeräte im Hubschrauber mitgeführt, was dann eine nahezu objektive Bestimmung der Lage ermöglichte. Aufklärungsflüge wurden ebenso in den Truppenteilen durchgeführt - schließlich hatten die Militärbezirke in ihrem Bestand auch die HSFA (Hubschrauberstaffel zur Führung und Aufklärung), deren Aufgabenstellung eindeutig auch diese Aufklärung war. Im Verlauf mancher Manöver wurde dabei sogar die Artilleriebeobachtung geführt, die jedoch mit den dafür völlig unzureichend ausgerüsteten Hubschraubern und unerfahrenen mit fliegenden Beobachtern ihren Nutzen allenfalls theoretisch beweisen konnte. Die praktische Effektivität solcher Flüge wäre im Ernstfall - zumindest mit dieser Ausstattung - fragwürdig gewesen.

Schießen

Lange hatten wir das Schießen erwartet, stellte es in unseren Augen doch die Krone der Handlungen in einem Gefecht dar. Nicht umsonst sollten wir ja Hubschrauberführer der NVA sein, ein großer Teil von uns sollte später auf Kampfhubschraubern Mi-24 oder Mi-8TB seinen Dienst verrichten.

Mi-8 im Visier PKW (Foto aus dem MHG-18) Visier PKW in der Mi-8. Der große Drehknopf dient zur Einstellung des Aufsatzwinkels. Das Visiernetz wird auf die halbdurchlässige schrägstehende Scheibe projeziert und erscheint damit leuchtend im Blickfeld. Behälter UB-16 für ungelenkte Raketen an einer Mi-8T Behälter für ungelenkte Raketen MARS an der Mi-2 (FP-Museum Cottbus) Das Schießen kam erst am Ende der jeweiligen Ausbildungsetappen auf der Mi-2 oder Mi-8 auf uns zu und war durch einen extrem hohen Vorbereitungsaufwand gekennzeichnet. Die theoretischen Grundlagen der Bewaffnung und des Schießens hatten wir allesamt bereits in der Spezialfachlichen Ausbildung durchgenommen, obwohl uns seinerzeit nicht ganz klar war, wie man mit einem solch hohen notwendigen Aufwand zur Bestimmung der richtigen Größen für Aufsatz, Vorhalt, Entfernung usw. in kurzer Zeit so genau hätte schießen sollen. Gerade für die mit einer einfachen Bewaffnung ausgerüsteten Hubschrauber Mi-2 und Mi-8 war der Aufwand beim Zielen relativ hoch; gezielt wurde stets mit dem ganzen Hubschrauber. Das dort vorhandene starre Visier erlaubte einzig die Einstellung des Aufsatzwinkels, alle anderen Größen mussten vom Hubschrauberführer eigenhändig beim Zielen berücksichtigt werden. Erst die Waffenanlage in der Mi-24 sollte per Messeinrichtungen (für Entfernung, Schieben und Anstellwinkel des Hubschraubers) und Rechner eine bessere Unterstützung für den Hubschrauberführer (Operator) liefern und die Treffergenauigkeit erhöhen.

Allerdings gab es für uns angehende Hubschrauberführer ausschließlich Schießen auf Erdziele mit MG bzw. ungelenkten Raketen; ein Schießen mit PALR galt es erst viel später in den Kampfhubschrauber-Einsatztruppenteilen zu absolvieren. Das Bekämpfen von Luftzielen mit der Hubschrauberbewaffnung stand an der OHS allenfalls dem fliegenden Stammpersonal (Fluglehrer und aufwärts) zu. Bombenwurf war vorerst ebenso wenig zu lernen. Die Ausstattung von Mi-2 und Mi-8 mit einem starren Kollimatorvisier gereichte uns daher nicht zum Nachteil, wehrten sich doch unsere Ziele am Boden nicht durch Eigenbewegung.

Die ersten Flüge in Vorbereitung des Schießens wurden stets ausschließlich mit dem eingebauten Fotokontrollgerät (FMG) geführt. Dies nannte sich dann Imitierter Einsatz der Bewaffnung gegen Erdziele. Selbstverständlich wurden alle Sicherheitsvorschriften und Handlungen an der Bewaffnung mit derselben Akribie betrieben, wie sie in den folgenden „echten“ Flügen zum Schießen vonnöten waren.

Für die Flüge mit FMG wurden im Flugraum einige Ziele auserwählt, die sich gut für einen „Angriff“ eigneten. Die betreffenden Besitzer der Objekte ahnten wahrscheinlich nichts von ihrer Einbeziehung in andeutungsweise kämpferische Handlungen, vielleicht freuten oder ärgerten sie sich auch nur über die regelmäßig herandonnernden Hubschrauber. Für unsere Ausbildung wurden in aller Regel 2 Silos benutzt („Ziel 1“ 500m östlich von Gräningen, „Ziel 4“ 300m südlich von Böcke), die sich auf den Schießfilmen gut machten. Das „Bekämpfen“ dieser Ziele war in 5 Anflügen auf dem Kampfkurs vorzunehmen. Der 1.Anflug diente der Bestimmung der Zielentfernung mit dem Visier PKI (Mi-2) und PKW (Mi-8). Nachdem man dafür etwas Gefühl gewonnen hatten, erfolgte ein imitiertes Schießen bei einer Entfernung von 1500m (2.und 3.Angriff) und 1000m (4.und 5.Angriff). Die Flughöhe auf dem eigentlichen Kampfkurs betrug 100m, allerdings wurde ansonsten in extrem geringen Höhen geflogen - je nach Aufgabenstellung durch den Fluglehrer auch mit kleineren Einlagen zum Ausweichen vor „gegnerischen Angriffen“. Dabei wurde recht großzügig in der Schießplatzrunde, die man zur Ausbildung um das Ziel aufbaute, gehandelt; erst mit Einnehmen des Kampfkurses zogen wir die Maschine auf 100m hoch.

Die ersten Flüge waren aufregend, sollte es doch nun Ernst werden. Freilich stellte man sich gerade das Schießen mit FMG recht einfach vor: es war kein Wind zu berücksichtigen, ebenso keine Zielbewegung (wenngleich sich das Silo ohnehin nicht bewegte), genau so war der am Visier einzustellende Aufsatzwinkel nahezu unwichtig. Das Fotokontrollgerät bannte das Visierbild auf den Film, und wenn sich das Ziel auf mindestens 8 aufeinander folgenden Bildern im Bereich befand, hatte man seinen Treffer und die Note „1“ errungen. Die Entfernung war für uns gut zu bestimmen, waren wir doch entsprechend vorbereitet: die Zielbreite von 20m war bekannt, keine Zielverkürzung, also musste das Ding in 1500m mit 13T Breite im Visiernetz erscheinen! Mühsam jedoch mussten wir uns gegen das beständige Vibrieren und Schaukeln der Maschine durchsetzen. Erst mit viel Ruhe und stabilem Flug auf Kampfkurs war es uns möglich, die 8 Sequenzen hintereinander auf den Schießfilm zu bringen. Das von allen möglichen Darstellungen bekannte „Hineinziehen“ des Ziels in die Schusslinie klappte nur in der Praxis mit dem echten MG - immerhin wurden dazu ja die Leuchtspurgeschosse unter die scharfe Munition gemischt. Für die FMG-Flüge reichte dieses „Hineinziehen“ beim besten Willen nicht aus. In einem solchen Falle hätten auf dem Film wohl nur 3 oder 4 Bilder das Ziel im Fadenkreuz gezeigt.

Insgesamt wurden von uns auf der Mi-2 vier Flüge mit insgesamt 2 Stunden durchgeführt, der letzte Flug stellte dabei eine Prüfung dar, nach der wir Zum Schießen mit MG und ungelenkten Raketen zugelassen waren. Auch auf der Mi-8 ereilten uns die FMG-Flüge in gleichem Umfang.

Das „echte“ Schießen indes erforderte noch einen erheblich größeren Aufwand. Freilich ging das meiste an uns Offiziersschüler vorbei, hatten wir doch mit den Vorbereitungen der Technik und der Schießplätze nahezu nichts zu tun. Für uns Flieger in Brandenburg war der Übungsplatz in Klietz das brauchbarste Gelände in der Nähe. Da dieser Platz den Landstreitkräften unterstand, wurde vom Kommandeur des Geschwaders bzw. der OHS über den „großen Dienstweg“ Kdo.LSK/LV - Kdo.LaSK die Nutzung des Platzes beantragt. Der Ausbildungsstand und die Verfügbarkeit des Platzes indes lagen oftmals im Sommerzeitraum, der für das Schießen große Unsicherheitsfaktoren (Waldbrandgefahr) birgt. Nichtsdestotrotz musste auch diese Ausbildungsetappe in Angriff genommen werden. Durch das HAG-35 bzw. das FTB-35 wurde für den Platz ein Sicherstellungskommando gebildet. In Klietz waren damit ein Flugleiter und anderes Personal zum Aufbau anwesend, ebenso Feuerwehr und Auswerter, welche die von den Hubschraubern getroffenen Ziele zu melden und schriftlich festzuhalten hatten. Nach Möglichkeit sollte auf dem Schießplatz sogar ein SKP stationiert werden. Auch wenn dies nicht immer geschah - die notwendigen Funkstationen waren auf jeden Fall am Schießplatz aufzubauen.

Das FTB-35 hatte in Vorbereitung des Flugdienstes die Munition bereit zu stellen. Wurde sie einmal fertig vorbereitet (insbesondere die ungelenkten Raketen bezündert), sollten sie unbedingt auch verschossen werden. Den umgekehrten Weg der Entschärfung für die Raketen sollte es nur im Ausnahmefall geben, wenn beispielsweise das Schießen auf Grund der Wetterlage oder der Flugsicherungssituation abgebrochen werden musste.

Strecke 845 - Schießen in KlietzStrecke 845 -BordjournalDie Vorbereitung des Schießens sah auch für das fliegende Personal und insbesondere uns Offiziersschüler als Anfänger komplexer aus. Unmengen an Sicherheitsvorschriften wurden auf ihre Einhaltung geprüft - und in allen Jahren des HAG-35 gab es nicht ein einziges Vorkommnis im Zusammenhang mit dem Schießen. Auch eine navigatorische Vorbereitung tat Not: der Schießplatz Klietz musste angeflogen werden, dort war dann die Schießplatzrunde aufzubauen. Dazu wurde im Vorfeld die eigens zu diesem Zwecke angedachte Strecke 845 vorbereitet.

Auf die Strecke starteten dabei stets mehrere Hubschrauber, zwischen denen ein Abstand von 2000m hergestellt wurde, um ein zeitlich aufeinander folgendes Handeln am Schießplatz zu ermöglichen.

Für uns Offiziersschüler sollte das Schießen ein Höhepunkt sein. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln konnte dies jedoch wahrlich nicht erreicht werden. Für das Schießen mit ungelenkten Raketen, was ja bekanntermaßen erst durch die Anzahl der verschossenen Raketen eine Flächenwaffe darstellt, waren für die Offiziersschüler 2 scharfe Angriffe mit jeweils 1(!) Rakete geplant. Damit konnte weder ein richtiges Gefühl für den Vorgang des Schießens an sich gewonnen werden noch eine hinreichend genaue Aussage über die Qualitäten des Flugschülers beim Schießen. So viele Dinge gab es zu berücksichtigen - selbst der Aufsatzwinkel spielte nun eine Rolle, dem FMG zuvor war es ja völlig egal gewesen. Auch ich erlebte in meinem Jahrgang, dass ein Offiziersschüler bei der Inbetriebnahme der Waffenanlage auf Kampfkurs „vergaß“, den richtigen Aufsatzwinkel von 45T einzustellen und seinen ersten scharfen Angriff damit hundert Meter vor dem Ziel in den sprichwörtlichen Sand setzte.

Die Methodik zur Durchführung des Schießens sah für uns 2 Flüge (jeweils 40 Minuten, jedoch mussten wir dabei ja auch noch starten, landen und die ganze Strecke fliegen!) vor; jeweils 3 Zielanflüge waren dabei zu machen. Der erste Angriff diente der Zielkontrolle und dem richtigen Einschätzen der Lage, einschließlich aller Einstellungen der Bewaffnung (hätte mein Kamerad doch mal nur richtig seinen Aufsatzwinkel kontrolliert!). Der zweite Angriff in der Schießplatzrunde sollte schließlich zum Abschuss der Rakete führen: Einschalten der Bewaffnung, Kontrolle aller Wahlschalter auf die richtige Einstellung, den zappelnden Hubschrauber mit dem Visier ausrichten, Kampfknopf entsichern – und nun warten, bis das Ziel in der vorgeschriebenen Entfernung von 1500m war, dazu musste man wieder die Größe des Zieles im Visiernetz berücksichtigen. Nun brauchten wir nur noch im richtigen Moment den Kampfknopf für eine ganz lange Sekunde betätigen, und schon verließ die Rakete unter einem Zischen den Behälter an der Seite. Hatten wir richtig gezielt, sollte sie innerhalb des eigentlich hinreichend großen Zielfeldes (immerhin war es eine relativ breit streuende Flächenwaffe) aufschlagen und zur Detonation kommen. Oder sie bohrten sich an falscher Stelle in den Boden… Die Auswerter waren auf alle Fälle mit dem Notieren der Ergebnisse sofort zur Stelle, außerdem nahm das scharfe Auge unseres Fluglehrers ohnehin alles war.

Der dritte Angriff schließlich war ein Kontrollangriff und erforderte nur noch einmal das Betätigen des Kampfknopfes, um sicherzustellen, dass sich keine Rakete mehr in ihrem Behälter befand und bei der Rückkehr gegebenenfalls Ärger machen konnte. Sicherheit ging vor.

Der 2.Flug von 40 Minuten wurde analog dem ersten Flug durchgeführt, jedoch verkürzten wir hier die Schussentfernung auf 1000m.

Auf der Mi-2 gab es neben den ungelenkten Raketen ebenfalls die MG-Bewaffnung; das Schießen mit dem MG PKT erfolgte dabei nach dem gleichen Streckenflug in der gleichen Schießplatzrunde wie für ungelenkte Raketen; entsprechend den Vorgaben galt dabei eine Schussentfernung von 600m bei 160 oder 180km/h.

In allen Jahren der fliegerischen Ausbildung ergab sich der Zeitpunkt zum Schießen erst in den Sommermonaten. Der Sommer meinte es meist gut mit uns und verschonte uns mit lang anhaltenden Regenfällen, weiterhin trieb er die Thermometer oftmals auf gut gemeine hohe Temperaturen. Die Folge war natürlich eine entsprechende Waldbrandgefahr. Das Ausrufen einer höheren Warnstufe indes war jedoch mit dem Verbot des Schießens behaftet. Nun standen wir Offiziersschüler mit unserer Zulassung zum Schießen am Boden: was tun? WIR MUSSTEN DOCH SCHIESSEN KÖNNEN! Natürlich führte an den Sicherheitsbedenken kein Weg vorbei. So gab es für einen großen Teil der Offiziersschüler KEIN richtiges Schießen! Wir flogen die Strecke 845 zwar, bannten unsere Angriffe jedoch ausschließlich auf den Schießfilm im Fotokontrollgerät. Die Übung hatten wir damit trotzdem absolviert. Auch ich fiel bei der Mi-2 Ausbildung im Jahre 1988 in die Kategorie „Sommerkind“ und sah nie einen scharfen Schuss aus dem Hubschrauber, trotzdem mein Flugbuch um der Statistik willen natürlich die ordnungsgemäß absolvierte Übung 1530 (Schießen mit PKT) und 1531 (Schießen mit UR MARS) ziert. Der unglückliche Zufall wollte es, dass wir ein Jahr später, als die Mi-8 unseren Befehlen gehorchte, der Sommer ein eben solches Spiel trieb und auch hier das Verschießen ungelenkter Raketen aus den UB-16-Behältern verhinderte.

Uns selbst kam der damit erworbene „Kampfwert“ natürlich extrem zweifelhaft vor. In den wenigen Stunden Trockentraining konnten wir keinesfalls irgendeine vernünftige Beziehung zum Schießen gewinnen oder ganz und gar reproduzierbare Ergebnisse vorweisen. Dazu fehlte uns ganz einfach das Training, auch wenn gute Noten unser Flugbuch füllten.

Allerdings sah es auch später in den Einsatztruppenteilen nicht viel besser aus. Zwar wurde dort mehr geschossen und es fiel nicht alles dem Sommer anheim, aber die begrenzten materiellen Mittel erlaubten nur wenige Schüsse im Jahr. Insbesondere die teuren Panzerabwehrlenkraketen (die auf der Mi-24D eingesetzte Falanga kostete wohl so viel wie ein Wartburg-PKW - immerhin 30TM) waren gezählt und kamen in aller Regel nur den besten Schützen zugute. Für die II.HSFs, die für die PALR verantwortlich waren, kamen so in einem Jahr auch nur 1 oder 2 Raketenabschüsse zustande.

Nichtsdestotrotz zeigte sich nach Auswertungen des Schießens im Geschwader, welches ja sowohl wir Offiziersschüler als auch das Stammpersonal (Fluglehrer und Vorgesetzte im Rahmen ihrer persönlichen Ausbildung) durchführten, dass wir Flugschüler oftmals den besseren Trainingszustand hatten.

Ausbildung auf der Mi-8

Nach dem Absolvieren der Ausbildung auf dem Typ I (Mi-2) und einer weiteren theoretischen Ausbildungsperiodein der Sektion 4 wartete auf uns die Mi-8. Unser Abschied von der I.HAS lag nun schon etwas zurück (mit Ende der 1.fliegerischen Periode wurden wir in die II.HAS versetzt), doch erst jetzt kam unsere Unterstellung unter neue Fluglehrer, Kettenkommandeure und Staffelkommandeure voll zur Wirkung. Während der vergangenen 2.theoretischen Periode gab es nur sporadischen Kontakt, zumal sie auch (noch) mit unseren Vorgängern in der fliegerischen Ausbildung beschäftigt waren. Staffelkommandeur der II.HAS war OSL Liefeld, für hartes Durchgreifen in seinem Verantwortungsbereich „berühmt“. Lange Zeit zuvor hatte er als Kommandeur die Mi-8TB-Staffel im KHG-5 Basepohl geführt und dort die eigentlich prädestinierte Mi-24-Staffel oftmals beim Kampf um den Titel „Beste Staffel“ geschlagen. Nun unterstanden wir seinem Befehl. Nicht wissen sollten wir natürlich, dass es so manchem Fluglehrer, von denen nicht wenige erst einige Jahre zuvor aus Basepohl in das HAG-35 versetzt wurden, wohl angesichts der straffen Führung des Staffelkommandeurs genau so mulmig erging wie uns. Die Gerüchteküche erzählte, dass einige unserer jetzigen Fluglehrer seinerzeit auch in der Mi-8TB-Staffel in Basepohl gedient hatten, und, um den ungünstigen Dienstverhältnissen und der Unterstellung unter Genossen Liefeld zu entkommen, die Flucht nach vorne in das HAG-35 angetreten hatten. Irgendwann holte sie aber der Staffelkommandeur ein - OSL Liefeld wurde selbst Fluglehrer und Staffelkommandeur im HAG-35.

Mein Fluglehrer in der 1.Kette, Major Niemann, war ein netter Kerl; über die anstehenden Monate der Mi-8-Ausbildung führte er unsere Fluggruppe korrekt, mit pädagogischem Geschick und nicht bar jeden menschlichen Verständnisses, was leider in der NVA häufig vorkam.

Die hinter uns liegende Ausbildung von mehr als 30 Monaten ließ uns inzwischen vieles gelassener und routinierter angehen, als wir es noch im ersten Studienjahr voll Ungeduld getan hatten. Der Umstieg auf die Mi-8 jedoch war ein erhebender Augenblick: uns empfing ein gewaltiger Hubschrauber, gegen den sich die Mi-2 mehr wie ein Moped ausnahm. 2 Triebwerke mit zusammen 3000 PS beförderten ihn in die Luft; die geradezu riesigen Ausmaße von 21m Tragschraubendurchmesser flößten Respekt ein - allein die Heckschraube maß ungeahnte 3,90m im Durchmesser! Nur dieses kleine Teil zum Steuern des Hubschraubers war höher als ein Wohnraum!

Vor den ersten Flug auf der Mi-8 hatten die militärischen Flieger-Götter jedoch wieder die „Trockenübungen“ in Form der Komplexbodenausbildung gesetzt. Nicht ganz so umfangreich, wie wir sie 18 Monate zuvor für die Mi-2 absolvierten, jedoch nicht minder mit technischen Daten, Handlungsvorschriften und Übungsabläufen gefüllt. Die meisten Grundlagen hatten wir bereits in der ersten fliegerischen Periode kennen gelernt, so war jetzt für zahlreiche navigatorische Grundlagen und Abläufe nur noch eine Auffrischung nötig. Neu jedoch die gesamte Technik der Mi-8: größer; schwerer und träger war sie, aber mit ungleich mehr Geräten, Anlagen und Schaltern gespickt. Gigantisch viel Platz im Cockpit- und genau so überwältigend die Sicht auf die Umgebung. Beim besten Willen konnte ein Pilot niemals alle Schalter und Geräte erreichen. Vielleicht einer der Gründe, warum in der NVA die Mi-8 stets mit Bordtechniker geflogen wurde (Allerdings flogen in anderen Staaten die Mi-8 zum Teil tatsächlich ohne den Bordtechniker).

Die ersten praktischen Übungen an der Mi-8 nahmen wir gespannt in Angriff. Kabinentraining bis zum Abwinken - jedes Gerät und jede Anlage musste im Schlaf gefunden werden. Aber auch das kannten wir schon von der Mi-2, als wir insbesondere im Vorfeld des Instrumentenfluges die Anzeigen mit unserer Mütze über dem Gesicht gesucht hatten. Neben diesen Übungen das erste Anlassen, wenngleich auch nicht zu einem Flug, sondern nur zur Überprüfung der Maschine (dafür gab es sogar ein eigenes Kommando in der Kommandotafel: „запуск проверка“). Endlich wieder das mehr oder weniger vertraute Geräusch der hochlaufenden Turbinen, ihr Singen über der Kabine. Freilich ereilte uns das Geräusch nicht ganz so penetrant wie auf der Mi-2, lagen doch die Triebwerke etwas weiter hinten auf dem Rumpf und damit nicht mehr genau über dem Hubschrauberführer. Trotz allem war der Gehörschutz in Form der bewährten Ohropax-Stopfen unbedingt erforderlich. Das gewohnte Schaukeln des Hubschrauberrumpfes setzte ein. Das Gefühl war wieder da: ich beherrsche den Hubschrauber!

Die ersten Bewegungen mit der Mi-8 dienten dem Rollen und fanden noch während der Komplexbodenausbildung statt. Immerhin muss auch das Rollen mit der Mi-8 geübt werden, konnten man sie doch nur sanft und mit teilweise merkwürdigen Effekten zum Rollen bewegen. Schon von Offiziersschüler der älteren Jahrgänge hatten wir gehört, das Rollen der Mi-8 sei „wie Bus fahren“. Dafür war insbesondere die Lage des Bugfahrwerkes verantwortlich: deutlich hinter dem Sitz der HSF befand es sich und sorgte dafür, dass man als Pilot in einer engen Kurve, wie sie beispielsweise beim Drehen auf den Ohren vorkam, nahezu nur seitwärts statt vorwärts in einer Kurve bewegt wurde: eben wie bei einem Bus. So fiel anfangs die genaue Steuerung der Kurven schwerer, aber wir gewöhnten uns schnell daran und gewannen ein erhabenes Gefühl: Bus fahren konnten wir jetzt auch! Das Rollen war für uns Offiziersschüler stets erforderlich, denn ein Start oder gar eine Landung von den Ohren (Abstellplätzen) war für uns nicht erlaubt. Zum ersten Flug am Tag wurde auf die befohlenen Punkte der SLB gerollt, nach der letzen Landung am Flugschichtende vom Landetor zur SLB übergesetzt (Überflug in 10m Höhe) und von dort zum Abstellplatz gerollt.

Ausgestattet mit der Erfahrung der Mi-2 kletterten wir ohne Befangenheit in die Mi-8 und rollten manche Runde auf den Bahnen des Flugplatzes. Nach den ersten aufregenden Momenten gab es ab und an sogar Gelegenheiten, in denen die im geräumigen Laderaum „mitfahrenden“ anderen Offiziersschüler der Fluggruppe vom Schlaf übermannt wurden. Wann hatten wir schon mal eine Stunde ohne Anspannung? Sobald mehr als 10 Minuten der Ruhe einkehrten, überfiel uns seit der allerersten Theoriestunde gewohnheitsmäßig bereits ein kurzer, effektiver Tiefschlaf. Der Laderaum war angenehm beheizt - immerhin begannen wir mit der fliegerischen Ausbildung auf der Mi-8 im Januar, Helm und Kopfhaube schirmten den Lärm halbwegs wirkungsvoll ab, währenddessen das trotzdem allgegenwärtige gleichmäßige Singen der Triebwerke seine einschläfernde Wirkung entfaltete. Gut, dass während des Rollens keiner die Tür zum Laderaum aufstieß und nach uns sah. Ging die „Ausbildungsfahrt“ für den Offiziersschüler zu Ende, war das Stoppen des Hubschraubers unverkennbar. So konnten wir uns in aller Ruhe aus unserer Schlummer-Position erheben.

Tage später fand unsere erste Flugschicht auf der Mi-8 statt. Inzwischen hatten wir mehrmals das Anlassen und Rollen miterlebt, dies bot jetzt wenig Neues. Auch wussten wir zur Genüge, wie der Platz in Briest von oben aussieht, die Umgebung war uns von einer Minute auf die andere genau so vertraut wie vor 18 Monaten. Ohne ernsthafte Probleme bewegten wir den schweren Koloss in der Luft; freilich war die Trägheit auf Grund der großen Masse von teilweise deutlich mehr als 10 Tonnen neu für uns und erforderte mehr besonnene Handlungsweisen als die geradezu sportlich-zappelige Mi-2. Nach den ersten Stunden ging uns auch die Mi-8 gut von der Hand.

Eine neue Erfahrung für uns war der in der Mi-8 vorhandene Autopilot. Zwar noch etwas anders, also sich der Laie einen Autopiloten vorstellt, aber immerhin bot er eine Stabilisierung der wichtigsten Flugparameter wie Quer- und Schräglage, Geschwindigkeit und Flughöhe. Die Nutzung in der Ausbildung indes erfolgte mehr in der Stabilisierung (Dämpfung) der Längs- und Querkanals. Das Flugverhalten des Hubschraubers wurde um einiges anders, teilweise einfacher als gewohnt - die von sämtlichen Fluggeräten gewohnte doppelte Steuerbewegung war nun nicht mehr erforderlich (beispielsweise wird normalerweise eine Linkskurve mit Steuerknüppelbewegung nach links eingeleitet, gehalten wird die Kurve mit Steuerknüppel neutral – ausgeleitet wird sie mit Steuerknüppel rechts. Nun „stellte“ man mit dem Steuerknüppel die Schräglage ein, die der Autopilot halten sollte, also war der Steuerknüppel auch während des Kurve-Haltens in die jeweilige Richtung ausgeschlagen, und zum Ausleiten wurde einfach auf neutral gestellt.). Damit gehörten fortan auch Flüge mit ausgefallenem Autopiloten zur Umfang der fliegerischen Ausbildung. Nicht selten erlebten wir so über den auf dem Flugplatz entfalteten Quadraten, wo die Standschweben trainiert wurden, umherzappelnde Mi-8, in denen gerade ein schwitzender Offiziersschüler versuchte, die Maschine ohne den gewohnten Autopiloten ruhig in der Luft zu halten. Die Umstellung zwischen beiden Varianten der Steuerführung war immens: was uns sonst die Technik abnahm, mussten wir wieder selbst erledigen: doppelte Steuerführung, kleinste Abweichungen sofort ausgleichen, besonnenere Steuerbewegungen mit längeren „Stellphasen“ als beim Flug mit Autopilot. So mancher Liter Wasser wurde aus dem Steuerknüppel gedrückt; wahrscheinlich genau so viel wie während unserer ersten Standschweben auf der Mi-2.

OS Hietschold (3.Studienjahr) vor der Mi-8, so ziemlich das einzige offizielle Foto. Dick wie ein Teddybär (Winter- und Sommerjacke an, und die Pistole drückt auch noch...)In engem Zusammenhang mit der Steuerung stand ebenfalls die Trimmung der Mi-8, die ganz anders arbeitete als man sie von der Mi-2 oder zumindest gefühlsmäßig von anderen Flugzeugen gewohnt war. Während in der Mi-2 mittels eines Mini-Joysticks die Federbelastung auf den Steuerknüppel in ihrem Nullpunkt verschoben werden konnte (und man so lange an dem Knopf herum fummelte, bis man subjektiv keine Belastung mehr in der Hand spürte), wurde in der Mi-8 der Belastungsmechanismus mit einem Knopfdruck auf eine neue Nullstellung genau an dieser Stelle gebracht. Generell ist in Fluggeräten mit hydraulischen Kraftverstärkern ein solcher Belastungsmechanismus erforderlich, um dem Flieger wenigstens ein künstliches Gefühl der Steuerung zu vermitteln (viele der eingesetzten Kraftverstärker arbeiten völlig rückwirkungsfrei und erlauben mit gleich bleibenden minimalen Kräfteaufwendungen ein Steuern der Maschine). Ein Auslenken des Steuerknüppels von der Nullstellung war mit zunehmendem Kraftaufwand verbunden; auf diese Art sollte wohl das Steuergefühl erzeugt werden. So hatten es sich die Konstrukteure der Mi-8 gedacht, jedoch war eine solche Handhabung völlig praxisfern: mit den entstehenden, geradezu riesigen Kräften konnte man nicht vernünftig umgehen. Die sonst erforderliche Feinmotorik der Hand kam überhaupt nicht zum Einsatz. Mit viel Kraft musste man die Kraft des Belastungsmechanismus’ überdrücken. Also ließ man sich schon von Anbeginn der Mi-8-Fliegerei an etwas anderes einfallen: die Taste zum Entspannen des Federbelastungsmechanismus wurde während einer Steuerbewegung so oft wie möglich gedrückt. 3 Mal pro Sekunde auf den entsprechenden Knopf am Steuerknüppel zu drücken gehörte irgendwie schon zu den grundlegenden Fertigkeiten der Steuerung einer Mi-8. Oft genug saßen einzelne Offiziersschüler während der Flugvorbereitung herum und klackten wie wild mit dem Daumen auf ihren Kugelschreiber, um mehr Routine in die notwendige Trimmerbetätigung zu bringen.

Die Ausbildung auf der Mi-8 umfasste alle schon auf der Mi-2 kennen gelernten Übungen: Platzrunden, Zonen, Instrumentenflüge, Strecken und Schießen – so wie in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben.

Nachtflug

Der Nachtflug begann für uns Offiziersschüler mitten in der fliegerischen Periode auf dem Typ II (Mi-8). Zuvor hatten wir auch auf der Mi-8 bereits ein mehr oder weniger umfangreiches Grundlagenprogramm am Tage absolviert, waren also mit der Maschine selbst weitestgehend vertraut.

Zunächst wurden wir mit dem Sichtflug bei Nacht bekannt gemacht, der ähnliche Wetterbedingungen und Sichtverhältnisse wie die entsprechenden Übungen am Tage voraussetzte. Im Grunde waren sämtliche Elemente des Tages-Ausbildungsprogramms nun bei Nacht zu fliegen, wobei auf die gefechtsnahe Ausbildung (Schießen, Flüge in extrem geringen Höhen, Aufklärung usw.) verzichtet wurde. Diese Elemente wurden oftmals erst in den Ausbildungsprogrammen in den Truppenteilen absolviert; auch flogen unsere Fluglehrer diese als Bestandteil ihrer persönlichen Ausbildung.

Entfaltung der Lichtlandeanlage

Mit dem Nachtflug kamen wieder völlig neue Erfahrungen. Ungewohnte Sichtverhältnisse, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kabine. Ich war schon beim ersten Einsteigen in die Mi-8 bei Dunkelheit begeistert - ein riesiges Lichtermeer! Die Instrumente und Schalter waren dezent rot beleuchtet, von irgendwelchen Pulten, Tafeln und Halterungen war nichts zu erkennen. Die Zeiger und Beschriftungen schienen einfach im Raum zu schweben. Dabei wurde die Helligkeit (stufenlos regulierbar!) stets so dunkel wie möglich eingestellt, gerade an den Rand der Sichtbarkeit. Was uns anfangs merkwürdig vorkam, hatte doch einen höheren Sinn: je dunkler man sich die Kabine einstellte, desto mehr konnte sich die Pupille öffnen und das verbleibende Licht der Umgebung aufnehmen. Da das Auge ohnehin mehrere Minuten braucht (der Mediziner geht durchaus von 20 Minuten Adaptionszeit aus), um sich vollständig an die Dunkelheit zu gewöhnen, war eine wenn auch nur kurze helle Beleuchtung im Vorfeld oder während des Fluges äußerst unangenehm und fast sogar schädlich; wir vermieden sie nach Möglichkeit. So konnten wir während des Fluges auch bei fahlem Mondlicht die Merkmale der Landschaft unter uns auseinander halten.

Mi-17 bei Nacht. Foto von Damian Lesniak / Airliners.netDoch nicht nur die Maschine selbst bot einen neuen Anblick, der gesamte Flugplatz erstrahlte wie noch nie. Die Befeuerungen der SLB und der Rollwege waren leicht zu erspähen. Bei unserem ersten Nachtflug rollten die Hubschrauber eindrucksvoll blitzend an uns vorbei:

  • Positionsbeleuchtung (links: rot, rechts: grün)
  • Konturenbeleuchtung (auch die Tragschraubenblätter hatten an ihren Endstücken Lampen integriert; diese Tragschraubenkreisbeleuchtung war besonders wichtig beim nächtlichen Gruppenflug)
  • Rundumleuchte am Heckträger (die Mi-8S hatte noch eine zweite dieser so genannten „маяк“ unter dem Rumpf)
  • Eingeschaltete Lande- bzw. Rollscheinwerfer.

Codeleuchtfeuer in der Nacht. Foto: Rico, CB Die „normale“ Beleuchtung (Position, Konturen, „маяк“) wurden in Verbindung mit dem Anlassen eingeschaltet und blieben es während des gesamten Fluges. In der Mi-8 waren 2 Scheinwerfer für das Landen/Rollen vorhanden, die jeweils unabhängig von beiden Hubschrauberführern betätigt werden konnten. Dazu war an jedem Gassteigungshebel ein kleiner Knopf vorhanden, mit dem die Richtung des Scheinwerfers und damit die Ausleuchtung des Landefeldes verändert werden konnte. So konnte der Offiziersschüler oder auch der Fluglehrer den Platz beleuchten, ohne die Hand von den Bedienelementen zu nehmen. Der Einschalter für den Scheinwerfer (mit Umschaltung der Leistung auf Landen/Rollen) befand sich jedoch auf der Außenseite des Instrumentenpultes, was während des Landeanfluges ein Loslassen des Gassteigungshebels notwendig machte, später beim Fliegen vom rechten Sitz ganz und gar ein Umgreifen erzwang - linke Hand an Steuerknüppel, denn wir mussten den Scheinwerfer mit der rechten Hand einschalten.

Der begeisternde optische Gesamteindruck tat sich allerdings erst in der Luft auf. Eine lange, breite Straße leuchtete uns entgegen: die Anflugbefeuerung ab dem Nahfunkfeuer, nach der grünen Landeschwelle ging sie in die Befeuerung der Start- und Landebahn über. Auf die umfangreiche, wenn auch eindrucksvolle Impuls-Befeuerung wie bei Jagdfliegerplätzen verzichtete man jedoch bei den Hubschrauberplätzen; in Brandenburg war das Landesystem OSP-57 entfaltet.

Perspektivische Ansicht Anflug Briest in der Nacht

Perspektive Anflug Briestin der Nacht

Die Rasenfläche, auf der wir tagsüber gestartet und gelandet waren, erhielt nun Landetormarkierungen mit Lampen sowie ein blinkendes Lande-T. Zwei Scheinwerfer standen im Anflugpfad bereit und leuchteten die Fläche bei der Landung aus. Der Platz war aus der Luft bei entsprechender Sichtweite auch aus weiteren Entfernungen recht zielsicher zu erkennen: Das Codeleuchtfeuer, am Standort des Nahfunkfeuers 1000m vor der SLB positioniert, strahlte mit seinen gelb-rötlichen Neonröhren den Morsecode des Fernfunkfeuers ab. Did-did-da da leuchtete es uns heimwärts, insbesondere beim Anflug aus der Zone oder vom letzten Streckenwendepunkt. Die Stadt Brandenburg, südöstlich des Platzes gelegen, bildete einen großen Lichthof. Übliche Beleuchtung der Wohngebiete und Straßen, besonders markant aber das berühmt-berüchtigten Stahlwerk. Was uns tagsüber als Monstrum mit 9 unverkennbar Schmutz ausstoßenden Schornsteinen bekannt war, wandelte sich nachts zu einem Feuertor. Der regelmäßige Abstich im Stahlwerk erleuchtete den Himmel, insbesondere bei vorhandener Wolkendecke. Der rötlich flackernde Widerschein war bei guter Sicht Dutzende Kilometer weit zu sehen und zeigte uns quasi den Weg heimwärts. Im Märchen stellte man hierfür noch Kerzen ins Fenster… Dafür erahnten wir in der Dunkelheit natürlich nichts von der ganzen Asche, die wohl um diese Uhrzeit in die Luft flog :-)

Mein erster Flug in der Nacht diente - wie bei den meisten „Neuanfängen“ mit einem Ausbildungsprogramm - dem Bekanntmachen mit dem Flugraum, diesmal bei Nacht. Der Mondschein hatte an diesem 20.März 1989 vor, mir eine Freude zu bereiten, und ergoss sich ohne irgendeine Wolke auf die in Dunkelheit getauchte Erde. Den Flug K2001 Zonenabflug hatte ich heute mit dem Politstellvertreter der Staffel Hauptmann L. zu absolvieren. Wir starteten planmäßig, meine Strecke hatte ich gut vorbereitet, wenngleich wir einen Rayonabflug inzwischen aus dem Gedächtnis machten. Auch herrschten heute 8 Kilometer Sicht, optimale Bedingungen. Der Flug nahm seinen Lauf. Die ersten Umrisse unter mir konnte ich nicht immer richtig deuten, die Lichteransammlungen da unten suggerierten oft ein anderes Bild, als ich sonst am Tage gewohnt war. Nach einiger Zeit kam ich mit den Lichtreflexen zurecht; insbesondere die um Brandenburg zahlreich vorhandenen Flüsse und Seen waren gut zu erkennen und sprangen mir ins Auge. Der Mond war also doch eine ganz nützliche Einrichtung... Irgendwann im letzten Drittel des Fluges hatte mein Fluglehrer sich jedoch selbst irgendwie vertan (selbstverständlich erfuhr ich das erst hinterher, bei der Auswertung) und kam selber mit der Erde unter ihm nicht mehr zurecht. Einige Minuten lang wusste er nicht so recht, wo wir waren. Da er den Flug führte, lag die Navigation auch in seiner Verantwortung. Wenn er nicht von sich aus ab und an die Frage an mich richtete, sah ich keinerlei Veranlassung, etwas von mir zu geben. Unter mir leuchtete der Beetzsee in strenger Übereinstimmung mit meiner Karte - ich war’s zufrieden. Schließlich waren wir beim Militär! Auch erkannte ich inzwischen das Codeleuchtfeuer des Platzes. Irgendwann schien aber dem Genossen Hauptmann die Gegend wieder bekannt vorzukommen. Zielsicher konnte er den Flugplatz ansteuern, in die Platzrunde einfliegen und landen. Bei der nachfolgenden Auswertung mahnte er nur meine Schweigsamkeit an; meine Aussage, dass ich im Moment seiner „Orientierungsschwäche“ genau wusste, dass da unter uns der Beetzsee war, quittierte er mit der Bemerkung: „Hätten Sie mir es da oben gesagt, hätte ich Ihnen jetzt eine ‚1’ gegeben!“. Da wohl auch der Rest nicht so passte, gab es heute halt eine 2.

Das Nachtflugprogramm umfasste weiterhin

  • Platzrunden (auch mit maximaler Startmasse). Diese wurden nun in 300m geflogen.
  • Zonenflüge
  • Flüge in den Landeverfahren (nach Instrumenten, in verhangener Kabine)
  • Streckenflüge nach Sicht und Instrumenten. Hier galten 300m als minimale Flughöhe - geflogen wurde in 300 oder 500m.
  • Flüge am begrenzten Platz außerhalb des Flugplatzes
  • Lastaufnahme über Land

Die Übungen erhielten gemäß der Nomenklatur 2000er Nummern (bereits ab 1.Dezember 1987 hatte man das alte Nummernsystem der Übungen gegen ein neues, 4stelliges getauscht.).

Als Nachtflug galt die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Zu einem unentbehrlichen Ausrüstungsgegenstand in der Dunkelheit wurde die Taschenlampe (Standard-NVA-Taschenlampe mit dem Dreifarbenfilter Blau-Grün-Rot). Sie war befohlenerweise an einem Strick um den Hals zu tragen, damit immer griffbereit. Bei Benutzung der Taschenlampe war der rote Filter recht zweckmäßig, denn so entsprach die Beleuchtung eher den Verhältnissen in der Kabine und blendete weniger. Notwendig war die Taschenlampe nicht nur zur Bewegung auf der Grasfläche (immerhin mussten wir vom Startvorbereitungsraum bis zum Landezeichen auch im Dunkeln gehen), sondern gelegentlich auch während des Fluges selbst. Insbesondere bei Streckenflügen, bei denen man öfters einen Blick auf die Karte werfen musste, knipsten wir unsere Taschenlampen an. Das war um einiges schneller zu bewerkstelligen als das Einschalten der Kabinenbeleuchtung („плафон“, wir konnten sie in rot oder weiß einschalten), auch wurde deren Verwendung während des Fluges nicht allzu gern gesehen, ohne dass man eine rationale Begründung dafür hätte geben können.

Allerdings mussten wir, insbesondere, da wir vorzugsweise nur den roten Taschenlampenfilter verwendeten, bei der Vorbereitung unserer Unterlagen darauf achten, keinen roten Stift zu verwenden, was man am Tage schon der Auffälligkeit wegen ganz gerne tat. Das rote Licht ließ rote Linien und Zahlen einfach verschwinden. Auch galt es, in der Karte nur dezent eingedruckte Linien mit einem ordentlichen Folienstift auf der umhüllenden Folie nachzuzeichnen. Kurse, Peilungen, Zeiten kamen nochmals in dicker Schrift zur Eintragung.

An dieser Stelle sollte eigentlich die Beleuchtung in unseren Knieplanchetts ihr gutes Werk verrichten. Meistenteils behalf ich mir jedoch mit der Taschenlampe, denn den fummeligen Mikroschalter der eingebauten Lampe hätte ich in den Fliegerhandschuhen ohnehin nicht so schnell ertasten können. Hinzu kamen konstruktive Schwächen, da die tief sitzende Lampe die obersten „Metallblätter“ des Planchetts nicht mehr von oben bestrahlen konnte. Was hätte ich da sehen sollen? So baute ich die Lampen- und Batteriehaltung kurzerhand aus. Damit hatte wenigstens der unabdingbare Folienstift Platz im Knieplanchett gefunden.

Der Beginn der Nachtflugperiode indes war nicht für jedermann so einfach, wie man es sich vorgestellt hatte. Zwar bereitete das Steuern des Hubschraubers an sich kaum Probleme -einige Dutzend Stunden am Tage hatten uns genügend dazu befähigt, wenngleich wir nicht ganz so viel nach Sicht fliegen konnten wie am Tage. Tagsüber konnte man anhand der Horizontlage abschätzen, ob der Hubschrauber richtig in der Luft lag. Schräglage oder Längsneigung, eventuell auch Steigen oder Sinken der Maschine im Horizontalflug konnte man daraus ablesen. Aber des Nachts fehlte uns dieser Horizont! Wenn man von Dämmerungsphasen absieht, war es meist so dunkel, dass der künstliche Horizont zum unverzichtbaren Instrument wurde. Draußen sahen wir Lichter genug; ob aber nun der Hubschrauber gerade in der Luft lag...? Unsere Tagflugausbildung hatte gut vorgesorgt. Da Instrumentenflüge hier zum Repertoire gehörten, konnten wir recht zielsicher mit diesem rudimentären Instrumentflug umgehen und die Maschine sicher dirigieren.

Komplizierter war für mich dagegen die richtige Einschätzung der Position der Maschine. Dabei traten zwar weniger Schwierigkeiten mit der generellen Bestimmung der Position im Gelände auf, jedoch fiel mir in der Anfangszeit das konkrete Einschätzen von Entfernungen und Höhen sehr schwer. Normalerweise hatte mein Auge am Tage stets eine kontinuierliche Geländelinie vom Hubschrauber bis zum Landepunkt am Boden. Mit solchen Einschätzungen konnte ich umgehen und gewann leicht ein Gefühl für Entfernungen. Nachts jedoch verschwinden alle Zwischenmerkmale; ich sah nur noch den einsamen blinkenden Lichtpunkt am Boden. Wie weit ist er jetzt entfernt? Dafür konnte ich überhaupt kein Gefühl entwickeln. Kurioserweise kam ich mit den Entfernungen um so mehr durcheinander, je besser die Sichtweite war. In den klaren Frühlingsnächten, wenn der Lichtschein von 20 oder 30km entfernten Ortschaften zu erkennen war, lag die Welt zum Greifen nahe vor uns. Die Entfernung bis dahin unterschätzte ich jedoch völlig! Beim Flug auf der Strecke 843 oder 850 kamen wir ab und an sogar in den Genuss, die in Mahlwinkel bzw. Stendal fliegenden Hubschrauber der GSSD zu erkennen (auch dieser Platz hatte ein Codeleuchtfeuer…).

So kam es mehrfach vor, dass ich in der Platzrundenhöhe viel zu nahe an den Flugplatz herandonnerte, um mich dann in einem extrem steilen Sinkflug, der dann selbstverständlich zu unsauber geriet und ohnehin nicht mit der Methodik konform ging, auf den Platz zuzustürzen und die Maschine gerade noch rechtzeitig zu landen. Auch in meinem Prüfungsflug für die Platzrunde nachts (gewissermaßen der Freiflug in der Nacht), den ich bei OSL Vetter, dem Stellvertreter des Geschwaders für FA flog, ereignete sich dieses Dilemma. Und OSL Vetter verstand etwas von einem richtigen Donnerwetter! Mit Mühe und Not erkannte er meine halsbrecherische Landung als Note 3 an. Gesamtnote 2 auf die Platzrunde. Natürlich nicht, ohne mir dringend die bessere Höhen- und Entfernungsschätzung mit auf den Weg zu geben.

Da in der Nacht für uns Offiziersschüler in der Ausbildung eine Flughöhe von 300m auch für den Streckenflug befohlen wurde, konnten wir nun nahezu alle Ortschaften und Wendepunkte direkt überfliegen. Bei Tagstrecken, die wir in 100m absolvierten, war dies normalerweise nicht erlaubt; ein Auskurven vor Wendepunkten war regelmäßig notwendig.

Das Überfliegen in der Nacht jedoch verschaffte uns oftmals den ersten richtigen Streckenabflug. Ortschaften, die wir des Tags offiziell passierten, aber nie richtig erkannten, lagen nun nachts mit ihrem Lichterschein vor uns. Insbesondere kleine Ortschaften, die sich sonst in den Wald „einpassten“ und auf der kurzen Strecke vom vorhergehenden Wendepunkt einfach in einer Kurve „verschwanden“, wurden von mir das erste mal richtig erkannt.

Aufpassen mussten wir von nun an freilich auf die richtige Landung und die Abstellplätze. Sofern wir den letzen Flug der Schicht durchführten, war nach der Landung und dem Übersetzen auf die Bahn (wenn nicht bereits dort gelandet werden konnte) ein Rollen bis zum Abstellplatz erforderlich. Die Beleuchtung der Rollwege verriet uns den Weg bis dorthin – doch welches Ohr war nun unser richtiges? Am Tage stand der verantwortliche Techniker zumeist am Abstellplatz und winkte seinen Hubschrauber zielsicher heran, denn die taktische Nummer konnte er problemlos erkennen. Des Nachts jedoch hüllte sich die Maschine in Dunkel. Unsere größte Chance war der Bordtechniker, der mit Sicherheit wusste, wohin die Maschine gehörte. Vom Techniker am Boden erkannten wir erst im letzten Moment die grüne Taschenlampe, die er statt der üblichen Handzeichen nachts zu benutzen hatte.

Als Nachtflug irgendwie unpassend erschien uns allerdings die sich unmittelbar an den Sonnenuntergang anschließende Zeit der Dämmerung (die Morgendämmerung ereilte uns während der Ausbildung nicht). Nicht mehr richtig hell, aber auch noch nicht richtig dunkel. Insbesondere in den Sommermonaten hatte man während der fast eine Stunde dauernden Dämmerungsphase nicht das Gefühl, einen Nachtflug zu machen. Die Instrumentenbeleuchtung schimmerte zwar schon erkennbar vor sich hin, aber gebraucht wurde sie eigentlich nicht – man konnte gut und gerne alles bei normalem Umgebungslicht ablesen.

So, wie der Zufall im Leben manchmal spielt, kam mir dieser Umstand selbst einmal zugute. Die „richtige“ Dunkelheit war mir zwar lieber zum Fliegen, jedoch hatte ich selbst an diesem Tage meine Taschenlampe in der Unterkunft vergessen. Was tun? Heute hatte ich den ersten Flug nach der Tankpause (die an diesem Tage den Nachtflug einläutete). Notgedrungen musste ich mich also ohne Lampe in den Hubschrauber begeben, denn auch meinen Kameraden konnte ich für die geplante Flugzeit keine Lampe abschwatzen, sie brauchten diese selber. Normalerweise auch im Nachtflug nicht unbedingt ein Problem, wenn man während des Fluges nichts nachsehen muss, aber heute stand bei mir ein Streckenflug auf dem Programm; hier musste ich schon zumindest an den Wendepunkten die Funkpeilungen kontrollieren (die Kurse hatten wir in all den Ausbildungsjahren schon im Kopf), wollte ich nicht allzu sehr Skepsis beim Fluglehrer erregen. Der Zufall wollte gleichermaßen, dass ich diesen Flug nicht mit meinem eigenen Fluglehrer, sondern dem Fluginspekteur des HAG zu fliegen hatte (höheren Vorgesetzten verkaufte man nicht, dass man die Taschenlampe vergessen hatte!). Zwar hätte noch die Möglichkeit bestanden, im Bedarfsfall die Kabinenbeleuchtung rot einzuschalten („плафон“), denn zu diesem Zwecke musste sie ja in den Hubschrauber eingebaut sein, aber damit hätte ich auf alle Fälle eine missbilligende Frage meines Rechten riskiert. Die Wolken meinten es allerdings gut mit mir – sie waren gar nicht zu sehen. Die ganze Stunde nach Sonnenuntergang war es noch so hell, dass ich ohne Probleme meine Karte lesen konnte.

Der Beginn der Nachtflugausbildung brachte ebenfalls große Änderungen im täglichen Dienst mit sich. Waren wir von den normalen Tagesschichten (gegebenenfalls Früh- und Spätschicht) ein festes Programm in der Vorbereitung gewohnt, musste dies mit den Nachtschichten einem anderen Ablauf weichen.
Vor der Nachtschicht war für die Flieger per Dienstvorschrift eine Ruhezeit von 4 Stunden, zusätzlich zu den ohnehin obligatorischen 8 Stunden Schlaf, einzuhalten. Wie im Schlaraffenland durften wir also tatsächlich 12 Stunden des Tages verschlafen! Natürlich stand dem gegenüber die gewohnt große Anstrengung eines Flugdienstes, nicht zuletzt fiel während der Nachtstunden zwar nicht das Wachbleiben, aber doch die Konzentration schwer.

Häufig wurde die Nachtflugschicht „gemischt“. Sie wurde so geplant, dass bis zur Tankpause nach zweieinhalb Stunden nach Tagbedingungen geflogen werden konnte. Nach der Tankpause war die Dämmerung bereits fortgeschritten und ermöglichte einen nahtlosen Übergang zum Nachtflug. Diese Variante bot sich vor allem bei ungleichmäßigem Ausbildungsstand der einzelnen Offiziersschüler an, wenn also ein Teil mit der Tagflugausbildung beschäftigt war. Die Durchführung von reinen Nachtflugschichten stand allerdings genau so regelmäßig auf dem Programm.

Die Rückkehr von der Flugschicht war in Abhängigkeit von der konkreten Durchführung nicht später als als 2 oder 3 Uhr. Am Horizont war dann schon der erste Silberstreif der aufgehenden Junisonne zu erahnen. Da außerhalb der Sommermonate schon eher mit dem Nachtflug begonnen werden konnte, verschob sich auch die Rückkehr in das Objekt nach vorn. Jetzt hieß es zunächst 8 Stunden Schlaf. Anschließend Frühstück. Etwas Zeit für uns selbst, aber Stuben- und Revierreinigen nicht vergessen! Um 12 Uhr wieder ins Bett und bis 16 Uhr „geruht“ - Schlafen war nicht Pflicht. Um 16 Uhr nahm die gewohnte Vorbereitung für die Flugschicht ihren Lauf: Waffenempfang, Kartentasche holen, medizinische Kontrolle… auch das nächste Essen stand auf dem Programm, wobei wir irgendwann durcheinander kamen, ob es nun Mittag, 2.Frühstück oder Abendessen war. Auf alle Fälle erhielten wir auf dem Flugplatz unsere restlichen Mahlzeiten und waren ebenfalls zu Nachtzeiten immer ausreichend versorgt.

Auch bei Rückkehr vom Flugdienst am Dienstag oder Freitagnacht, wenn am Folgetag die normale Flugvorbereitung war, standen uns zunächst die 8 Stunden Schlaf zu. Unsere Flugvorbereitung absolvierten wir mittwochs daher erst ab Mittag in einer massiv verkürzten Form. Der Mittwoch wurde so der einzige Tag mit einem normalen Dienstschluss, und wir kamen um einen großen Teil des an solchen Tagen sonst üblichen militärischen Beiwerks herum.

Kehrten wir nach dem Nachtflugdienst am Freitag zurück (genau genommen schon Samstagmorgen), konnten die für einen Kurzurlaub eingeplanten Offiziersschüler diesen schon jetzt antreten - zumindest diejenigen, die sich auf die Dienste der Deutschen Reichsbahn verließen. Die Autofahrer wurden vom Staffelkommandeur mit 6 Stunden Schlaf „beaufschlagt“ und kamen so erst am Vormittag aus der Dienststelle heraus. Das Risiko, dass seine Offiziersschüler am Steuer einschliefen, wollte der Vorgesetzte nicht eingehen.

Da für den Samstag im Prinzip die Dienstzeit vorbei war und uns andererseits der Montag zur Verfügung stand, da ja die Nachtschicht uns erst ab 16 Uhr (bzw.12 Uhr, wenn man die Ruhezeit mitrechnete) forderte, wurde die Flugvorbereitung am Montagvormittag ohne überflüssiges Beiwerk in 4 Stunden durchgeführt. Freilich galt auch an solchen Wochenenden die rechtzeitige Rückkehr aus dem Kurzurlaub. Aber 21Uhr (Nachtruhe: 22Uhr) gefiel uns auf alle Fälle besser als ein früherer Zeitpunkt. Ab und an ließ sich unser Kettenkommandeurs auch für die Nichtflieger (z.B. Tagesdienste wie UvD) auf Urlaubskompromisse ein: da man mit der ganzen Kette, die sich im Nachtflug befand, ohnehin nichts anderes anstellen konnte und die Rücksichtnahme auf die Schlaf- und Ruhezeiten der Flieger nur einen eingeschränkten Dienstbetrieb erlaubte, durfte der Betreffende auch schon mal erst Montag Mittag aus dem Urlaub zurückkehren. Das war Kurzurlaub, wie wir ihn immer wollten! Ausgeschlafen Samstagvormittag zu Hause angekommen, Montag früh von zu Hause losfahren!

Die Ausbildung im Nachtflug erfolgte im Allgemeinen in gegenseitiger Ergänzung mit Tagschichten der anderen Ketten bzw. der I.HAS (Mi-2). So flog beispielsweise die 1.Kette der II.HAS in der Nacht, die 2.und 3.Kette am Tage. Damit machte sich im Staffelbereich eine unbedingte gegenseitige Rücksichtnahme erforderlich. Während der eine Teil den Staffelflur entlang trampelte, um Karten und Waffen zu empfangen, musste der andere Teil in den Zimmern schlafen. Am Anfang vergaß noch der eine oder andere Kamerad, dass da hinter den Türen Nachtruhe gehalten wurde – aber nach den ersten Tagen im Ausbildungsbetrieb hatte sich alles soweit eingespielt - zumal auch die sonst erfolgte Trotzreaktion, eine lautstarke Rückkehr der Nachtflugbesatzungen, den Schlaf der Tagschicht empfindlich gestört hätte.

Fliegerische Abschlussprüfung

Die Fliegerische Abschlussprüfung (FAP) stellte den Abschluss der Ausbildung auf dem jeweiligen Hubschraubertyp dar. So absolvierten wir gegen Ende der Ausbildung auf dem so genannten Typ I (Mi-2) eine solche Prüfung ebenso wie nach der Etappe auf dem Typ II (Mi-8). Letztere ging dann als Fliegerische Hauptprüfung (FHP) in unser Programm ein.

Der Prüfungsflug selbst war die Übung 1915, Prüfungsflug-Überprüfung der Steuertechnik und Navigation. Zwar absolvierten wir nach dieser Prüfung noch weitere Flüge (sie war also nicht der vielleicht zu erwartende letzte Flug) wie Flüge zum Schießen, jedoch ging die Note dieses Fluges quasi als die Abschlussnote auf das endgültige Abschlusszeugnis ein. Wie gewöhnlich rächten sich Nachlässigkeiten, die man in den ersten beiden Ausbildungsjahren machte, später auf dem Zeugnis und waren unabänderlich.

Fliegerische Abschlussprüfung Typ I (Mi-2)

Meine eigene fliegerische Abschlussprüfung auf der Mi-2 fand am 22.April 1988 statt. Knapp 10 Monate Flugerfahrung lagen hinter uns.

Für den Prüfungsflug wurde uns im Zuge des Flugvorbereitungstages eine Strecke als Aufgabe gestellt. Natürlich war dies eine völlig neue Strecke, die wir bisher nie geflogen waren, ja wir waren noch nicht einmal in die Nähe der beteiligten Ortschaften gekommen. Immerhin konnte man ja als Geschwaderkommandeur im Flugraum auch Strecken befehlen, wie man es für notwendig befand. Vielleicht war deshalb der Flugraum südlich der Linie Brandenburg-Genthin in der Vergangenheit weitestgehend ausgespart geblieben?

Strecke 858
WPKursEntfernungZeit
      3:00
FF 058 10 3:45
Butzow 105 8 3:00
Roskow 210 24 9:00
Lucksfleiß 278 28 10:30
Drezel (Straßenkreuzung) 049 13 4:30
Bhf. Kade      
Anflug begrenzter Platz 14a      
Groß Demsin 316 13 4:50
Briest 102 15 5:40
Jerchel 052 17 6:20
Kieck 213 12 4:30
FF     5:00
       

Die Vorbereitung der Strecke war somit ein vollständiges Erarbeiten der Streckenführung inklusive Kartenvorbereitung, Erarbeiten des Steuermannsplanes und des Bordjournals. Während uns bei bekannten Strecken stets schon von irgend jemandem quasi ein „Muster“ vorlag, mussten wir nun vollständig selber ’ran. Nicht, dass wie es nicht gekonnt hätten – aber der Zeitaufwand gegenüber den Standardstrecken wuchs enorm an und erforderte durchaus 3 bis 4 Stunden Arbeit des Einzelnen - je nach eigener Veranlagung zur Akribie. Im Navigationsplan wurden wie gewohnt alle Umgebungsmerkmale der einzelnen Etappen grafisch dargestellt; mit diesem Blatt konnte man sich recht gut die wichtigsten Navigationspunkte einprägen. Funkpeilungen wurden bestimmt und auf den Karten eingetragen. Für den unabdingbaren Zielanflug zu befohlenen Zeit hatte der Prüfer eine beliebige Straßenkreuzung festgelegt; auch hierfür mussten die entsprechenden Vorbereitungen getroffen werden. Zwar konnten wir in der Vorbereitung nur anhand der befohlenen Geschwindigkeit von 160km/h Anhaltswerte schaffen, da die konkreten Werte erst am nächsten Tage anhand des aktuellen Windes bestimmt werden mussten.

Der Flugtag selbst erwartete uns mit gutem Wetter – vielleicht nicht unbedingt apriltypisch, aber wir Flugschüler nahmen die hervorragende Sicht dankbar an. So konnten wir unsere Streckenetappen optimal beobachten. Der Wind selbst konnte prima berechnet werden – größter Wunsch war nur, dass er möglichst nicht böig und wechselnd war. Freilich war schwacher Wind noch besser, da konnte nicht viel passieren, aber so viel Glück gab es selten. Prüfungseintrag im FlugbuchMeine Prüfung auf der Mi-2 hatte ich mit dem Fluginspekteur der OHS, OSL Leisner zu fliegen. Natürlich zeigte sich die eine oder andere Ungereimtheit, war ich doch viel zu aufgeregt - von einem Prüfungsflug hing viel ab! Die Mi-2 zappelte unter meinen Händen, oftmals schlechter, als ich die Flüge bei meinem Fluglehrer abgeliefert hatte. Immerhin war eine Menge gefordert: Start und Landung waren klar, ebenso wurden Kurvenflüge benotet, Landeberechnung und -manöver, Einhalten der Strecke, Führen der Sichtnavigation, Genauigkeit des Anfluges des begrenzten Landeplatzes außerhalb des eigenen Flugplatzes - und natürlich der Zielanflug zur befohlenen Zeit. Selbstverständlich musste für letzteren in der Streckenvorbereitung am Flugtag der Wind korrekt berücksichtigt werden. Wir taten dies mit der Streckenberechung vor dem Flugdienst, eifrig schoben wir den NR-10 hin und her. Schlecht waren diejenigen beraten, die gleich als erste zum Start mussten; die anderen hatten ja noch einiges an „Schonzeit“, in der sie noch mal rechnen und sich auf die Strecke einstellen konnten. Für die ganz späten Starter standen auch die Chancen nicht schlecht, dass sich bereits vor ihrem Start ein OS von der Prüfung zurückmeldete und Bericht über die Strecke und deren Tücken geben konnte. Solche Hinweise betrachtete indes keiner - auch die Fluglehrer nicht - als unerlaubte Hilfestellung. Im Gegenteil, in den vergangenen Monaten waren solche gegenseitigen Hilfen Normalität geworden und zeugten doch von einer Kollektivbildung mit positivem Erfolg für die Gesamtheit eines Ausbildungskurses.

Fliegerische Hauptprüfung Typ II (Mi-8)

Eineinhalb Jahre später, als sich die zweite fliegerische Periode auf der Mi-8 dem Abschluss näherte, stand für uns ein erneuter Prüfungsflug an: die Fliegerische Hauptprüfung. Gegenüber dem Prüfungsflug auf der Mi-2 wurde er noch um zwei Elemente bereichert. Zusätzlich zu bereits Bekanntem kamen noch Schießen auf Erdziele per FMG sowie das Aufnehmen und Absetzen von Lasten. Für die Mi-8 war außerdem die letzte Etappe von Zwischenlandeplatz bis zurück zum Flugplatz ohne Autopilot zu fliegen.

Ich selbst bekam für meine Fliegerische Hauptprüfung (FHP) als Prüfer den Geschwaderkommandeur, Oberst Zahl, zugeteilt. Vielleicht nicht ganz zufällig, war er doch auch mein Mentor für die Diplomarbeit und so mit mir bereits durch den einen oder anderen Kontakt verbunden. Am 16.Oktober 1989 war es soweit: die Aufgabenstellung für die Abschlussprüfung offenbarte uns eine neue Strecke, selbstverständlich wieder völlig anders als jede bekannte Strecke, einschließlich der Prüfungsstrecke auf der Mi-2. Die Tatsache, dass sich derzeitig die politische Lage in der DDR fortwährend spannte, ignorierten wir in diesen Tagen völlig; wichtig war nur unser persönliches Nahziel, die Prüfung.

Navigationsplan Strecke 6Antreten vor der Fliegerischen Hauptprüfung am 16.10.89Der einfach als „Strecke 6“ bezeichnete Weg führte uns zwar durch nun schon besser bekanntes Gelände, jedoch mussten wir unsere Karten, diesmal inklusive eine fiktiven taktischen Lage, Navigationspläne und die weiteren notwendigen Dokumente genau so von Grund auf und gewissenhaft vorbereiten, wie wir es aus der Prüfung auf der Mi-2 kannten. Es kann aber genau so gut sein, dass wir an diese Prüfung überhaupt keine Erinnerung mehr hatten, betrachteten wir die Mi-2 doch immer nur als Zwischenstopp auf dem Wege zu einem „richtigen“ Hubschrauber – zumindest wurde es so auch zum großen Teil durch die Ausbildung selbst suggeriert. Die Vorbereitung nahm also wiederum einen guten Teil des Tages in Anspruch, und nicht wenige Kameraden setzten sich noch nach dem offiziellen Dienstschluss in das Flugvorbereitungskabinett und versuchten sich die Strecke zu verinnerlichen. Schließlich hing nun von der Fliegerischen Hauptprüfung die endgültige Note auf unserem Abschlusszeugnis ab.

Der Flugtag hielt für uns die bekannten Aufgaben bereit. Abgesehen davon, dass der Anlass der Hauptprüfung selbst zu allerlei offiziellen „Auftreten“ zwang, also Antreten und Ansprache des Geschwaderkommandeurs, galt es wieder die meteorologischen Bedingungen zu berücksichtigen. Die Bekanntgabe der Wetterdaten an diesem Herbsttag veranlasste uns sogleich wieder zu eifrigem Rechnen. Die Etappen mussten neu bestimmt werden; Kurs, Weggeschwindigkeit und Flugzeit änderten sich auf Grund des straffen Windes deutlich. Im Laufe des Vormittages frischte der Wind nochmals deutlich auf; doch das schienen nur die Prüfer zu wissen! Mit mehr oder weniger großer Aufregung bestieg ich den Hubschrauber. Die „üblichen“ Manöver klappten wie einstudiert; Minute um Minute flog ich der ersten wirklichen Prüfung entgegen: dem Zielanflug zur befohlenen Zeit. Auf der Strecke war dies die 3.Etappe, in der 25. Minute nach dem Start war vom Prüfer der Überflug befohlen. Gemäß den für uns Offiziersschüler geltenden Bestimmungen durfte auf der dieser Etappe die Geschwindigkeit nur um 10km/h von den vorgegebenen 180km/h abweichen. Der Wind blies beständig stark aus Nordrichtungen, stärker als wir in unseren vorbereitenden Berechnungen berücksichtigt hatten. Entsprechend flog der Hubschrauber immer weiter südlich der Strecke, jedoch fiel mir das auf Grund des zerwaberten Geländes kaum auf. Mein Prüfer wartete auf eine charakteristische Waldkante, die er sich zuvor in der Karte ausgeguckt hatte; hier wurde die Abweichung von der BWL besonders deutlich. Immerhin war Oberst Zahl so hilfreich, mich nach dieser Waldkante genau im rechten Moment zu fragen und mir so wenigstens einen klitzekleinen Anhaltspunkt zu geben. Allein an diesem Punkt erkannte ich, dass mich der Wind um gute 3km von der BWL nach Süden abgetrieben hatte… Der als Punkt zum Zielüberflug angedachte Bahnübergang war einfach nicht eher zu erkennen, ich saß dem Wind völlig auf.

Die Chancen, die Abweichung mit der erlaubten Geschwindigkeit innerhalb der noch verbleibenden wenigen Minuten korrigieren zu können, standen schlecht. In der Tat musste ich nun nahezu rechtwinklig auskurven, um den Bahnübergang eine unendliche Minute zu spät überfliegen zu können. Mit dem Hintergedanken „Zielanflug zur befohlenen Zeit vermasselt“ musste ich dem nächsten Höhepunkt entgegenfliegen: Fotoschießen. Am Segelflugplatz Stölln-Rhinow, uns aus der Vergangenheit als Landeplatz gut vertraut, sollte ein Fotoziel aufgebaut und durch uns „bekämpft“ werden. Da es hierbei stets zu Verschiebungen kam, ist von vornherein auch ein Ausweichziel bestimmt worden; dieses lag nun auf der vorhergehenden Etappe. Und tatsächlich: der Platz Stölln-Rhinow konnte an jenem Tage nicht angeflogen werden (die genauen Gründe erfuhr man nicht immer). So mussten wir auf besagtes Ausweichziel umschwenken. Nach dem 4. Wendepunkt schlich ich den Flusslauf der Neuen Dosse entlang und bekam zur Belohnung eine wunderschöne Zielerkennung. Immerhin war uns der tatsächliche Standort nicht bekannt, sondern musste durch uns selbst „erspäht“ werden. Weiß und riesig hob sich das Ziel aus der Weidefläche ab. Das Fotokontrollgerät bannte meinen sauberen Anflug perfekt auf’s Bild und verhalf mir in diesem Teilaspekt der Prüfung zu einer 1. Weiter ging es zum Absetzen und Aufnehmen einer Last. Der Agrarflugplatz Bamme war uns bereits bestens bekannt, wenngleich auch nur durch Überfliegen auf der Strecke 843 und in der Zone 064. So manches Mal hatte wir die kleinen gelben Z-37-Hummeln da unten „begutachtet“… heute sollte wir selbst um diesen Platz eine Platzrunde aufbauen und mit Hilfe der Winde und des Bordtechnikers eine Last absetzen. Zwar bestand diese in unserer Ausbildung nur aus einem Stahlgewicht am Windenseil, jedoch wurde dies von den Prüfern genau so argwöhnisch beobachtet wie ein eventuell zu rettender Mensch. Überfahrt (Funkkanalwechsel auf den Flugleiter in Bamme, er nannte sich heute RIGA 1). Überflug und Platzrunde, diese führte auch noch um den südlich gelegenen Hügel herum. Landeanflug - saubere Standschwebe. Der Bordtechniker ließ das Windenseil herab, daran mein 10kg-Stahlbarren. Die Standschwebe musste genau über Grund gehalten werden, ein Zappeln nach rechts, links, vorne oder hinten hätten sofort den missbilligenden Blick des Vorgesetzten neben mir zur Folge gehabt. Meldung des BTs, nun befand sich die Last 1m über dem Boden. Der letzte Meter wurde mit dem Hubschrauber selbst abgesetzt. Langsam den Gassteigungshebel senken, der Hubschrauber machte die Bewegung mit. Schön auf’s Pedal achten, dann blieb er in der Richtung. Bodenkontakt. Meldung des Bordtechnikers - und es ging wieder einen Meter hoch. Der Techniker zog das Windenseil ein, Übung beendet! Der nun folgende Start war „nur“ noch Fahrtaufholen und Höhengewinn, damit war ich auch dieser Prüfung entronnen. Laut Aufgabenstellung war beim Ausflug aus der Platzrunde des Bammer Platzes der Autopilot von uns selbständig abzuschalten. Ein kurzer Druck auf den roten Knopf am Steuerknüppel genügte, und der Hubschrauber wurde nun in seinen Manövern nicht mehr vom Autopiloten kontrolliert, gedämpft und stabilisiert. Meldung an meinen Prüfer: „Ausfall des Autopiloten!“ Der Hubschrauber reagierte nun absolut direkt, was uns zu Beginn der Ausbildung auf der Mi-8, beispielsweise während der Standschweben ohne Autopiloten, den Schweiß ins Gesicht getrieben hatte. Vorerst mussten wir jedoch einen normalen Streckenflug ohne den Autopiloten absolvieren; die Stabilität unseres Luftfahrzeuges war dann schon erheblich besser als in einer Standschwebe. Eine Umstellung in der Steuertechnik war trotzdem unvermeidlich. Sie glich nun mehr einem leichten Flugzeug: doppelte Steuerführung, die ansonsten im stabilisierten Flug nicht nötig war. Aber die letzten 15 km gingen mir nun auch noch gut von der Hand, und ich kam zum Landeanflug auf den Platz Briest. Einflug in die Platzrunde, Landeerlaubnis eingeholt - und zwei Minuten später saß der Hubschrauber zuverlässig am Boden, der fehlende Autopilot schien nicht viel auszumachen. Abmeldung beim Prüfer, der jetzt 80 Minuten mit mir ausgehalten hatte. Unterwegs hatte der Prüfer wie üblich immer in sein Aufzeichnungsbuch gekritzelt, der Informationsgehalt blieb uns Delinquenten zumeist verborgen. Flugbuch, Fliegerische HauptprüfungOberst Zahl und seine Prüfungsschützlinge OS Hietschold, Michler, Elster, Blocksdorf Erst am Ende zauberte der Prüfer aus seinen Notizen einen kurzen Einschätzungstext und eine bzw. mehrere Noten, die dann in unserem Flugbuch verewigt wurden. In aller Regel erhielten wir unser Flugbuch vor dem Aussteigen zurück, so nicht diesmal. Wahrscheinlich gehörte jetzt doch etwas mehr Überlegung zum richtigen Abschlusstext. Da auch nach meiner Prüfung noch ein Flug stattfand (der betreffende Offiziersschüler stieg am Lande-T ein), war ich vorerst wieder mit meiner eigenen Einschätzung alleine.

Erst nach dem letzten Flug befahl Oberst Zahl seine Prüflinge zu sich und wertete mit jedem die guten (weniger) und schlechten (mehr) Seiten des Fluges aus. Das Donnerwetter, das ich in Anbetracht meines verpatzen Zielanfluges zur befohlenen Zeit durch die ungenügende Windberücksichtigung und Sichtnavigation erwartet hatte, kam, wenn auch kleiner. Schon öfter waren wir zusammen geflogen, auch waren meine Ergebnisse bei anderen Fluglehrern und Prüfern bis dahin mehrheitlich gut – also hätte ich es auch bei diesem Fluge besser können müssen! Die Teilnote 2 für die Navigation fasste ich mehr als Lohn für die vergangenen Jahre auf denn als korrekte Bewertung dieses Prüfungsfluges. Offensichtlich hatte hier jemand ein Auge zugedrückt…

Insgesamt muss mein Auftreten aber wohl doch gereicht haben, denn ich errang in der Abschlussprüfung die Note 1.

Ausbildung zum II.HSF

Mit Abschluss der Ausbildung an der OHS waren die Offiziersschüler befähigt, als II. HSF zu handeln. Der II. HSF entsprach der ersten Dienststellung in den Truppenteilen; nur in Ausnahmefällen sind Offiziersschüler bereits als I. HSF in den Truppendienst eingezogen. Künftig würden die II. HSF auf dem rechten Sitz des Hubschraubers bzw. in der vorderen Kabine einer Mi-24 Platz nehmen und den I. HSF bei der Erfüllung der Gefechtsaufgabe unterstützen und den Waffeneinsatz führen.

Die in Folge der Einsatzgespräche für die HS-16 in Nordhausen und das MHG-18 in Parow vorgesehenen Offiziersschüler traten Anfang 1990 ihr Praktikum in diesen Truppenteilen an. Den verbleibenden Offiziersschülern, die für die Kampfhubschraubergeschwader vorgesehen waren, wurde in Abwandlung des Verfahrens vergangener Jahre der Verbleib im HAG-35 befohlen. Die Ausbildung zum II. HSF wurde sodann mit unseren gewohnten Fluglehren durchgeführt. Bis auf einen 3tägigen „Blitzbesuch“ im KHG Cottbus oder Basepohl erfuhren wir nichts von unserem zukünftigen Einsatzort.

Der immens geschrumpfte Personalbestand an Offiziersschülern bescherte uns in Brandenburg gebliebenen Offiziersschüler riesige, aufgeräumte Dienstzimmer. Wo sich einst 15 Mann aufhielten, herrschte nun nur noch eine Handvoll oder weniger über eine große Anzahl freier Tische. So viel Platz hatten wir in unserem Leben noch nicht gehabt!

Die eigentliche Ausbildung zum II.HSF verlief nur wenig spektakulär. An die erste Stelle der Übungsnummern rückte nun eine 5, kennzeichnete damit die Ausbildung vom rechten Sitz. Anfangs war es etwas ungewohnt, bei der erforderlichen Rechtsschräglage in der Standschwebe „so weit unten zu hängen“, aber bereits nach einigen Flügen hatten wir nur noch wenige Schwierigkeiten. Das Fliegen der Mi-8 als solches hatte sich nicht verändert. Wir absolvierten die wesentlichen Flüge am Tage und in der Nacht, so, wie wir sie auch zuvor in der normalen Ausbildung kennen gelernt hatten.

Ausbildungselemente, die uns irgendwann auf der Mi-8TB abgerungen würden, fehlten natürlich: das Schießen mit PALR. So führten wir eine fast pazifistische Ausbildung durch, von Waffeneinsatz und taktischen Elementen in der Ausbildung fehlte fast jede Spur. Allerdings war zu jener Zeit im Frühjahr 1990 die Art des Fortbestandes der NVA ohnehin nicht mehr recht erkennbar. Ein umfangreicher Teil der Hubschrauber wurde zunehmend in das System von SAR und Rettungshubschraubern integriert; das Fliegen von zivil legitimierten Einsätzen rutschte für das fliegende Stammpersonal auf die alltägliche Aufgabenliste.

Der mit Beginn 1990 quasi über Nacht heraufbeschworene Personalabbau durch die Kürzung der Wehrdienstzeiten brachte auch im HAG-35 größere Probleme mit sich. Zwar ging das meiste an uns Offiziersschülern vorbei, denn am Offiziersbestand unserer Ausbildungsstaffeln änderte sich nichts. Allerdings waren die Technischen Staffeln, das FTB und der Stab schon eher von fehlenden Soldaten und Unteroffizieren betroffen. So wurde eines Tages für uns Offiziersschüler die Wahrnehmung eines ansonsten typischen Unteroffiziersdienstes befohlen: Startschreiber. Mit diesem Dienst oblag uns die Verantwortung der Planungszeichnung, des Mitschreibens der Zeiten beim Flugdienst (dazu saßen wir im SKP) und auch die Auswertung derselben. Hier erwies es sich ein Mal mehr als Vorteil, dass uns die Wende ereilt hatte und ich bereits im Besitz eines Taschenrechners war, der im Sexagesimalsystem rechnen konnte: ohne Probleme addierte er Zeiten und spuckte Ergebnisse in Stunden und Minuten aus, das alles mit nur minimaler Verzögerung nach dem Flugdienstende. Frühere Erfahrungen im Verrechnen, die man bisweilen im Segelflug und Motorflug gesammelt hatte, gehörten der Vergangenheit an.

Fliegeruhr ?

Gab es in der NVA eine Fliegeruhr ? Die Frage beschäftigt viele Ehemalige und noch mehr (Uhren-)Interessierte. Und es ist kein einfaches Thema, denn auch zahlreiche NVA-Piloten der 80er Jahre können dazu nur wenig Erschöpfendes berichten. Dank der Aufklärung von Uhrenfreunden kam allerdings Licht ins Dunkel:

  • Ja, es gab Fliegeruhren, die von der NVA an die Piloten ausgegeben wurden.
  • Nein, nicht alle Piloten haben diese Uhr bekommen. Das lag weniger an einer Geringschätzung Einzelner als vielmehr am beschränkten Gesamtzeitraum der Ausgabe. 

Die Uhr

Poljot Fliegeruhr/ Chronograph 3017 (externer Link; Bild: H.J.Kemm | raumfahrer.net)Poljot Fliegeruhr/ Chronograph 3017 (Bild: Mathias Baustian) Bei der in der NVA ausgegebenen Uhr handelte es sich um einen Chronographen von Poljot. Teilweise wurden die Uhren auch mit dem Herstellervermerk Sekonda oder Strela ausgeliefert; in allen werkelte aber die gleiche mechanische Grundlage, das Poljot-Kaliber 3017. Die 19 Steine schafften eine Gangenauigkeit, die für mechanische Uhren sehr gut war - sicherlich nicht bei jedem Stück gleich, aber dennoch wurde sie vielerorts "nicht viel schlechter als eine Quarzuhr" eingeschätzt. Eine Datumsanzeige fehlte in der Uhr (die war späteren Modellen vorbehalten, die jedoch in der NVA nicht "gehandelt" wurden), dafür gab es eine Tachymeter- und Telemeter-Skala. Die Stoppeinrichtung erlaubte Zeitmessungen bis zu 1 Stunde.

Die Mehrzahl der gesichteten Uhren hatte ein weißes Zifferblatt. Uhren mit einem schwarzen Ziffernblatt waren allerdings beim Hersteller genau so üblich und sind auch in der NVA ausgegeben worden.

Ausgabe-Modalitäten

Die Uhren wurden im Zeitraum der 70er Jahre ausgegeben, der genaue Beginn ist (mir) nicht bekannt. Über das Ende der Ausgabe gibt es mehrere, differierende Aussagen, diese haben jedoch ihre Ursachen ganz eindeutig in der Praxis der einzelnen Geschwader. Die Produktion des Kalibers wurde 1979 eingestellt, so dass wohl nach 1979 ohnehin keine Lieferungen in die DDR mehr erfolgten. Als wahrscheinlicher kann man jedoch die Verfahrensweise ansehen, dass einmalig ein entsprechend großer Posten an Chronographen bestellt, geliefert und auf die einzelnen Truppenteile verteilt wurde - und als dieser aufgebraucht war, hatte sich das Thema für die NVA erledigt.

PEintragung des Empfangs der Fliegeruhr im WDA (Dokument: Lutz Gansler)Die Uhren wurden an die Piloten in den Truppenteilen ausgegeben, es gab sie für alle Fliegergattungen. Die Ausgabe erfolgte i.d.R. über den Steuermann des Geschwaders und wurde gewohnt gründlich im WDA vermerkt. Je nach Bestand an (neu zuversetzten) Piloten und Uhren konnten selbige z.T. auch etwas länger ausgegeben werden. So reichen die Berichte über den Erhalt teilweise bis ins Jahre 1981, in anderen Geschwadern gab es wohl bereits 1979 die letzte.

Die Uhr ist heute (mit neuerem Kaliber Poljot 3133, inklusive Datumsanzeige) noch von Strela zu bekommen.

Quellen

  • Gründliche Aufklärungs- und Zuarbeit von Mathias Baustian, von ihm stammen auch die maßgeblichen Bilder des Chronographen
  • Lutz Gansler