1968 | Die wesentlichsten Grundzüge der Militärdoktrin der Deutschen Demokratischen Republik
Die Militärdoktrin der Deutschen Demokratischen Republik ist ein auf der Grundlage von Beschlüssen und Weisungen der Partei- und Staatsführung der DDR ausgearbeitetes System von Anschauungen über den Charakter eines künftigen Krieges, insbesondere in Europa, über die Formen und Methoden seiner Führung und über die Vorbereitung der Bevölkerung, des Staates und der Volkswirtschaft auf den Verteidigungszustand sowie der bewaffneten Organe zur Vernichtung des imperialistischen Aggressors im Falle eines Krieges. Bei der Herausarbeitung und Festlegung der Militärdoktrin der Deutschen Demokratischen Republik wurde vor allem von den Grundzügen der sowjetischen Militärdoktrin ausgegangen. Dabei ließ sich unsere Partei- und Staatsführung davon leiten, daß die Sowjetunion als die stärkste und führende Macht im sozialistischen Lager mit ihren reichen militärischen Erfahrungen für die Landesverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik wertvolle Lehren vermittelt. Die Partei- und Staatsführung der DDR hat ausgehend von den spezifischen politischen und ökonomischen Bedingungen unserer Republik sowie ihrer militärgeographischen Lage die allgemeinen Erkenntnisse der sowjetischen Militärdoktrin schöpferisch verarbeitet und entsprechend der Politik unserer Partei und Regierung in den Leitsätzen der Militärdoktrin verankert. Es ist das historische Verdienst unserer Partei und ihres Ersten Sekretärs, Genossen Walter Ulbricht, daß sie in den jeweiligen Entwicklungsetappen schöpferisch die sowjetischen Erfahrungen auf die Belange und die Besonderheiten der Deutschen Demokratischen Republik anwandte.
Innerhalb der Militärdoktrin der Deutschen Demokratischen Republik werden ebenso wie bei der Militärdoktrin der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten zwei Seiten, die politisch-moralische und die militärisch-technische, unterschieden. Die politisch-moralische Seite unserer Militärdoktrin ergibt sich unmittelbar aus den Grundsätzen unserer Weltanschauung, dem Marxismus-Leninismus, über das Verhältnis zur Politik und zum Krieg und über die Stellung der Arbeiterklasse zu den verschiedenen Kriegen. Die militärisch-technische Seite der Militärdoktrin der DDR umfaßt:
- den militärischen Charakter eines Krieges
- die Formen und Methoden seiner Führung
- die Aufgaben der einzelnen Bestandteile der Landesverteidigung, insbesondere aber der Streitkräfte.
Beide Seiten der Militärdoktrin bilden eine untrennbare Einheit und sind infolge der gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Entwicklung ständigen Veränderungen unterworfen.
Die politisch-moralische Seite der Militärdoktrin der DDR
Ihre Grundlagen wurden bereits von Marx, Engels und Lenin formuliert. Sie sind auch in der Gegenwart vollgültig. Die historischen Veränderungen nach dem zweiten Weltkrieg beeinflußten die politisch-moralische Seite der Militärdoktrin nicht unwesentlich. Bei der Ausarbeitung der Militärdoktrin wurden die Veränderungen des Kräfteverhältnisses in der Welt zugunsten des Sozialismus berücksichtigt. Die Möglichkeiten, einen Weltkrieg zu verhindern, sind weiter gewachsen.Unsere Militärdoktrin geht aber auch und vor allem davon aus, daß der Imperialismus zwar nicht stärker, aber aggressiver geworden ist. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung: Solange der Imperialismus besteht, solange die imperialistischen Kräfte — allen voran die der USA und Westdeutschlands — weiter aufrüsten, sich dem Verbot der Kernwaffen, der Auflösung ihrer aggressiven Militärblocks sowie Militärstützpunkte und der allgemeinen Abrüstung widersetzen, solange bleibt die Organisation und Gewährleistung des ständigen und zuverlässigen Schutzes der sozialistischen Errungenschaften für jeden sozialistischen Staat eine zwingende Notwendigkeit.
In Übereinstimmung mit den prinzipiellen Grundzügen der sowjetischen Militärdoktrin über die Lage in Deutschland und Europa bestimmt die Militärdoktrin der DDR den politischen Charakter eines modernen Krieges wie folgt: Der moderne Krieg wird seinem politischen Charakter nach eine erbitterte bewaffnete Klassenauseinandersetzung zwischen dem Sozialismus und dem Kapitalismus sein. Er würde von beiden Militärkoalitionen mit aller Konsequenz und unter Einsatz sämtlicher verfügbarer Mittel geführt.
Seitens der Imperialisten würde dieser Krieg einen ausgeprägt räuberischen und aggressiven Charakter tragen. Die Imperialisten würden das Ziel verfolgen, den Streitkräften der sozialistischen Militärkoalition eine maximale Niederlage zuzufügen, die politisch-administrativen und ökonomischen Zentren und die Objekte des Hinterlandes der sozialistischen Staaten zu zerstören, ihre gesellschaftliche Ordnung zu liquidieren und die Völker der sozialistischen Länder zu unterjochen.
Die sozialistischen Staaten dagegen, die alles zur Verhinderung eines Krieges unternehmen, würden im Falle einer imperialistischen Aggression einen gerechten Krieg im Interesse der Werktätigen führen. Die Ziele der sozialistischen Staaten würden im Falle eines Krieges nicht weniger entschlossen sein als die der Imperialisten:
- völlige Zerschlagung der Streitkräfte des Aggressors bei gleichzeitiger Desorganisation seines Hinterlandes
- Brechung des feindlichen Widerstandswillens
- Hilfe der Arbeiterklasse und den Völkern der imperialistischen und unterdrückten Staaten bei ihrer Befreiung von der Herrschaft des Kapitalismus
- endgültige Vernichtung des Imperialismus.
Konsequenzen für die DDR
- Dieser Krieg wäre seitens der DDR ein gerechter Krieg zur Verteidigung ihrer Souveränität und der Errungenschaften der Werktätigen sowie eine erbitterte bewaffnete Klassenauseinandersetzung mit dem westdeutschen Imperialismus.
- Jede Aggression gegen die DDR hätte entsprechend dem Warschauer Vertrag und den abgeschlossenen Freundschaftsverträgen sofort die Einbeziehung der Bündnispartner der DDR zur Folge. Der Krieg wäre demzufolge von Anfang an ein Koalitionskrieg.
- Jeder vom westdeutschen Imperialismus entfesselte Krieg in Deutschland trüge seitens der DDR Züge eines nationalen Befreiungskrieges, da durch den Sieg über die imperialistischen Aggressoren auch für die Werktätigen Westdeutschlands der Weg zum sozialen Fortschritt, zur Demokratie und nationalen Unabhängigkeit frei wäre.
- Daraus leitet die Militärdoktrin der DDR die Forderung ab, daß die entwickelte sozialistische Gesellschaft die Bereitschaft aller Bürger unseres sozialistischen Staates braucht. Wir schützen gemeinsam, was wir gemeinsam schufen.
Bei der klassenmäßigen Erziehung der gesamten Bevölkerung der DDR müssen wir erreichen, daß alle bereit sind, im Falle einer imperialistischen Aggression— gleich welcher Variante — das sozialistische Vaterland entschlossen zu verteidigen.
Alle Werktätigen unserer Republik müssen bereit und in der Lage sein, die Handlungen der bewaffneten Kräfte der DDR und ihrer Verbündeten zu unterstützen. Die bewußte Verteidigungsbereitschaft unserer Bürger setzt solche moralische Eigenschaften voraus, wie
- festes Vertrauen in die Beschlüsse und Weisungen der Partei- und Staatsführung; unerschütterliche Freundschaft zur Sowjetunion und ihrer Armee sowie zu allen Verbündeten
- unversöhnlicher Haß gegenüber dem Klassenfeind
- die Bereitschaft, im Falle eines Krieges unter kompliziertesten Bedingungen höchste Kampfbereitschaft und Arbeitsleistungen zu erreichen und notwendige Opfer auf sich zu nehmen.
Das ist das Wesentliche von der politisch-moralischen Seite unserer Militärdoktrin, die Grundlage unseres Wehrmotivs und zugleich auch der Gegenstand der sozialistischen Wehrerziehung.
Die militärisch-technische Seite der Militärdoktrin der DDR
Die wissenschaftlich-technische Revolution und die Revolution im Militärwesen bringen relativ schnelle Veränderungen der militärisch-technischen Seite hervor.Die Bewaffnung und Ausrüstung hat einen hohen moralischen Verschleiß. Großtechnik muß etwa aller 5 bis 10 Jahre erneuert werden. Damit verändern sich notwendigerweise der militärische Charakter eines Krieges, die Formen und Methoden seiner Führung sowie die anderen operativ-taktischen Maßnahmen.
Aus dem wissenschaftlich-technischen Stand im Militärwesen ergeben sich für die militärische Charakterisierung des modernen Krieges folgende Grundzüge:
Der moderne Krieg würde durch die weitreichenden technischen Kampfmittel und Massenvernichtungswaffen den gesamten Erdball erfassen, sich auf alle Kontinente und Ozeane, selbst auf den kosmischen Raum erstrecken. In diesem Sinne wäre er ein globaler Krieg.
Die Massenvernichtungswaffen bedingen den ungeheuren Vernichtungscharakter des modernen Krieges. Er würde verheerende Folgen für die Streitkräfte und das Hinterland (Bevölkerung, Wirtschaft) haben. Es gäbe keine Grenze zwischen Front und Hinterland mehr. Das Schwergewicht des bewaffneten Kampfes verlagert sich aus der Zone der Gefechtsberührung beider Seiten (in vergangenen Kriegen)auf die gesamte Tiefe der kriegführenden Seiten.
Die modernen Kampfmittel bringen mit sich, daß in einem künftigen Krieg von der ersten Minute an ein erbitterter Kampf um die Inbesitznahme und Behauptung der strategischen Initiative geführt wird. Das Überraschungsmoment wird daher eine große Rolle spielen. Die technischen Kampfmittel lassen heute einen Überraschungsangriff ohne längere Vorbereitungsmaßnahmen zu. Während die USA noch im zweiten Weltkrieg 18 Monate von der Kriegserklärung bis zum Abschluß der Mobilmachung benötigten, fliegt heute eine Rakete 18 Minuten von Europa nach Amerika.
Deshalb kann die strategische Entfaltung der Streitkräfte nicht erst mit oder nach Kriegsbeginn vollendet oder gar erst in Angriff genommen werden. Der Gegenschlag muß rechtzeitig organisiert und vorbereitet sein. Das Land auf die Bedürfnisse des Krieges umzustellen, erfordert eine relativ lange Periode. Es ergibt sich also die Notwendigkeit, bereits in Friedenszeiten und umfassend das Land auf die Abwehr einer imperialistischen Aggression vorzubereiten. Die Militärdoktrin der DDR enthält deshalb den Grundsatz: Im Krieg wird nur das funktionieren, was im Frieden gründlich vorbereitet wurde.
Die gewaltige Vernichtungskraft der Kernwaffen und die Bedeutung offensiver Kampfhandlungen zur Erringung der strategischen Initiative im modernen Krieghaben zur Folge, daß jede kriegführende Seite bestrebt sein wird, dem Gegner mit überraschenden Schlägen zuvorzukommen. Für die sozialistischen Staaten, insbesondere die UdSSR, bleibt daher im Falle der imperialistischen Aggression kein anderer Weg als sofort, von der ersten Minute des Krieges an, die strategische Initiative an sich zu reißen, um in kürzester Frist die ersten strategischen Hauptziele zu erreichen.
Der Nationalen Volksarmee, als Bestandteil der ersten strategischen Staffel im Warschauer Vertragssystem, obliegt eine große nationale und internationale Verantwortung. Aber auch für die anderen Bereiche der Landesverteidigung erwachsen daraus Aufgaben, mit denen sich die leitenden Organe bereits jetzt vertraut machen müssen.
Da in einem möglichen Weltkrieg große Mengen neuester technischer Kampfmittel zum Einsatz kommen werden, sind auch Massenarmeen im bewaffneten Kampf erforderlich. Sie werden nach Millionen zählen und in weit größeren Räumen handeln als in vergangenen Kriegen. Die Erfahrungen zeigen: Je größer und komplizierter die Anzahl der technischen Mittel in den Streitkräften ist, um so mehr Menschen nehmen direkt oder indirekt am bewaffneten Kampf teil. Da im modernen Krieg die Grenzen zwischen Front und Hinterland fast völlig verwischt sind, werden folglich alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in die Kriegshandlungen einbezogen.
Im Gegensatz zu den abenteuerlichen Auffassungen der Mao-tse-Tung-Gruppe, die die Bedeutung der modernen technischen Kampfmittel sträflich unterschätzt, gehen wir in unserer Militärdoktrin von richtigen Relationen zwischen Mensch und Technik im modernen Krieg aus— von der dominierenden Rolle des Menschen als Beherrscher der Technik. Deshalb lehrt unsere Militärdoktrin, daß die bewußte Tätigkeit der Menschen im modernen Krieg und die unerschütterliche Einheit zwischen Volk und Armee Grundprinzipien der sozialistischen Landesverteidigung sind.
In Europa würde der Krieg mit Massenvernichtungsmitteln geführt, gleich wie ihn die imperialistischen Aggressoren entfesseln. Europa wäre ein Hauptkriegsschauplatz einer künftigen militärischen Auseinandersetzung zwischen den beiden entgegengesetzten Koalitionen. Würde eine den Krieg mit konventionellen Mitteln beginnen, könnte er vermutlich schnell in einen Raketen-Kernwaffenkrieg hinüberwachsen.
Es ist anzunehmen, daß vor Beginn eines Krieges auf jeden Fall aber mit seiner Auslösung subversive feindliche Kräfte auftreten, die mit den Methoden des verdeckten Krieges die Verteidigungsfähigkeit der DDR lähmen wollen. Aus diesen prinzipiellen Ansichten über den Charakter des modernen Krieges enthält die Militärdoktrin der DDR die Schlußfolgerung, daß ein Krieg im Falle des massierten Einsatzes von Kernwaffen relativ kurz sein wird, daß aber das Land gegebenenfalls auch auf einen längeren Krieg eingestellt sein muß.
Die Vorbereitung auf einen Krieg hat außerdem zu gewährleisten, daß massierte gegnerische Kernwaffenschläge mit geringsten Verlusten überstanden werden. Dazu benötigen die Streitkräfte und die Bevölkerung die feste Entschlossenheit, den Sieg auch unter den kompliziertesten Bedingungen zu erringen. Diese hohe Moral muß ständig aufrechterhalten werden.
Für die Landesverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik ergibt sich zusammenfassend:
- Das System der Landesverteidigung hat Komplexcharakter und erfaßt demzufolge alle gesellschaftlichen und staatlichen Bereiche, die auf den modernen Krieg vorbereitet werden müssen.
- Das System der Landesverteidigung der DDR ist immanenter Bestandteil der sozialistischen Militärkoalition.
- Das Führungssystem der Landesverteidigung muß nach einheitlichen Prinzipien organisiert sein, damit alle Bereiche der Landesverteidigung straff, entsprechend der Lage, aber auch flexibel geleitet werden können.
- Durch ein zweckmäßiges System der Mobilmachung der NVA und der anderen bewaffneten Kräfte sowie der Umstellung des Staatsapparates und der Volkswirtschaft vom Friedens- auf den Verteidigungszustand müssen - die volle Verteidigungsbereitschaft und die Verteidigungsfähigkeit der DDR schnell hergestellt bzw. umfassend erhöht werden können.
Quellenangaben
- Gedanken zur Militärdoktrin der Deutschen Demokratischen Republik und zur allseitigen Überlegenheit der sozialistischen Militärkoalition. Für die Zeitschrift Miltärwesen (VS), Heft 9/68 von H. Keßler überarbeiteter Vortrag, gehalten am 22.5.1968 an der Parteihochschule "Karl Marx" beim ZK der SED, Generaloberst H. Keßler, Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung und Chef des Hauptstabes)
Die sowjetische Militärdoktrin in der gegenwärtigen Etappe (1988)
Gegenwärtig wird in der Welt, sowohl in den NATO-Staaten als auch in den sozialistischenLänder, viel über Militärdoktrinen geschrieben und gesprochen. Von der nuklearen Gefahr sind heute alle bedroht. Das Überleben im nuklear-kosmischen Zeitalter ist zur Hauptaufgabe der Menschheit geworden. Deshalb fordert das neue politische Denken, auch im Bereich des militärischen Denkens auf neue Positionen überzugehen. In unserer Zeit ist besonders deutlich zu erkennen, wie sich in den Militärdoktrinen sowohl das wahre Wesen der Militärpolitik als auch die Tendenzen bei der Entwicklung der Bewaffnung beim Aufbau und der Ausbildung der Streitkräfte reflektieren.Zum Wesen der Militärdoktrin
Was verstehen wir überhaupt unter Militärdoktrin? Warum existieren neben der Militärwissenschaft, der Militärtheorie ein solcher Begriff wie die Militärdoktrin? Das ist deshalb der Fall, weil auf dem Gebiet der Wissenschaft unterschiedliche Ansichten über die verschiedenen Fragen der Landesverteidigung und das Militärwesen vorhanden sein können. In theoretischer Hinsicht ist das sogar gut und notwendig, denn gerade durch die Gegenüberstellung von Meinungen wird die Wahrheit geboren, werden begründete Schlußforlgerungen ausgearbeitet. Einige Meinungsverschiedenheiten können aber nicht endlos ausgetragen werden, sondern die praktische Arbeit fordert einheitliche Ansichten über die Grundfragen des Aufbaus und der Ausbildung der Streitkräfte.
Die Militärdoktrin stellt nicht einfach die Gesamtheit der theoretischen Ansichten zu diesen Fragen dar. Es handelt sich hierbei um ein System von Thesen, das erstens die offiziell gültigen, für die militärischen Kader verbindlichen Ansichten widerspiegelt; zweitens umfaßt die Militärdoktrin nicht die Gesamtsumme der militärpolitischen und militärtechnsichen Kenntnisse, sondern nur die grundlegenden Schlußfolgerungen, die die Hauptrichtungen des militärischen Aufbaus und der Ausbildung der Streitkräfte bestimmen.
In wissenschaftlicher Hinsicht gründet sich die Militärdoktrin der sozialistischen Länder auf die marxistisch-leninistische Lehre vom Krieg und von den Streitkräften, auf die Militärwissenschaft und das Gesamtsystem der Kenntnisse über den Krieg und die Streitkräfte. Die Militärdoktrin wählt aus dem Gesamtsystem der militärischen Kenntnisse die wichtigsten, die Schlüsselthemen aus und fixiert sie in Vorschriften und anderen offiziellen Dokumenten. Ausgangspunkt sind dabei die konkreten militärisch-politischen Aufgaben in der gegenwärtigen Etappe, die Sicherheits- und Verteidigungsinteressen der sozialistischen Länder bei dem z.Z. existierenden Niveau der militärischen bedrohung sowie die ökonomischen und militärischen Potenzen des eigenen Staates und der verbündeten Länder.
Die Militärdoktrin trägt Klassencharakter, sie leitet sich aus der Politik eines Staates ab und ist ihr untergeordnet. Als ein Komplex der staatlichen Ansichten über die Lösung der Verteidigungsaufgaben geht sie von den objektiven Bedingungen aus - dem Charakter der Gesellschaftsordnung, den ökonomischen und geographischen Besodnerheiten eines Staates sowie dem Entwicklungsstand der Mittel des bewaffneten Kampfes.
Zwei Seiten der Militärdoktrin
Die Militärdoktrin weist zwei Seiten auf - eine politische und eine militärisch-technische.In diesem Zusammenhang muß bemerkt werden, daß im Westen mitunter Widersprüche in der politischen und militärisch-technischen Seite unserer Doktrin gesucht werden, indem man nachzuweisen versucht, daß sie sich nicht gegenseitig entsprechen. Die sowjetische Militärdoktrin wie auch die Militärdoktrin der sozialistischen Staaten als Ganzes sind ihrem inneren Wesen nach einheitlich. Der Grundstein für die Ausarbeitung der einheitlichen Militärdoktrin des Sowjetstaates und seiner Streitkräfte wurde schon von M.W. Frunse gelegt. Und sie existiert in dieser Form in der Praxis, im Leben. Und wenn manchmal rein fiktiv, rein theoretisch in ihr die politische und die militärisch-technische Seite unterschieden werden, dann geschieht das ausschließlich mit dem Ziel, die wichtigsten Aspekte der Militärdoktrin besser verstehen zu können. Die organisatorische Einheit der beiden Seiten der Militärdoktrin wird dadurch gewährleistet, daß die dominierende, die bestimmende Seite die politische ist, während sich die militärisch-technische Seite aus ihr ableitet und ihr untergeordnet ist. Deshalb kann es in einem sozialistischen Staat zwischen beiden Seiten keinen Widerspruch geben.
Die politische Seite unserer Miltärdoktrin, der Ausdruck der Militärpolitik des Staates, enthüllt das sozialpolitische Wesen des Krieges, die Einstellung zu den Problemen des Krieges und seiner Verhinderung im nuklearen Zeitalter, die Ausrichtung der militärpolitischen Aufgaben zur Festigung der Verteidigung und Gewährleistung der Sicherheit des Landes.
Die militärisch-technische Seite der Militärdoktrin geht von den militärpolitischen Zielsetzungen aus und legt fest:
- den Charakter der militärischen Bedrohung und des bewaffneten Kampfes und gegen welchen Gegner (welche Koalition) man zum Kampf bereit sein muß
- die Art der dafür benötigten Streitkräfte
- die Methoden zur Führung des bewaffneten Kampfes und zum Einsatz der Streitkräfte in diesem Kampf
- die Art und Weise, in der die Streitkräfte darauf vorzubereiten sind, die Ausrichtung der politischen und militärischen Ausbildung und Erziehung.
Die auf der Berliner Beratung des Politisch Beratenden Ausschusses am 28.Mai 1987 angenommene Militärdoktrin der Länder des Warschauer Vertrages spiegelt die Gemeinsamkeit der internationalistischen defensiven militärisch-politischen Ziele der verbündeten Länder und ihrer nationalen Militärdoktrinen wider. Diese Ziele beeinträchtigen in keiner Weise die nationalen Interessen irgendeines Landes und stehen keinesfalls im Widerspruch zueinander, sondern sie ergänzen und verflechten sich gegenseitig, denn sie reflektieren die allgemeinen Grundinteressen des Schutzes des Sozialismus.
Die erstmalige Annahme allgemeiner abgestimmter Thesen der Militärdoktrin der Länder des Warschauer Vertrages ist von großer Bedeutung. Im internationalen Maßstab wird ist es dadurch möglich, die in vielen Jahrzehnten entstandenen gegenseitigen Verdächtigungen und das Mißtrauen zwischen den Staaten und verschiedenen Systemen abzubauen und zu einem besseren Verständnis für die beiderseitigen Besorgnisse und Absichten zu gelangen. Vom Standpunkt der Lösung der Verteidigungsaufgaben der sozialistischen Staaten aus betrachtet ermöglicht das, die Militördoktrin einheitlich auszulegen und unsere Verteidigungsanstrengungen abzustimmen.
Inhalt und Ausrichtung der sowjetischen Militärdoktrin
Das Hauptziel der Politik der KPdSU und des Sowjetstaates wie auch der anderen sozialistischen Länder besteht in der planmäßigen, allseitigen Vervollkommnung des Sozialismus und in der Entwicklung aller Seiten des Lebens in der Gesellschaft. Dieses Ziel läßt sich nur im Frieden und bei zuverläsigers Gewährleistung der Sicherheit erreichen. Aus dieser Friedenspolitik ergeben sich auch der Inhalt und die Ausrichtung der Militärdoktrin.Die gegenwärtige sowjetische Militärdoktrin stellt das System der offiziell gültigen grundlegenden Ansichten über die Kriegsverhinderung, den militärischen Aufbau, die Vorbereitung des Landes und der Streitkräfte auf die Abwehr einer Aggression und über die Methoden zur Führung des bewaffneten Kampfes zum Schutz des Sozialismus dar.
Das Neue besteht hierbei darin, daß im Gegensatz zu früher, als die Militärdoktrin als das System von Ansichten über die Vorbereitung auf einen Krieg und seine Führung definiert wurde, heute die Kriegsverhinderung ihrem Inhalt zugrunde liegt. Die Aufgabe, einen Krieg zu verhindern, wird zum höchsten Ziel, zum Kern der Militärdoktrin, zur Hauptfunktion des Staates und der Streitkräfte.
Selbstverständlich muß ein Weltkrieg vor allem durch politische Mittel verhütet werden. Dieses Ziel muß jedoch auch in der Verteidigungsfähigkeit seinen Niederschlag finden. Wie die historischen Erfahrungen zeigen, gibt es keine Politik in reiner, abstrakter Form. Sie kann nur dann realistisch sein, wenn sie den sozialen, ökonomischen, ideologischen und Sicherheitsinteressen des Staates in enger Wechselwirkung Rechnung trägt.
Die Mitwirkung an der Lösung des Problems der Kriegsverhinderung fordert von den militärischen Kadern, insbesondere denen der operativ-strategischen Ebene, den Zustand und die Entwicklungsperspektiven der Bewaffnung und Militärtechnik der eigenen und der gegnerischen Streitkräfte genau zu analysieren, damit eine Aggression zuverlässig verhindert werden kann. Gleichzeitig muß so gehandelt werden, daß das Wettrüsten nicht forciert wird. Das ist eine These grundsätzlicher Bedeutung. Ausgehend von dieser These ist in der Militärdoktrin und Militärstrategie die neue, mit den Problemen der Kriegsverhidnerung zusammenhängende Richtung entstanden.
Das Wesen der politischen Seite der Militärdoktrin besteht darin, daß der Sozialismus Kriege als Mittel zur Lösung politischer, ökonomischer und ideologischer Widersprüche zwischen Staaten konsequent ablehnt. Die sozialistischen Länder betrachten keinen Staat und kein Volk als ihren Feind und erheben an keinen Staat territoriale Ansprüche. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist ein Weltkrieg nicht mehr länger eine Fortsetzung der rationalen Politik durch andere, gewaltsame Mittel. Ein Kernwaffenkrieg könnte mit katastrophalen Folgen enden. Sogar ein konventioneller Krieg hätte unter den gegenwärtigen Bedingungen ernsthaftere Konsequenzen als in der Vergangenheit. Deshalb sind die UdSSR und die anderen sozialistischen Länder gegen jeden Krieg - sowohl gegen einen nuklearen als auch gegen einen konventionellen.
Gleichzeitig geht aber die sowjetische Militärdoktrin von dem folgenden Hinweis W.I. Lenins aus: "Eine Revolution ist nur dann etwas wert, wenn sie sich zu verteidigen versteht..." Die sozialistischen Errungenschaften werden wir mit aller Entschlossenheit schützen. Der Schutz des sozialistischen Vaterlandes ist eine heilige Aufgabe der gesamten Partei und des ganzen Sowjetvolkes. In gleichem Maße werden unsere Streitkräfte auch die Errungenschaften der mit uns freundschaftlich verbundenen sozialistischen Staaten entsprechend den abgeschlossenen Verträgen schützen. Die sowjetische Militärdoktrin erkennt auch die Rechtmäßigkeit von gerechten Kriegen der unterdrückten Klassen und Völker für ihrer Befreiung an.
Ein allumfassendes System der internaionalen Sicherheit kann nur durch einen Komplex von Maßnahmen auf militärischem, politischem, ökonomischem und humanitärem Gebiet erreicht werden. In dieser Richtung wurden von der Sojetunion und den Bruderländern konkrete Vorschläge unterbreitet - angefangen von der Reduzierung der konventionellen Kräfte bis hin zur vollständigen Beseitigung der nuklearen und chemischen Waffen. Durch den Abschluß des Abkommens zwischen der UdSSR und den USA über die Beseitigung der Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite wurde praktisch der Grundstein für eine kernwaffenfreie Welt gelegt. Bei den Verhandlungen über eine 50prozentige Reduzierung der strategischen Offensivrüstungen bei Einhaltung des ABM-Vertrages wurden Fortschritte erzielt. Die Sowjetunion beabsichtig aufrichtig, gemeinsam mit den anderen sozialistischen Ländern die konsequente Realisierung auch der anderen Vorschläge über die Reduzierung der Rüstugen und die Festigung der internationalen Sicherheit zu erreichen.
Eine außerordentlich wichtige Besonderheit der sowjetischen Militärdoktrin und der Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages als Ganzes besteht darin, daß sie ausschließlich Verteidigungscharakter haben. Sie erklären, daß sie unter keinen Umständen einen Krieg - weder einen nuklearen noch einen konventionellen - gegen einen beliebigen Staat in Europa oder in einem anderen Gebiet der Welt führen werden, wenn sie nicht selbst einem Überfall ausgesetzt sind. Niemals werden sie als erste Kernwaffen einsetzen.
Die Interessen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages würde das niedrigste Niveau des militärischen Verteidigungspotentials der Seiten entsprechen. Echte gleiche Sicherheit wird in unserem Jahrhundert nicht von einem hohen, sondern von einem möglichst niedrigen Niveau des strategischen Gleichgewichts garantiert. Da die Grenzen dieses Niveaus von den Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Staaten abhängen, muß die Verteidigungsmacht der sozialistischen Länder so aufgebaut werden, daß sie im Verhältnis UdSSR - USA sowie Länder des Warschauer Vertrages - NATO-Länder gleich ist, daß ihre Sicherheit gegenseitig und im internationalen Rahmen allgemein ist.
Solange dieses System zur Aufrechterhaltung der internationalen Sicherheit noch nicht geschaffen ist und die Kriegsgefahr fortbesteht, sind die Länder des Warschauer Vertrages gezwungen, ihre Verteidigungsfähigkeit, die Gefechtsbereitschaft ihrer Streitkräfte ständig zu vervollkommnen und die militärstrategische Parität aufrechtzuerhalten, um nicht zuzulassen, daß jemand über sie militärischen Überlegenheit erlangt.
Das Wesen der militärisch-technischen Seite der sowjetischen Militärdoktrin besteht in der Aufrechterhaltung der hohen Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte, die die Verhütung einer Aggression und die Kriegsverhinderung gewährleistet sowie die unverzüglichen Gegenhandlungen gegen einen Aggressor ermöglicht.
Die militärisch-technische Seite kennzeichnet vor allem den Charakter der militärischen Bedrohung. Sie hängt in einem hohen Maße vom Charakter und von der Ausrichtung der Militärdoktrin der Gegenseite ab. Wie in den Beschlüssen des XXVII. Parteitages der KPdSU und in den Beschlüssen einiger Bruderparteien festgestellt wird, muß trotz der Widersprüche zwischen den beiden Systemen die friedliche Koexistenz an Stelle der Konfrontation zum Gesetz der internationalen Beziehungen werden.
Kriegsgefahr noch nicht gebannt
Eine Analyse aller Faktoren, die die Entwicklung der militärpolitischen Lage bestimmen, bestätigt, daß in der Gegenwart die objektiven Möglichkeiten der Kriegsverhinderung anwachsen. Die reale militärische Bedrohung bleibt jedoch erhalten. In dem Kommuniqué der Tagung des Politisch beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages wird darauf hingewiesen, daß die Lage in der Welt nach wie vor kompliziert und widersprüchlich ist. Wie die Tatsachen beweisen, setzen die USA und die NATO die Hochrüstung fort, und ihre Militärdoktrin ist dem Wesen nach unverändert. In der USA-Militärdoktrin wurde die These von der Beseitigung des Sozialismus als politisches Systems offiziell verkündet und festgeschrieben. In der offiziellen Direktive für die Verteidigung im Zeitraum 1984-1988 heißt es, daß in einem Kernwaffenkrieg die "USA siegen und in der Lage sein müssen, die Sowjetunion zu zwingen, die Kampfhandlungen so schnell wie möglich zu Bedingungen einzustellen, die für die USA günstig sind".
Die Realitäten des nuklearen Zeitalters zügeln natürlich auch die aggressiven Betstrebungen des Imperialismus. Die Gefahr des eigenen Untergangs wird die Politiker der imperialistischen Staaten ernüchtern. Axiom ist jedoch auch, daß sich das Wesen des Imperialismus nicht grundlegend verändern kann.
Die imperialistischen Staaten finden bestimmte Wege zur Überwindung der zwischen ihnen bestehenden Widersprüche. W.I. Lenin sagte, "daß die Stärke einer Revolution, die Wucht ihres Ansturms, die Energie, die Entschlossenheit und der Triumph ihres Sieges gleichzeitig die Kraft des Widerstandes der Bourgeosie verstärken".
Unter den gegenwärtigen Bedingungen findet das in der antikommunistischen Ausrichtung der Politik der imperialistischen Staaten und in der militärischen Integration der wichtigsten kapitalistischen Länder seine Widerspiegelung. Das kommt vor allem in einer weiteren Verstärkung der NATO zum Ausdruck.
In der letzten Zeit widmet die militärpolitische Führung der NATO der Schaffung einer sogenannten westeuropäischen Verteidigung große Aufmerksamkeit. Die militärische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der BRD wird ausgeweitet. Keine geringe Gefahr stellt die militärische Integration zwischen den USA und Japan dar. Die USA sind bestrebt, sich unter Aufrechterhaltung der Drohung mit einem Kernwaffenkrieg Vorteile für die Führung eines konventionellen Krieges zu verschaffen. Zu diesem Zweck arbeiten sie Methoden zur Vorbereitung und Entfesselung eines solchen Krieges aus. Die Imperialisten rechnen damit, noch vor Kriegsausbruch die ökonomische Macht der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder durch Wirtschaftssanktionen und das Wettrüsten untergraben, deren Positionen in der Welt wesentlich schwächen und insgesamt die sozialistische Gesellschaftsordnung diskreditieren zu können. Bei der gegenwärtigen militärstrategischen Parität suchen die Imperialisten beharrlich nach Wegen zur Erreichung ihrer politischen Ziele - sowohl mit als auch ohne Krieg. Sie schließen in ihrer Militärdoktrin auch einen Kernwaffenkrieg nicht aus. Dabei wird offiziell unterstrichen, daß sie nach dem Ersteinsatz von Kernwaffen streben.
In den letzten Jahren sind die USA und ihre Verbündeten zu der Schlußfolgerung gelangt, daß es die zur Zeit verfügbaren strategischen nuklearen Rüstungen nicht gestatten, die militärische Überlegenheit über die UdSSR und die Länder des Warschauer Vertrages zu erringen. Den Ausweg aus der Sackgasse sehen die USA im SDI-Programm - in der Schaffung einer Raketenabwehr des Landes mit Elementen kosmischer Stationierung und kosmischer Angriffswaffen.
In die strategischen Offensivkräfte der USA werden interkontinentale ballistische MX-Raketen und strategische Bombenflugzeuge vom Typ B-1B eingeführt. Der Bau von kernkraftgetriebenen Raketen-U-Schiffen vom Typ „Ohio" mit „Trident-2"-Raketen an Bord wird fortgesetzt. Für die strategische Luftwaffe werden neue Flügelraketen entwickelt. Es wird an der neuen interkontinentalen ballistischen Rakete „Midgetman" und am Bombenflugzeug B-2 gearbeitet, die in den 90er Jahren in die Streitkräfte eingeführt werden sollen. Im Zusammenhang mit der begonnenen Vernichtung der Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite werden schon jetzt Maßnahmen zu ihrer „Kompensierung" ausgearbeitet. Sie sehen u. a. vor, die Schiffe der Seestreitkräfte mit einer großen Anzahl von Flügelraketen auszurüsten.
In den Kräften allgemeiner Zweckbestimmung der NATO ist entsprechend dem auf 20 Jahre konzipierten Entwicklungsplan, beschlossen von der NATO-Führung im Dezember 1985, die weitere Erhöhung ihrer Gefechtsbereitschaft vorgesehen. Es handelt sich dabei um die Umrüstung der Land-, Luft- und Seestreitkräfte auf neue Panzer, Artilleriesysteme, Flugzeuge und andere hochpräzise, weitreichende Waffen, die sowohl konventionelle als auch nukleare Mittel einsetzen können.
Verschiedene Übungen der NATO-Streitkräfte, bei denen in der Nähe der Staatsgrenzen der sozialistischen Länder starke Kräfte entfaltet werden, finden jetzt in einem größeren Umfang und mit einer höheren Intensität als früher statt. Die NATO-Militärdoktrin sieht vor, Schläge auf die gesamte Tiefe des Kriegsschauplatzes zu führen — auf unsere Führungsstellen, strategischen Kernwaffenkräfte, die wichtigsten Objekte der Luftstreitkräfte, Luftverteidigung und Seestreitkräfte, die zweiten Staffeln, die Reserven und Verbindungswege. Das zeigen besonders deutlich die „Air-Land Battle"-Konzeption und die FOFA-Konzeption. Hinsichtlich ihres Kampfbestandes, ihrer Unterbringung und operativen Lage (einschließlich der zahlreichen vorgeschobenen Stützpunkte und Flottenkräfte) sowie der Stufe der ständigen Gefechtsbereitschaft sind die NATO-Streitkräfte offensichtlich fähig zur strategischen Offensive.
Zwei Systeme - zwei gegensätzliche Militärdoktrinen
Worin sehen wir den Unterschied zwischen den Militärdoktrinen der Länder des Warschauer Vertrages und der NATO, welche Veränderungen sind in der Militärdoktrin der Länder des Warschauer Vertrages eingetreten?
Spricht man von der sowjetischen Militärdoktrin, dann muß festgestellt werden, daß sie in militärstrategischer Hinsicht stets Verteidigungscharokter trug. Ihr Inhalt, besonders in Bezug auf die militärisch-technische Seite, hat sich, ausgehend von der konkreten historischen Situation und den Verteidigungsaufgaben des Sowjetstaates, weiterentwickelt.
In den 20er und 30er Jahren, als sich die Widersprüche zwischen den kapitalistischen Ländern enorm zugespitzt hotten und das Bestreben der imperialistischen Staaten zu erkennen war, den ersten sozialistischen Staat der Welt auf militärischem Weg zu beseitigen, ging unsere Militärdoktrin davon aus, daß - so lange der Kapitalismus existiert - Kriege unvermeidlich sind, und schätzte den Charakter der für die UdSSR bestehenden Kriegsgefahr realistisch ein. Die sowjetischen Streitkräfte hatten jedoch nie die Absicht, irgend jemand zu überfallen, und sie haben auch niemand überfallen. Da uns jedoch Kriege aufgezwungen wurden, waren sie genötigt, zur Aggressionsabwehr Kriegshandlungen zu führen. In unseren Vorkriegsvorschriften wurde betont, daß dann, wenn uns der Gegner einen Krieg aufzwingen sollte, die Rote Arbeiter-und-Bauern-Armee offensiv kämpfen und die KampfhandJungen auf das gegnerische Territorium verlegen wird. Dabei wurde jedoch die Kampfart Verteidigung offensichtlich unterschätzt, was eine der Ursachen für unsere Mißerfolge zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges war. In den Nachkriegsjahren schlug die Sowjetunion sofort mit dem Aufkommen der Kernwaffen den konsequenten Kurs auf deren Beseitigung und die Unzulässigkeit des Einsatzes von Kernwaffen und aller anderen Massenvernichtungsmittel ein. Die Sowjetregierung gab die offizielle Erklärung ab, daß sie unter keinen Umständen als erste Kernwaffen einsetzen wird. In dem Maße, wie die Kernwaffen vervollkommnet wurden und ihre Zahl anstieg, wurden die katastrophalen Folgen ihres Einsatzes immer offenkundiger. Zur Zügelung des potentiellen Aggresors und Gewährleistung der Landesverteidigung wurden jedoch Maßnahmen mit dem Ziel getroffen, bei den Kernwaffenkräften die strategische Parität mit den USA zu erreichen. In der Mitte der 80er Jahre, vor allem aber nach dem XXVII. Parteitag der KPdSU sowie den Parteitagen der kommunistischen und Arbeiterparteien der Länder des Warschauer Vertrages, wurde erneut bekräftigt, daß trotz der vom Imperialismus ausgehenden militärischen Bedrohung unter den gegenwärtigen Bedingungen keine schicksalhafte Unvermeidlichkeit von Kriegen existiert. Ein Krieg kann verhindert werden. Gleichzeitig sehen wir jedoch, daß sich die NATO-Staaten weigern, sich zum Verziecht auf den Ersteinsatz von Kernwaffen zu verpflichten oder beispielsweise ein Nichtangriffsabkommen zwischen der Warschauer Vertragsorganisation und der NATO abzuschließen. Die Vorschriften der Streitkräfte der NATO-Hauptmächte gehen nach wie vor davon aus, daß ein Kernwaffenkrieg gewinnbar ist. Sie betrachten den Angriff als die Hauptart der Kampfhandlungen.
Zu voreingenommen und einseitig, ohne Berücksichtigung der real entstandenen Asymmetrien, wird auch die Frage der Verteidigungshinlänglichkeit gesehen. In der Brüsseler Erklärung der NATO-Länder vom 2. März 1988 heißt es, daß die Organisation des Warschauer Vertrages „eine unmittelbare Bedrohung der Sicherheit darstellt" und die NATO-Länder deshalb weiter rüsten und „im höchsten Maße asymmetrische Reduzierung seitens des Ostens" fordern müssen. Dabei wird eine gewisse Überlegenheit der Länder des Warschauer Vertrages bei Panzern oder der Artillerie hochgespielt, es wird jedoch nicht in Rechnung gestellt, daß das nordatlantische Bündnis fast 1500 Kampfflugzeuge (im wesentlichen Angriffsflugzeuge) mehr als die Länder des Warschauer Vertrages besitzt, bei Kampfhubschraubern fast doppelt so stark ist und hinsichtlich der Seestreitkräfte über die 2,5- bis 3fache Überlegenheit verfügt. Es werden Anstrengungen zur „Kompensierung" der Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite, deren Vernichtung begonnen hat, unternommen - Verlegung neuer als Kernwaffenträger geeigneter Flugzeuge vom Typ F-111 nach Europa, Stationierung von Schiffen und U-Booten, die mit Flügelraketen bestückt sind, in der Nähe der europäischen Küsten usw.
Die Macht der UdSSR, heißt es in dem Brüsseler Dokument, sei ein Hindernis für „unsere Hoffnungen auf eine Veränderung der politischen Situation in Europa". „Wir hoffen", so lesen wir weiter, „Europa vereinigt und einheitlich zu sehen", auf der Grundlage der „Werfe und Ideale" des Westens, abgesichert von der militärischen Stärke. Es wird die Treue der NATO zur nuklearen Abschreckung beschworen. All das steht aber im Widerspruch zu den Verpflichtungen, die auf der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 1975 in Helsinki von den Staaten übernommen und in der Schlußakte dieser Konferenz festgeschrieben wurden. Das läßt Zweifel am Verteidigungscharakter der NATO-Militördoktrin aufkommen.
Die Geschichte kennt viele aussagekräftige Beispiele, die beweisen, daß es zwecklos ist, mit der Sowjetunion und erst recht mit der sozialistischen Staatengemeinschaft die Sprache des Ultimatums zu sprechen. Deshalb ist es notwendig, die Situation realistisch einzuschätzen und in gemeinsamer Abstimmung nach gegenseitig annehmbaren Lösungen zu suchen, die die Sicherheitsinteressen beider Seiten berücksichtigen. Im nuklearen Zeitalter gibt es keinen anderen Weg. Anstelle der Verschärfung der Konfrontation sind reale Schritte zur Herstellung der Zusammenarbeit und zur Festigung der vertrauenbildenden Maßnohmen erforderlich. Unter Berücksichtigung all dieser Darlegungen sind wir verpflichtet, den Friedenskampf beharrlich fortzusetzen, dabei jedoch die nötige Wachsamkeit walten zu lassen.
Die militärisch-technische Seite der Militärdoktrin hat nicht nur den Charakter der militärischen Bedrohung bloßzulegen, sondern auch eine exakte Antwort auf folgende Fragen zu geben: Wie müssen die Streitkräfte vorbereitet werden?
Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist von der Möglichkeit sowohl eines konventionellen als auch eines nuklearen Weltkrieges auszugehen, denn die sowjetischen Streitkräfte werden gemeinsam mit den verbündeten Armeen einem Aggressor eine Abfuhr mit den Waffen erteilen, die er bei seinem Überfall einsetzt. Die Vorbereitung der Armee und Flotte auf einen konventionellen Krieg ist deshalb notwendig, weil infolge der katastrophalen Konsequenzen eines Kernwaffenkrieges der Gegner in den letzten Jahren immer stärker auf die Entfesselung eines Krieges mit konventionellen Mitteln setzt, wir aber - sollte der Aggressor einen solchen Krieg vom Zaune brechen - mit den gleichen Waffen, ohne zum Ersteinsatz von Kernwaffen überzugehen, antworten müssen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen gibt es für uns keine anderen, günstigeren Varianten, einem Aggressor militärisch Paroli zu bieten, als Antworthandlungen unserer Streitkräfte zur Abwehr einer Aggression. Gerade diese Handlungsmethode gestattet es, bis zum letzten Moment um die Verhinderung eines Krieges zu kämpfen, bei einem Überfall des Gegners jedoch seine Aggression zu vereiteln.
In militärpolitischer Hinsicht trug unsere Militärdoktrin stets Verteidigungscharakter. Jetzt wird dieses charakteristische Merkmol unserer Doktrin weiterentwickelt und vertieft, darunter auch auf dem Gebiet des Aufbaus, der Vorbereitung und des Einsatzes der Streitkräfte (der Kriegskunst). Die sowjetische Militärdoktrin geht von der Notwendigkeit aus, ein möglichst niedriges Niveau der Streitkräfte und Rüstungen der Seiten zu erreichen.
Das Prinzip der Verteidigungshinlänglichkeit besteht in seiner allgemeinen Form darin, daß ein eingeschränkter Bestand der Streitkräfte eines Staates oder einer Koalition, die Quantität und Qualität ihrer Rüstungen und der Stand der Gefechtsbereitschaft exakt dem Grad der militärischen Bedrohung gerecht werden, das militärische Gleichgewicht und die strategische Parität zwischen den sich gegenüberstehenden Seiten gewährleisten und den realen Erfordernissen bei der Gewährleistung der Sicherheit und der zuverlässigen Verteidigung des Landes und der Organisation des Warschauer Vertrages als Ganzem entsprechen.
Als eine vernünftige Grenze der Verteidigungshinlänglichkeit kann ein solches für sie notwendige Niveau betrachtet werden, bei welchem die garantierte Abwehr eines Überfalls und unter beliebigen Bedingungen der Kriegsentfesselung durch einen Aggressor dessen vernichtende Abfuhr gewährleistet sind. Es ist zweckmäßig, über Streitkräftegruppierungen zu verfügen, die nicht imstande sein sollten, Angriffsoperationen mit entschlossenen Zielen zu führen. Das ist aber nur dann möglich, wenn auch die Gegenseite auf Kernwaffen verzichtet und solche Grenzen bei sich einführt. Einseitig kann dos Problem der Verteidigungshinlänglichkeit nicht gelöst werden. Es muß auf Kernwaffen verzichtet werden, denn die Konzeption der nuklearen Abschreckung hat sich überlebt.
Neue Ansichten zur Führung eines Verteidigungskrieges
Der Verteidigungscharakter der Militärdoktrin hat Auswirkungen auf die Kriegskunst und besonders die Methoden des Einsatzes aller Teilstreitkräfte in der Anfangsperiode eines Krieges. Angesichts des Verteidigungscharakters der Militärdoktrin nimmt die Rolle der LV-Operotion zur Abwehr der Luft- und kosmischen Angriffsmittel des Gegners zu. Sie trägt am besten dem Verteidigungscharakter der Militärdoktrin Rechnung, und sie nimmt im Gesamtsystem des bewaffneten Kampfes zur Vereitelung einer Aggression des Gegners einen hohen Stellenwert ein. In einem gewissen Maße werden dazu schon in Friedenszeiten vorbereitende Maßnahmen geplant (Aufklärung, im diensthabenden System eingesetzte Truppenteile der Luftverteidigung usw.). Im Falle einer Aggression nehmen die an dieser Operation beteiligten Kräfte und Mittel als erste die Handlungen auf.
Im Falle der Entfesselung eines Kernwaffenkrieges durch die Imperialisten ist die Bereitschaft der strategischen Kräfte zur Führung von Gegenschlägen von entscheidender Bedeutung.
Eine überaus wichtige Form des bewaffneten Kampfes ist die Operation auf dem kontinentalen Kriegsschauplatz. Beim Verteidigungscharakter der Militärdoktrin würde das zu Kriegsbeginn aller Wahrscheinlichkeit nach eine strategische Verteidigungsoperation sein.
In den Flottenoperationen auf den ozeanischen Schauplätzen und auf den Meeren müßten gegen überlegene Marinekräfte dei NATO-Staaten komplizierte und vielseitige Aufgaben gelöst werden! Im Rohmen der genannten strategischen Operationen werden allgemeine, gemeinsame und selbständige Operationen der Vereinigungen der Teilstreitkräfte durchgeführt, Im Maßstab der Operation auf kontinentalen Kriegsschauplätzen betrachtet die moderne Militärdoktrin die Frage von Angriff und Verteidigung in einem neuen Licht. Für die Streitkräftegruppierungen auf dem Kriegsschauplatz spielt zu Kriegsbeginn die Verteidigung eine größere Rolle als bisher. Sie ist nicht mehr länger eine bloße Nebenart der Kampfhandlungen, sondern wird auf dem Kriegsschauplatz vorsätzlich angewandt werden.
Andererseits kann allein durch die Verteidigung keine vollständige Zerschlagung des Gegners erreicht werden. Deshalb läßt sich die sowjetische Militärdokrin von der Notwendigkeit leiten, im folgenden (nach der Abwehr der gegnerischen Aggression) zu aktiven Handlungen mit dem Ziel überzugehen, dem Gegner eine vernichtende Abfuhr zu erteilen.
Aus dem Verteidigungscharakter der Militärdoktrin erwachsen höhere Anforderungen für die Gefechts- und Mobilmachungsbereitschaft der Führungsorgane und Truppen. Der Gegner, der sich frühzeitig für einen Oberfall bereitstellt, wird die dafür notwendigen Kriegsvorbereitungen rechtzeitig und gedeckt treffen. Unter diesen Bedingungen muß die Seite, die sich auf Antworthandlungen orientiert, ständig zur Abwehr beliebiger unerwarteter Handlungen des Gegners bereit sein.
Der Verteidigungscharakter der Militärdoktrin bedeutet nicht, daß wir uns bei der Führung der Verteidigung passiv verhalten werden. Selbstverständlich sichern die frühzeitige Vorbereitung des Überfalls und die Wahl seines Zeitpunktes dem Gegner bestimmte Vorteile, ihm würde deshalb zu Aggressionsbeginn die strategische Initiative gehören. Unsere Antworthandlungen müßten jedoch aktiv sein und so realisiert werden, daß sofort mit Kriegsbeginn ein beharrlicher Kampf um die Initiative einsetzt und die Absichten des Gegners vereitelt werden. Der vorsätzliche Übergang zur Verteidigung könnte in diesem Falle wie bei Kursk 1943 große Vorteile mit sich bringen, ganz zu schweigen vom politischen Gewinn.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es zweckmäßig, die Verteidigung so aufzubauen und die Verteidigungshandlungen so zu führen, daß dem Gegner gleich zu Beginn seines Angriffs eine vernichtende Niederlage zugefügt und nicht zugelassen wird, daß er einen tiefen Einbruch erzielt.
Beim gegenwärtigen Charakter des bewaffneten Kompfes wird die Effektivität aller Arten von Operationen und Kampfhandlungen in einem noch stärkerem Maße von der zuverlässigen Truppenführung und der Sicherstellung der Kampfhandlungen der Streitkräfte abhängen. Besondere Aktualität erlangen die Probleme der Erhöhung der Gefechtsbereitschaft der Führungsorgane, der Operativität ihrer Arbeit, der Überlebensfähigkeit der Führungsstellen und des Nachrichtensystems sowie des umfassenden Einsatzes von automatisierten Führungs- und Nachrichtenmitteln.
Konsequenzen für die Landesverteidigung
Der sowjetischen Militärdoktrin liegen zu diesen Fragen die Forderungen des Zentralkomitees der KPdSU zugrunde, in denen die grundsätzliche Bedeutung der Aufgabe betont wird, den Stand der Gefechtsbereitschaft, der Organisiertheit und Disziplin der Streitkräfte, die geschickte Truppenführung und die ständige Bereitschaft der Truppen, beliebige Anschläge auf die Souveränität des Sowjetstaates zu unterbinden, entschlossen zu verbessern. Die Grundlage der Ausbildung der Sowjetarmee und Seekriegsflotte bildet das Prinzip, sie das zu lehren, was unter Gefechtsbedingungen benötigt wird. Das Schwergewicht liegt hierbei auf der Ausbildung in der Führung der Kampfhandlungen mit konventionellen Mitteln, denn diese erfordert - unter Berücksichtigung der ständigen Gefahr des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen durch den Gegner - ein höheres Niveau der Kriegskunst und des militärischen Könnens. Die parteipolitische Arbeit sowie die politische und militärische Erziehung sind darauf gerichtet, bei den Armeeangehörigen hohe politisch-moralische Eigenschaften herauszubilden, ihre Wachsamkeit zu erhöhen und sie für die selbstlose Erfüllung ihrer militärischen Pflicht zum Schutze des sozialistischen Vaterlandes zu mobilisieren. Die wichtigste Voraussetzung für die Erhöhung der Kampfkraft der Streitkräfte besteht in der weiteren Verstärkung des organisierenden und leitenden Einflusses der Partei auf ihr Leben und ihre Tätigkeit, in der Festigung der Einzelleitung, der Erhöhung der Rolle und des Einflusses der Politorgane und Parteiorganisationen, der Festigung der Verbundenheit zwischen Volk und Armee und in der Aufrechterholtung der hohen militärischen Disziplin, Organisiertheit und vorschriftsmäßigen militärischen Ordnung. Die Angehörigen von Armee und Flotte werden auch künftig im Geiste einer hohen ideologischen überzeugtheit, der Ergebenheit gegenüber der Kommunistischen Partei und der Heimat, der Treue zur patriotischen und internationalistischen Pflicht, der Zuversicht in die erfolgreiche Erfüllung der Gefechtsaufgaben zur Abwehr einer Aggression unter beliebigen Bedingungen erzogen werden.
Die sowjetische Militärdoktrin geht davon aus, daß die Landesverteidigung Sache des ganzen Volkes ist. Eine der wichtigsten Lehren des Großen Vaterländischen Krieges besteht darin, daß nur durch die Anstrengungen des ganzen Volkes und unter der Leitung der Partei der zuverlässige Schutz des sozialistischen Vaterlandes gewährleistet werden kann. Sollte es den Imperialisten gelingen, einen Krieg zu entfesseln, dann wird es auch unter den heutigen Bedingungen in Kriegszeiten notwendig sein, zur Sicherstellung der Verteidigung und zur Abwehr der Aggression den ökonomischen, moralischen und militärischen Faktor, alle Kräfte und Mittel, alle Ressourcen, über welche der Sowjetstaat und die gesamte sozialistische Staatengemeinschaft verfügen, voll anzuspannen und maximal zu nutzen.
Die Leitung des militärischen Aufbaus und die Führung der Streitkräfte durch die Kommunistische Partei bilden die wichtigste Grundlage bei der Festigung der Verteidigung der sozialistischen Heimat.
Von großer Bedeutung für die weitere Festigung der Landesverteidigung sind die von XXVII. Parteitag der KPdSU beschlossen Umgestaltung, die gegenwärtig in unserem Land realisiert wird, die sich in der Sowjetgesellschaft vollziehenden tiefgreifenden sozialökonomischen, geistigen und kultureller Wandlungen.
Entsprechend den Forderungen unserer Partei und der Sowjetregierung müssen die Landesverteidigung, die Gefechtsbereitschaft von Armee und Flotte auf einem solchen Stand gehalten werden, daß uns tatsächlich keinerlei aggressive Kräfte überraschen können.
Quellenangaben
- Generaloberst M.Garejew: Die sowjetische Militärdoktrin in der gegenwärtigen Etappe. Miltärwesen, Heft 11/88
1987 | Über die Militärdoktrin
Wenn wir den 70. Jahrestag des Großen Oktober begehen, sind wir stolz auf die grundlegenden revolutionären Veränderungen, die unter dem Einfluss der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in der Welt geschehen sind. Die Ideen des Großen Oktobers und ihre Verwirklichung veränderten die Welt, schufen eine vollkommen neue Situation in den internationalen Beziehungen. Die Bildung des sozialistischen Weltsystems, die Formierung und Festigung der sozialistischen Gemeinschaft führten zu grundlegenden Veränderungen des Kräfteverhältnisses in der internationalen Arena zugunsten der für sozialen Fortschritt, Demokratie nationale Freiheit und Frieden kämpfenden Völker. Die Werktätigen einer Reihe von Ländern, inspiriert durch das Beispiel des sowjetischen Volkes, das sein Land vor dem Faschismus rettete und den Völkern Europas und Asiens die Freiheit brachte, stürzten die Herrschaft der Bourgeoisie und baue erfolgreich unter Führung ihrer marxistisch-leninistischen Parteien den Sozialismus auf. Die gewaltigen Erfolge, welche in Ihrem Land erreicht wurden, sind dafür ein markantes Beispiel.
Die Logik der sozialpolitischen Entwicklung der modernen Welt, die Anhäufung mächtiger Vorräte von Kernwaffen, die enorm anwachsenden Gefechtsmöglichkeiten der neuen, so genannten herkömmlichen Waffen stellten das Problem der Verhinderung eines neuen Weltkrieges in aller Schärfe vor die Menschheit, weil er den Völkern unsagbares Leid bringen würde.
Dieser Umstand führte zu einer neuen politischen Denkweise im Herangehen an das Problem Krieg – Frieden. Infolgedessen kamen die verbündeten sozialistischen Staaten zu dem eindeutigen Schluss: Den Krieg, besonders einen Weltkrieg, als Mittel zur Erreichung politischer Ziele zu betrachten, ist nicht nur unmoralische, sondern geradezu verbrecherisch. In der Welt von heute bildeten sich objektive Bedingungen heraus, unter denen der Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus, nach Meinung unserer Staaten, nur und ausschließlich in Formen der friedlichen Wettbewerbs und Wettstreits ausgetragen werden sollte.
Diese Schlussfolgerung wird jedoch von der militärpolitischen Führung der USA nicht anerkannt. Sie hat sich nicht von der Politik des Hegemonismus losgesagt, hofft noch immer auf soziale Revanche, wiegt sich in der Illusion der direkten Konfrontation, leistet weiterhin dem neuen Kurs der sozialistischen Staaten zur Verhinderung eines Krieges erbitterten Widerstand. Der Imperialismus entwickelt intensiv seine materielle Basis zur Vorbereitung eines neuen Krieges und betrachtet diesen als wichtiges Instrument zur Erreichung seines hauptsächlichen Klassenzieles, das ja bekanntlich in der Vernichtung des Sozialismus als System besteht. Dafür gibt er jährlich steigende astronomische Summen aus, die sich auf hunderte Milliarden Dollar belaufen und für das permanente Wettrüsten unter Einbeziehung des Kosmos ausgegeben werden. Es zeichnet sich eine weitere Einigung der führenden imperialistischen Staaten auf antisozialistischer Grundlage ab. Die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Länder werden vor die Alternative gestellt, entweder in den teueren Rüstungsanstrengungen nachzulassen und damit dem Imperialismus die Möglichkeit der militärischen Überlegenheit und Verletzung der existierenden strategischen Parität zu geben sowie seinen politischen Willen von der Position der Stärke aus zu diktieren, oder an dem aufgezwungenen, ruinierenden Wettrüsten teilzunehmen und damit die sich daraus ableitenden negativen politischen und sozialen Folgen zu vertiefen.
Zur Rechtfertigung ihrer militärischen Politik werden die Führer des Imperialismus und der ihnen dienende propagandistische Apparat nicht müde, der Weltöffentlichkeit mit der „Aggressivität“ des Warschauer Vertrages, seinem „überwiegenden Angriffspotenzial“, das in erster Linie auf die Eroberung und die Errichtung kommunistischer Regime in den Entwicklungsländern ausgerichtet sei, zu drohen. Das alles schafft bei einem Teil der Weltöffentlichkeit eine falsche Vorstellung über den Standpunkt der Staaten des Warschauer Vertrages zu dem Problem von Krieg und Frieden, ruft eine gefährliche Spannung hervor und erhöht die Wahrscheinlichkeit der Entfesselung eines dritten, alles verwüstenden Weltkrieges.
Die Regierungen der verbündeten sozialistischen Länder fassten unter diesen Bedingungen den historischen Entschluss, die prinzipiellen Grundlagen der Militärdoktrin der Staaten des Warschauer Vertrages zu veröffentlichen. Gleichzeitig damit schlugen sie den NATO-Staaten vor, Konsultationen mit dem Ziel des Vergleichs der Militärdoktrinen beider Blöcke aufzunehmen, die in vielen Jahren angehäuften Verdächtigungen und das Miss-
Bis heute wurde die Militärdoktrin eines Staates oder einer Staatengruppe als System offizieller Ansichten zum Charakter des Krieges, zur Vorbereitung des Landes und seiner Streitkräfte auf den Krieg definiert. In dieser Deutung wurden der Krieg als Instrument zur Erreichung politischer Ziele durch Gewalt und die Streitkräfte als Hauptmittel dieser Gewalt betrachtet.
Die neue Denkweise der verbündeten sozialistischen Staaten zur Frage Krieg – Frieden bedingte die Notwendigkeit, die Formel der klassischen Definition der Militärdoktrin zu erweitern. Die prinzipielle These über das Verhältnis der Staaten oder Staatengruppen zum Krieg als Mittel zur Erreichung politischer Ziele wurde zusätzlich aufgenommen. Unter Berücksichtigung dieser Ergänzung wird die Militärdoktrin der Staaten des Warschauer Vertrages als System grundlegender Ansichten zur Verhinderung des Krieges, zum Militäraufbau, zur Vorbereitung des Landes und der Streitkräfte auf die Abwehr einer Aggression und zu den Methoden der Kriegführung zur Verteidigung des Sozialismus definiert.
Der Inhalt unserer gemeinsamen Militärdoktrin ist der Bekundung des politischen Willens der UdSSR und ihrer Verbündeten untergeordnet, alle Anstrengungen zur Lösung der Hauptaufgabe der Menschheit zu unternehmen, einen Krieg – sei es ein Kernwaffenkrieg oder auch ein mit herkömmlichen Waffen geführter Krieg – zur Erreichung politischer Ziele nicht zuzulassen.
Die verbündeten sozialistischen Staaten erklärten vor der gesamten Menschheit, dass sie niemals und unter keinen Umständen militärische Handlungen gegen irgendeinen Staat oder eine Staatengruppe beginnen, wenn sie nicht selber angegriffen werden. Sie erklärten weiterhin, dass sie niemals als erste Kernwaffen einsetzen, dass sie keine territorialen Ansprüche stellen und sich zu keinem Staat feindlich verhalten. Sie sind bereit, mit allen Ländern der Welt ohne Ausnahme Beziehungen auf der Grundlage der Berücksichtigung ihrer Sicherheitsinteressen und der friedlichen Koexistenz aufzubauen.
Die in der Doktrin dargelegten Verpflichtungen der Staaten des Warschauer Vertrages zeugen eindeutig von ihrem Verteidigungscharakter. Gleichzeitig wird in dem Dokument über die Militärdoktrin darauf hingewiesen, dass die Staaten des Warschauer Vertrages, falls sie trotz alledem angegriffen werden, dem Aggressor eine vernichtende Abfuhr erteilen. Diese grundsätzlichen Festlegungen der Doktrin stellen ein leuchtendes Beispiel der neuen Denkweise zu allgemeinen Fragen der Militärdoktrin der Staaten des Warschauer Vertrages, zu Fragen der Bestimmung und des Aufbaus sozialistischer Streitkräfte sowie zur weiteren Entwicklung der Kriegskunst dar.
Im allgemeinen politischen Sinn verneinen die verbündeten sozialistischen Staaten den Krieg als geeignetes Mittel zur Erreichung politischer Ziele. Den Krieg betrachten wir nur als aufgezwungen, als äußerstes Mittel zum Schutze der sozialistischen Errungenschaften, der nur dann geführt wird, wenn wir oder unsere Verbündeten von einem Aggressor angegriffen werden. Gleichzeitig müssen wir immer berücksichtigen, dass, solange der Kapitalismus existiert und seine reaktionären Führer den Krieg als Mittel zur Erreichung verschiedener politischer Ziele betrachten, die Kriegsgefahr reale Tatsache bleibt.
Daraus erwächst die Notwendigkeit, den Charakter eines möglichen, uns aufgezwungenen Krieges sorgfältig zu studieren und zu prognostizieren, wobei schon jetzt klar ist, dass er äußerst vernichtende Formen annehmen würde. Die Kriegshandlungen würden unter Bedingungen extremer physischer und psychischer Belastungen des Personalbestandes der Streitkräfte und der Bevölkerung, verbunden mit großen Verlusten und Verwüstungen,
verlaufen. Das Kräfteverhältnis könnte sich, auch das muss Berücksichtigung finden, in einigen Richtungen nicht zu unseren Gunsten entwickeln. Alles das dient als objektive Voraussetzung dazu, sinnvoller an die Fragen der Vorbereitung unserer Staaten und Streitkräfte auf einen Krieg heranzugehen, Leichtsinnigkeit in der Beurteilung des Gegners und auch eigener Möglichkeiten einer leichten und schnellen Zerschlagung seiner Kräfte bei der Abwehr einer Aggression nicht zuzulassen. Der Gegner ist nicht mehr derselbe wie früher, und seine Zerschlagung wird nicht leicht sein. Ein anderer Ausgang des Krieges steht jedoch außer Frage.
Wenn wir über die Bestimmung der Streitkräfte sprechen, dann besteht der Sinn des neuen Denkens darin, dass gegenwärtig unserer Streitkräfte nicht nur für die Abwehr einer Aggression bestimmt sind, sondern auch ein wichtiges Instrument des Aufhaltens der Versuche des Aggressors darstellen, einen Krieg zu entfachen. Mit diesem Ziel müssen wir unsere Streitkräfte auch in Friedenszeiten in einem solchen Bestand und Zustand halten, dass das bestehende militärstrategische Gleichgewicht, in erster Linie das nukleare, nicht zerstört wird.
Im Kampf für die Einhaltung des strategischen Gleichgewichts müssen die Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages alle Elemente ihres militärischen Potenzials auf einem solchen Stand halten, der dem Gegner alle Illusionen darüber nimmt, seine Ziele – auch nach einem unerwarteten Überfall – je zu erreichen. Das ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe, weil es notwendig ist, sie mit einem minimalen Bestand an Kräften und Mitteln zu lösen. Bei der Bestimmung dieses Bestandes müssen wir von dem Prinzip der absolut notwendigen Anzahl von Truppen ausgehen und den Grad der Kriegsgefahr, den Charakter und die Intensität der Kriegsvorbereitungen des Imperialismus, den Bestand der gegenüberstehenden Gruppierungen und diese Möglichkeiten ihrer Verstärkung sowie ihre möglichen Handlungen berücksichtigen. Der Sinn der These von der absolut notwendigen Anzahl von Truppen besteht darin, die Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages in einem solchen Bestand und Zustand zu halten, um in der Lage zu sein, jede beliebige Art der Aggression sicher abzuwehren.
Nachfolgend erläutere ich ausführlicher den Begriff des neuen Denkens in Fragen der Kriegskunst, eines wichtigen Elements der militärwissenschaftlichen Seite unserer Doktrin, Prinzipiell neu in dieser Frage stellt sich das Herangehen an das Verhältnis von Angriff und Verteidigung in militärischer Hinsicht dar. Dieses Herangehen geht aus zwei wichtigen Seiten unserer Doktrin hervor.
- E r s t e n s beginnen wir unter keinen Umständen als erste irgendwelche Kriegshandlungen.
- Z w e i t e n s erhält der Gegner von uns eine gebührende Abfuhr, wenn er versucht, die vereinten sozialistischen Staaten zu überfallen. Unter Berücksichtigung des politischen Beschlusses, Kriegshandlungen nicht als erste zu beginnen, müssen wir die Priorität in der Anfangsperiode des Krieges, besonders in den ersten Stunden und Tagen, der Verteidigung einräumen. In dieser Periode werden vor allem Verteidigungsoperationen bis in die strategische Ebene hinein geführt. Dazu muss die Bereitschaft zur Durchführung solcher Operationen in vollem Umfang bereits im Frieden sichergestellt werden. Die Verteidigungshandlungen dienen nicht mehr nur dazu, den Aggressor in der Anfangsperiode des Krieges „ausbluten“ zu lassen, ihn schnellstens aufzuhalten und damit notwendige Bedingungen für aktive Gegenangriffshandlungen zu schaffen, sondern auch dazu – und das ist sehr wichtig – den Gegner vorzeitig zu zwingen, sich einen Überfall auf unsere Staaten gründlichst zu überlegen. Was den Krieg als Ganzes betrifft, so wird nach unserer Meinung unter Berücksichtigung der Forderung unserer Doktrin, dem Gegner eine entschiedene Abfuhr zu erteilen, die Hauptgefechtsart der Vereinten Streitkräfte der Angriff sein. Das heißt, wenn der Gegner nach unserer Abwehr seine Kriegshandlungen nicht beendet und weiter versucht, seine aggressiven Pläne zu verwirklichen, muss er entschieden zerschlagen werden. Das kann man aber nur mit entschiedenen Angriffshandlungen erreichen.
Das neue Herangehen an das Verhältnis von Angriff und Verteidigung und die außerordentliche Wichtigkeit der gründlichen Vorbereitung und Führung von ersten Verteidigungsoperationen in der Anfangsperiode des Krieges diktieren uns als Notwendigkeit:
- E r s t e n s ist der Überraschungsfaktor entscheidend abzubauen, wofür eine gut organisierte und ununterbrochen geführte Aufklärung notwendig ist, die unter beliebigen Lagebedingungen das rechtzeitige Einbringen von Angaben über die unmittelbare Vorbereitung des Gegners zum Überfall und den ungefähren Beginn der Aggression garantiert.
- Z w e i t e n s ist eine gut ausgerüstete Verteidigungsgruppierung im notwendigen Bestand erforderlich, die ständig in hoher Gefechtsbereitschaft zu halten ist und entsprechend dem Anwachsen der gegenüberstehenden gegnerischen Gruppierungen schnell verstärkt werden kann.
- D r i t t e n s müssen wir die Fähigkeit besitzen, in kurzer Zeit eine solche schlagkräftige Gruppierung zu schaffen, die imstande ist, auf die ersten aggressiven Handlungen des Gegners ihm mit einem gewaltigen Antwortschlag auf seine Gefechtsordnungen und erstrangigen Ziele hohe Verluste zuzufügen und damit sein Angriffspotenzial noch bis zum Moment der Einführung seiner Schlagkräfte und –mittel in die Schlacht entscheidend zu schwächen. Auch diesen Antwortschlag muss man schon im Frieden vorbereiten.
- V i e r t e n s gilt es, unsere zweiten Staffeln und Reserven vor Schlägen der Fliegerkräfte und Präzisionswaffen des Gegners bei der Führung seiner Luft-Land-Schlacht zuverlässig zu decken.
Alles das kann nur durch selbstlose tägliche Arbeit der Kommandeure und Stäbe, durch eine effektive Gefechtsausbildung, einschließlich der politisch-moralischen Vorbereitung der Soldaten und Offiziere, sowie durch weite Voraussicht und die Durchführung notwendiger Maßnahmen erreicht werden. Unter diesen Bedingungen wird sich unsere Verteidigung nicht nur als eine Kraft erweisen, die in der Lage ist, ein Eindringen des Gegners abzuwehren und Voraussetzungen für erfolgreiche Gegenangriffshandlungen zu schaffen, sondern auch als ein Faktor, der den Aggressor veranlasst, von einem Überfall Abstand zu nehmen. Die Logik des militärpolitischen Denkens besteht darin, dass der Gegner, der in unsere Bereitschaft zur Abwehr einer Aggression sowie Standhaftigkeit, Aktivität und Stärke unserer Verteidigung kennt, sich nicht nur einmal die bekannte Wahrheit überlegen wird, dass „ein Krieg einfacher zu beginnen als zu beenden ist“. Dazu müssen wir ihn zwingen, denn das ist unsere Pflicht.
Die sowjetische Militärdoktrin, die sich auf der Leninschen Lehre über den bewaffneten Schutz des sozialistischen Vaterlandes Aufbau, trägt schon immer Verteidigungscharakter. Bereits am zweiten Tag nach dem Sieg des bewaffneten Aufstandes in Petrograd trat W. I. Lenin auf dem zweiten allrussischen Sowjetkongress mit einem Vortrag über den Frieden auf, indem er den Krieg zum erreichen von politischen Eroberungszielen verurteile und alle Werktätigen aufrief, „die Gräuel des Krieges zu verhindern“. Die Sowjetunion und die anderen Staaten des Warschauer Vertrages brauchen keinen Krieg. Er bringt ihren Völkern nur Opfer und Entbehrungen, bremst das Lösen von grandiosen inneren sozialen Aufgaben. Die Staaten der sozialistischen Gemeinschaft können ihre Vorzüge unter friedlichen Bedingungen im gegenseitigen Wettstreit mit dem Kapitalismus viel besser beweisen.
Wenn der imperialistische Aggressor jedoch ungeachtet unserer gemeinsamen Anstrengungen versucht, einen Weltkrieg zu entfachen, werden die Streitkräfte der UdSSR gemeinsam mit dem sozialistischen Bruderarmeen dem Feind eine entsprechende Abfuhr erteilen. Die Sicherheit unseres Landes und die der sozialistischen Gemeinschaft ist für uns eine heilige Sache.
Quellenangaben
- Rede Armeegeneral G.L. Salmonows, Chef der Akademie des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR
1989 | Die Militärdoktrin des Warschauer Vertrages und das Recht der Landesverteidigung der DDR
In der Gemeinsamen Stellungnahme des Politbüros des ZK der SED, des Staatsrates und des Ministerrates der DDR zu den Ergebnissen der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages am 28. und 29. Mai 1987 in Berlin wird festgestellt, daß die Militärdoktrin des Warschauer Vertrages "in völliger Übereinstimmung mit dem obersten Grundsatz der Politik unserer Partei und unseres Staates (steht), alles zu tun, daß niemals wieder Krieg, sondern immer nur Frieden von deutschem Boden ausgeht".
Diese Politik ist Staatsdoktrin des ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates seit seinem Bestehen. Dementsprechend enthalten die Verfassung und die Gesetze der DDR seit jeher Normen zum Schutz und zur Stärkung des Friedens und der Sicherheit sowie zur Verteidigung des Sozialismus. Als konzentrierter rechtlicher Ausdruck der marxistisch-leninstischen Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik der DDR stimmen sie grundsätzlich mit dem von der Berliner Tagung erklärten Verteidigungscharakter der Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages überein.
Ausgehend davon, daß die Militärdoktrin ein offizielles System von Anschauungen eines Staates oder Staatenbündnisses über Charakter und Formen der in einer bestimmten Periode zu lösenden militärischen Aufgaben darstellt, enthalten die rechtlichen Bestimmungen über die Landesverteidigung somit die militärdoktrinären Auffassungen der Deutschen Demokratischen Republik. Wir können deshalb feststellen, daß unsere Militärdoktrin neben politischen, sozialökonomischen, ideologischen und militärtechnischen auch juristische, und zwar sowohl staats- wie auch völkerrechtliche Faktoren enthält. Insbesondere betrifft das die politische Seite der Militärdoktrin, die auf der Grundlage der Machtverhältnisse und der sozialökonomischen Bedingungen die Ziele und die sich daraus ergebenden Anforderungen an unsere Landesverteidigung beinhaltet, die letztlich rechtlich fixiert sind.
Im folgenden soll durch einen Vergleich nachgewiesen werden, daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Leitung, Organisation und Sicherstellung der Landesverteidigung der DDR, einschließlich über den Wehrdienst in den Streitkräften, in vollem Einklang mit der Zielstellung, dem Wesen und den Prinzipien der im Mai 1987 beschlossenen gemeinsamen Militärdoktrin stehen, die - wie der Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Keßler, erklärte "der abgestimmten Militärpolitik und Militärstrategie in unserem Bündnis, darunter auch den Maßnahmen zum militärischen Schutz unseres Landes, auf lange Sicht Rahmen, Richtung und Ziel geben".
Wenngleich bereits im Warschauer Vertrag vom 14. Mal 1955 die Verpflichtung seiner Teilnehmerstaaten enthalten ist, "in Übereinstimmung mit der Satzung der Organisation der Vereinten Nationen, sich In ihren internationalen Beziehungen der Drohung mit Gewalt oder ihrer Anwendung zu enthalten und Ihre internationalen Streitfragen mit friedlichen Mitteln so zu lösen, daß der Weltfrieden und die Sicherheit nicht gefährdet werden" (Artikel 1) , besteht das Neue In der Berliner Erklärung darin, daß ausgehend von den Realitäten des nuklearkosmischen Zeitalters und des damit verbundenen neuen Herangehens an die Frage Krieg - Frieden alle Anstrengungen im politischen und militärischen Bereich auf die Verhinderung eines Krieges zu richten sind.
Deshalb geht die gemeinsame Militärdoktrin einleitend davon aus, daß es notwendig ist, "den Krieg ein für allemal aus dem Leben der Menschheit zu verbannen, das Wettrüsten zu beenden, die Anwendung militärischer Gewalt nicht zuzulassen, Frieden und Sicherheit zu stärken sowie die allgemeine und vollständige Abrüstung herbeizuführen". Dementsprechend ist— wie es weiter heißt -, "die Militärdoktrin des Warschauer Vertrages wie auch jeder seiner Teilnehmerstaaten ... der Aufgabe untergeordnet, keinen Krieg — weder einen mit nuklearen noch mit konventionellen Waffen geführten - zuzulassen".
Von diesen Prämissen ausgehend legt die Berliner Erklärung fest: "Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages ... betrachten keinen Staat und kein Volk als ihren Feind. Sie sind bereit, mit ausnahmslos allen Ländern der Welt die Beziehungen auf der Grundlage der gegenseitigen Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen und der friedlichen Koexistenz zu gestalten.".
Sie erklären, "daß sie Ihre Internationalen Beziehungen konsequent auf die Achtung der Prinzipien der Unabhängigkeit und nationalen Souveränität, der Nichtanwendung odef -androhung von Gewalt, der Unverletzlichkeit der Grenzen und territorialen Integrität, der friedlichen Streitbeilegung, der Nichteinmischung In die inneren Angelegenheiten, der Gleichberechtigung und der anderen Prinzipien und Ziele gründen, wie sie in der UN-Charta, der Schlußakte von Helsinki und In den weiteren allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts verankert sind". Sie „treten für die Verwirklichung von Abrüstungsmaßnahmen ein". Diese eindeutigen verpflichtenden Aussagen über den friedenbewahrenden Charakter der gemeinsamen Militärdoktrin, die dem humanistischen Wesen der sozialistischen Gesellschaftsordnung und der darauf beruhenden Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages entsprechen, sind in der DDR Verfassungsnorm. So bestimmt Artikel 6 unter anderem: „Die Deutsche Demokratische Republik ... betreibt eine dem Sozialismus und dem Frieden, der Völkerverständigung und der Sicherheit dienende Außenpolitik,...tritt für die Verwirklichung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz von Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung ein und pflegt auf der Grundlage der Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung die Zusammenarbeit mit allen Staaten,...setzt sich für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, für eine stabile Friedensordnung in der Welt und für die allgemeine Abrüstung ein." In Verbindung damit bestimmt Artikel 8 Abs. 1, daß „die allgemein anerkannten, dem Frieden und der friedlichen Zusammenarbeit der Völker dienenden Regeln des Völkerrechts ... für die Staatsmacht und jeden Bürger verbindlich" sind.
Auf der Grundlage entsprechender völkerrechtlicher Normen legt Artikel 7 fest: „Die Staatsorgane gewährleisten die territoriale Integrität der DDR und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenzen einschließlich ihres Luftraumes und ihrer Territorialgewässer sowie den Schutz und die Nutzung ihres Festlandsockels. Die DDR organisiert die Landesverteidigung sowie den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger." Von diesen Verfassungsnormen ausgehend und in voller Übereinstimmung mit der Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages stehend sind in dem von der Volkskammer der DDR beschlossenen Verteidigungsgesetz Bedeutung, Sinn und Zweck der Landesverteidigung der DDR wie folgt bestimmt:
„Die Deutsche Demokratische Republik verfolgt im engen Bündnis mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und den anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft sowie in Übereinstimmung mit allen friedliebenden Kräften der Welt das Ziel, den Krieg endgültig aus dem Leben der Völker zu verbannen, den Frieden und die Sicherheit in Europa und in der ganzen Welt weiter zu festigen und gegen jegliche Anßchläge zu schützen, das Wettrüsten einzustellen und die allgemeine und vollständige Abrüstung herbeizuführen.
Der Schutz des Friedens und der sozialistischen Errungenschaften des Volkes sowie die Gewährleistung der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen einschließlich des Luftraumes und der Territorialgewässer, der territorialen Integrität und der Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik und aller Staaten der sozialistischen Gemeinschaft erfordern von der Deutschen Demokratischen Republik die Organisierung der Landesverteidigung" (Präambel).
Zu den völkerrechtlichen und internationalistischen Grundlagen der Landesverteidigung der DDR und damit auf die Erfüllung ihrer Bündnisverpflichtungen zum Schutz des Friedens und des Sozialismus orientierend legt das Verteidigungsgesetz fest: „Die Landesverteidigug der Deutschen Demokratischen Republik erfolgt In Übereinstimmung mit dem Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung entsprechend Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, dem darauf beruhenden Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand vom 14. Mal 1955 und den Verträgen über Freundschaft. Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft" (§ 1 Abs. 3).
Entsprechend dem ausschließlichen Verteidigungscharakter der Militärdoktrin beinhaltet die Berliner Erklärung folgende Festlegungen: „Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages werden niemals und unter keinen Umständen militärische Handlungen beginnen, wenn sie nicht selbst einem bewaffneten Überfall ausgesetzt sind. Sie werden niemals als erste Kernwaffen einsetzen. Sie erheben keinerlei territoriale Ansprüche, weder gegenüber einem europäischen noch außereuropäischen Staat."
Diese Erklärungen gehen von der am 14. Dezember 1974 von der UNO angenommenen Resolution 3314 (XXIX) Ober die Definition der Aggression aus. Danach ist „eine Aggression die ernsteste und gefährlichste Form unrechtmäßiger Gewaltanwendung" (Präambel). Sie "ist bewaffnete Gewalt, die ein Staat gegen die Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates anwendet oder die in irgendeiner anderen Welse mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbar Ist" (Artikel 1). Und als Aggressionshandlungen bezeichnet die Resolution u. a. den „Überfall auf oder den Angriff gegen das Territorium eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates ..., die Bombardierung des Territoriums eines anderen Staates durch die Streitkräfte eines Staates oder den Einsatz jeglicher Waffen durch einen Staat gegen das Territorium eines anderen Staates..." (Artikel 2 Buchstaben a und b). Und weiter heißt es u. a.: „Ein Aggressionskrieg ist ein Verbrechen gegen den Weltfrieden" (Artikel 5).
Davon ausgehend und in völliger Ubereinstimmung mit der gemeinsamen Militärdoktrin legt die Verfassung der DDR fest: „Die Nationale Volksarmee und die anderen Organe der Landesverteidigung schützen die sozialistischen Errungenschaften des Volkes gegen alle Angriffe von außen" (Artikel 7 Abs. 2).
„Die Deutsche Demokratische Republik wird niemals einen Eroberungskrieg unternehmen oder Ihre Streitkräfte gegen die Freiheit eines anderen Volkes einsetzen" (Artikel 8 Abs. 2).
„Kein Bürger darf an kriegerischen Handlungen und Ihrer Vorbereitung teilnehmen, die der Unterdrückung eines Volkes dienen" (Artikel 23 Abs. 2).
Verstöße dagegen werden auf der Grundlage der Verfassung strafrechtlich verfolgt. Artikel 6 Abs. 5 bestimmt, daß „militärische und revanchistische Propaganda in jeder Form und Kriegshetze... als Verbrechen geahndet (werden)"; und Artikel 91 legt fest: „Die allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts über die Bestrafung von Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen sind unmittelbar geltendes Recht. Verbrechen dieser Art unterliegen nicht der Verjährung."
Die konkreten Tatbestände solcher Verbrechen sind im Strafgesetzbuch (StGB) der DDR enthalten, und zwar in
- § 85, der die Planung und Durchführung von Aggressionskriegen,
- § 86, der die Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten,
- § 87, der die Anwerbung für imperialistische Kriegsdienste,
- § 88, der die Teilnahme an Unterdrückungshandlungen, und
- § 89, der die Kriegshetze und Kriegspropaganda unter Strafe stellt.
In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, daß schon die erste Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 Normen zum Schutz des Friedens enthielt, wie z. B. das Verbot für die Bürger, an kriegerischen Handlungen, die der Unterdrückung eines Volkes dienen, teilzunehmen. In Obereinstimmung damit beschloß die Volkskammer der DDR bereits am 15. Dezember 1950 ein Gesetz zum Schutz des Friedens, in dem Kriegspropaganda zu einem der schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt und schwere Strafen dafür angedroht wurden. Im Interesse des zuverlässigen Schutzes vor Angriffen von außen enthält das Verteidigungsgesetz die Kriterien für die Beschlußfassung über den Verteidigungszustand der Deutschen Demokratischen Republik, die gemäß Artikel 52 der Verfassung durch die Volkskammer, im Dringlichkeitsfall durch den Staatsrat erfolgt. Danach wird der Verteidigungszustand nur beschlossen "im Falle der Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden Angriffes gegen die DDR oder Im Falle eines bewaffneten Oberfalles auf die DDR oder in Erfüllung internationaler Bündnisverpflichtungen" (§ 4 Abs. 2 Verteidigungsgesetz). Die Beschlußfassung über den Verteidigungszustand hat bekanntlich nur innerstaatliche Wirkung, indem sie Maßnahmen zur Umstellung des Landes auf die Abwehr einer möglichen Aggression auslöst. Dabei folgen — wie der Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Keßler, feststellt - "auch die direkten militärischen Vorkehrungen zu unserer Verteidigung ... dem Prinzip der Antworthandlungen. Das bedeutet unter anderem: Präventivschläge ... werden strikt ausgeschlossen. Kampfhandlungen von Streitkräften unseres Bündnisses oder eines Mitgliedstaates können und dürfen erst nach einer militärischen Aggression begonnen werden."
Angesichts der nach wie vor bestehenden Aktivitäten der Feinde des Sozialismus, den Abrüstungs- und Vertrauensbildungsprozeß zu stoppen und durch „Kompensation" und „Modernisierung" das militärstrategische Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verändern, besteht die Notwendigkeit, die Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft weiterhin aufrechtzuerhalten. Deshalb legt die sozialistische Militärdoktrin fest: „Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages betrachten es als oberste Pflicht, die Sicherheit ihrer Völker zuverlässig zu gewährleisten. Die verbündeten sozialistischen Staaten beanspruchen keine größere Sicherheit als andere Länder, werden aber auch keine geringere akzeptieren. Die gegenwärtig bestehende militärstrategische Parität bleibt ein entscheidender Faktor für die Verhinderung eines Krieges". Dazu "sind sie gezwungen, ihre Streitkräfte in einem solchen Bestand und auf einem solchen Niveau zu unterhalten, die es ihnen ermöglichen, jeden Angriff von außen gegen einen der Teilnehmerstaaten des Vertrages abzuwehren. Die Streitkräfte der verbündeten Staaten werden in einer Gefechtsbereitschaft gehalten, die ausreicht, um nicht überrascht zu werden. ... Sie halten somit streng den Rahmen des für die Verteidigung, für die Abwehr einer möglichen Aggression ausreichenden Niveaus ein." Diesem Prinzip der ausreichenden Verteidigungsfähigkeit entsprechen die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen der DDR. Bereits bei der Schaffung der Nationalen Volksarmee im Jahre 1956 wurde festgelegt, daß "die zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte ... entsprechend den Aufgaben zum Schutz des Territoriums der Deutschen Demokratischen Republik, der Verteidigung ihrer Grenzen und der Luftverteidigung (begrenzt wird)".
Damit wurde für den Aufbau und die Entwicklung der Streitkräfte der DDR von vornherein eine den objektiven Erfordernissen des Schutzes des Friedens und des Sozialismus entsprechende Begrenzung des Personalbestandes der Nationalen Volksarmee gesetzlich festgelegt. Was den Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee anbetrifft, so sind auf der Grundlage des Artikels 23 Abs. 1 der Verfassung, wonach "der Schutz des Friedens und des sozialistischen Vaterlandes und setner Errungenschaften ... Recht und Ehrenpflicht der Bürger der DDR (ist)", die gesetzlichen Festlegungen darüber im Wehrdienstgesetz geregelt. In § 1 dieses Gesetzes werden Inhalt, Wesen und Ziel des Wehrdienstes wie folgt bestimmt:
- (1) Durch den Wehrdienst sichert die DDR Ihren Bürgern die Wahrnehmung ihres Rechtes und die Erfüllung ihrer Ehrenpflicht, den Frieden und das sozialistische Vaterland und seine Errungenschaften zu schützen.
- (2) Mit dem Wehrdienst leisten die Bürger der DDR einen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung und Festigung des Friedens, zur Stärkung der sozialistischen Staatsmacht und zum sicheren Schutz des Aufbaus und der Errungenschaften des Sozialismus vor jeglichen Angriffen seiner Feinde.
- (3) Mit dem Wehrdienst ihrer Bürger stärkt die DDR als Teilnehmerstaat des Warschauer Vertrages die Einheit und Verteidigungsfähigkeit der sozialistischen Militärkoalition und trägt zur Erfüllung ihrer internationalen Bündnisverpflichtungen bei.
- (4) Der Wehrdienst ist so zu gestalten, daß die Landesverteidigung jederzeit gewährleistet ist.
- (5) Während der Mobilmachung und Im Verteidigungszustand sind in bezug auf den Wehrdienst alle Maßnahmen zu treffen, damit die DDR unverzüglich jeden bewaffneten Überfall abwehren und ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Die für die Mobilmachung und den Verteidigungszustand notwendigen Maßnahmen sind rechtzeitig vorzubereiten."
ln diesen gesetzlichen Regelungen findet der Sinn des Soldatseins im Sozialismus, wie er vom XI. Parteitag der SED formuliert wurde, eindeutig seinen juristischen Ausdruck.
In Übereinstimmung mit der in seiner Präambel dargelegten Zielstellung der Landesverteidigung enthält das Verteidigungsgesetz die für den Schutz des Friedens und der sozialistischen Errungenschaften des Volkes notwendigen Regelungen. So bestimmt z. B. § 7 Abs. 1, daß „die Volkswirtschaft... so zu leiten und zu planen (ist), daß die Landesverteidigung jederzeit ökonomisch sichergestellt ist". Und § 8 Abs. 1 legt fest: „Die ökonomische Sicherstellung der Landesverteidigung erfolgt auf der Grundlage der Pläne durch Lieferungen und Leistungen zur
- a) Deckung des Bedarfs der Nationalen Volksarmee, der anderen bewaffneten Organe und der Zivilverteidigung der DDR,
- b) v Gewährleistung anderer verteidigungswichtiger Maßnahmen und
- c) Bildung von Reserven".
Dazu sind in den Volkswirtschaftsplänen die unbedingt notwendigen Maßnahmen enthalten, die entsprechend der Jeweiligen militärpolitischen Lage unter Berücksichtigung des Prinzips der Hinlänglichkeit erforderlich sind.
Auf dem X. Parteitag der SED konnte mit Recht festgestellt werden: „Die Verfassung der DDR und das Verteidigungsgesetz verankern den obersten Grundsatz unserer sozialistischen Militär- und Sicherheitspolitik, alles zu tun, um Sozialismus und Frieden zuverlässig zu sichern".
Auf dem Empfang für die Absolventen der Militärakademien am 14. September 1988 stellte der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, Genosse Erich Honecker, fest:
„In ihrer Sicherheitspolitik wird sich unsere Partei auch künftig konsequent von der Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages leiten lassen. Die im Mal 1987 von den höchsten Repräsentanten der verbündeten sozialistischen Länder in Berlin beschlossene Erklärung über die Militärdoktrin enthält Ziel und Richtung der abgestimmten Militärpolitik und Militärstrategie unseres Bündnisses, eingeschlossen die Maßnahmen zum militärischen Schutz der DDR.
Den Frieden und den Sozialismus sicher zu behüten, keinen Krieg, weder einen mit nuklearen noch mit konventionellen Waffen geführten, zuzulassen, ist und bleibt oberster Grundsatz. Unsere militärischen Anstrengungen sind ausschließlich auf Verteidigung gerichtet, deren Standhaf-tigkeit jeder Angriffshandlung gegen die DDR, gegen die Staaten der sozialistischen Gemeinschaft die Aussicht auf Erfolg versagt. Darin besteht die friedenserhaltende Mission sozialistischer Streitkräfte, und darin liegt der humanistische Sinn des Soldatseins im Sozialismus". Diesem Ziel dienen auch die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zur Leitung, Organisation und Sicherstellung der Landesverteidigung in der DDR. Ihre konsequente und den jeweiligen Erfordernissen entsprechende Durchsetzung ist ein entscheidender Beitrag zur Erfüllung der in der Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages fixierten Militärpolitik und Militärstrategie unseres Bündnisses.
Quellenangaben
- Oberst L.Krumbiegel: Die Militärdoktrin des Warschauer Vertrages und das Recht der Landesverteidigung der DDR; Militärwesen, Heft 2/89