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SAR > SAR-Unfall mit Mi-8 1991

Absturz eines Mi-8-SAR-Hubschraubers

Der Unfall

Absturz SAR Mi-8 Zwischen Erfurt und Seebergen in der Nähe von Gotha ereignete sich am 25.März 1991 um 7.42 ein Flugunfall, bei dem eine Mi-8 zu Bruch ging. Tragischerweise war die Mi-8 selbst gerade zu einem Rettungseinsatz auf der Autobahn gerufen worden. Die Absturzstelle befand sich südlich der A4, 2km westlich der Anschlussstelle Erfurt-West; an diesem Punkt führt heute die A71 in den Thüringer Wald. Der Hubschrauber war als SAR-Hubschrauber in Erfurt-Bindersleben stationiert und gehörte zum LTG-65 in Brandenburg, vormals HS-16 (Grenztruppen) und THG-34 der NVA. Inzwischen trug die Maschine auch statt der taktischen Nummer 391 die Bundeswehrkennung 94+17.

Die Mi-8 war im Anflug zu ihrem Rettungseinsatz. Der Besatzung war es nicht gelungen, das starke Sinken rechtzeitig zu beenden, woran den Beschreibungen nach ein Leistungsverlust der Triebwerke Schuld hatte. Die Maschine konnte so nicht abgefangen werden. Der Hubschrauber setzte hart auf dem Feld auf und kam wenig später schwer beschädigt zum Stehen. Das abfallende Gelände trug seinen Teil dazu bei, dass die sich Heckschraube in den Boden grub und letztendlich der Heckträger brach. Mancherorts existierende Gerüchte, wonach die Besatzung beim Unterfliegen einer Hochspannungsleitung mit der Heckschraube in die Leitung kam und so den Absturz herbeiführte, sind nicht haltbar und werden von Zeugen dementiert.
Die Mi-8 war mit allerlei zu Rettungseinsätzen notwendigen medizinischen Ausrüstungen und Vorräten versehen. So kamen bei dem Unfall unter anderem etliche Blutkonserven zu Bruch, was den zu Hilfe Eilenden wohl den Eindruck eines riesigen Blutbades vermittelte. Ein Augenzeuge soll wohl vermeldet haben: "Das sah aus wie im Schlachthof!". Zur Erleichterung aller ist jedoch die für den geplanten Rettungseinsatz mitfliegende 6-köpfige Besatzung (2 Piloten, Bordtechniker, Rettungsärztin, Krankenschwester, Transporteur) nicht ernsthaft verletzt worden.

Für die Bundeswehr war es der erste Flugunfall mit einen Luftfahrzeug der ehemaligen NVA. Die Mi-8 war Schrott, es entstand erheblicher Flur- und Umweltschaden.

Die Erkenntnisse über den Unfallhergang sind nicht gesichert; allerdings wurde die Maschine im Nachhinein natürlich technisch genau untersucht - und die Untersuchung brachte keinerlei technisches Problem zum Vorschein, was die Annahme eines "plötzlichen Leistungsverlustes der Triebwerke" erhärten könnte. So ist am Ende doch wohl von einem Fehler des/ der Piloten auszugehen.

Ergänzungen von Andreas Schulz

Andreas Schulz, heute Rettungsassistent und seinerzeit mitfliegender Transporteur, entschärft entschieden einige Darstellungen:

Der Flug erfolgte mit absoluter Sicherheit über(!) den Hochspannungsleitungen. Da dies weiter oben auch eindeutig als Gerücht bezeichnet wurde, ist das auch wirklich realistisch und glaubhaft, wird auch von jedem Piloten sicher als wahrscheinlich angenommen - ohne Not wird man nicht darunter hindurchfliegen.

Weiter mit einem Zitat: "Der Hubschrauber hatte lediglich eine Notfallausrüstung, vergleichbar mit einem Rettungswagen.
Von der Ausrüstung ist nichts beschädigt worden. Der Notfallkoffer ist sogar noch zum Einsatzort gebracht worden.
Im Hubschrauber wurden keine Blutkonserven gelagert oder transportiert. Es gab also kein Bild eines Blutbades. Diese Beschreibung stammt wohl aus der Bild-Zeitung [...] Aber der Presse gefällt wohl die reißerische Darstellung vom Blutbad besser."

Die Bergung

Eine Bergung des verunglückten Hubschraubers tat not, denn er war an Ort und Stelle auf keinen Fall wieder flugfähig zu machen. Vorgesehen war die anschließende Überführung nach Brandenburg-Briest, dem Standort des LTG-65.

Der Tieflader, noch ohne Last havarierte Mi-8 havarierte Mi-8 havarierte Mi-8 Richten der Mi-8 mit Kran Nach dem Zweiten Absturz Nach dem Zweiten Absturz Absetzen des Hubschraubers in Erfurt Lufttransport nach Briest Lufttransport nach Briest

Der Transport des Mi-8-Restes war per Tieflader von einem nahegelegenen Autobahnrastplatz angedacht; bis dahin sollte er mit einer CH-53 als Außenlast gebracht werden. Die Mi-8 war aller Tragschraubenblätter entledigt worden, die Heckschraube hatte sich bei der Bruchlandung selbst zerlegt - so blieb ein kompakter Rumpf von ca.5t Masse übrig, der mit der CH-53 problemlos zu bewegen sein sollte.

Auf dem Flugplatz in Erfurt traf sich die CH-53-Besatzung (Piloten: Klaus Althoff und Jochen Rack) aus Rheine mit Angehörigen der Brandenburger Staffel zur Abstimmung des Einsatzes. Per Mi-8 flog man anschließend zur Begutachtung des Unfallgeländes. Was dort zu sehen war, stimmte die Besatzung optimistisch: das Gelände war weithin hindernisfrei, die ruinierte Maschine dank emsiger Arbeit der zahlreichen Brandenburger Techniker umfassend vorbereitet - und eine großräumige Absperrung zum Zurückhalten Schaulustiger machte sich nicht erforderlich, da sich seltsamerweise überhaupt keine Zaungäste eingefunden hatten. Der Tieflader und der benötigte Autokran waren ebenfalls vor Ort, so dass die eigentliche Bergungsaktion beginnen konnte.

Der Plan indes, den Hubschrauber an der Autobahnraststätte auf den Sattelschlepper zu verladen, wurde auf Initiative der Besatzung noch einmal geändert: wenn nun der Sattelschlepper schon einmal hier war, warum konnte man dann die Mi-8 nicht gleich hier auf den Hänger laden? Das Gelände war frei, die Besatzung konnte unter weniger Gefahr den Hubschrauber direkt auf der Ladefläche absetzen, und außerdem könnte man auf diese Weise eine lange Vollsperrung der Autobahn vermeiden. So wurden am Wrack noch einmal 2 Seile zum Drehen der Last befestigt, und der Plan konnte in die Tat umgesetzt werden. Also mit der Mi-8 zurück nach Erfurt und die CH-53 gesattelt.

Mit der CH-53 an Ort und Stelle wurden zunächst einige Trockenübungen nötig, damit später die Mi-8 zentimetergenau auf dem Sattelschlepper abgesetzt werden konnte. Zunächst schwebte die CH-53 ohne Last über dem Hänger. So konnte sich der Pilot unter Zuhilfenahme der Ansagen des Bordwartes einige Orientierungspunkte im Gelände merken. Später würden diese von großem Nutzen sein, denn die Sicht auf das genau darunter befindliche Fahrzeug war extrem schwierig.

Dann kam der große Moment: die CH-53 erhob sich über der Mi-8 in die Luft. Die durch die Kabine(!) geführten Seile strafften sich, saßen an den richtigen Stellen, alle Werte blieben im Normbereich - und schon baumelte die Unglücksmaschine frei in der Luft.  Ein kurzer Flug bis zum Sattelschlepper. Der Pilot setzte die Last sauber auf den Hänger, und schon war der Einsatz abgeschlossen. Aber irgendwie schien das alles nicht zu passen: jemandem war im Zuge der Vorbereitung ein großer Messfehler unterlaufen. Die Nase der Mi-8 saß perfekt auf dem Hänger, jedoch lag das Hinterteil an der hinteren Begrenzung des Wagens ebenfalls auf und so streckte die Unglücksmaschine ihren verbliebenen Heckträgerstumpf steil in die Höhe. Zu hoch für die meisten Autobahnbrücken auf dem Weg nach Brandenburg. Was tun?
Da der Autokran nun auch schon einmal an Ort und Stelle war, nutzte man ihn sogleich, um die Mi-8 auf dem Sattelschglepper etwas zu richten und so die nötige Verladehöhe zu erreichen. Doch der Kran mühte sich vergebens: immer wieder schaltete die Sicherheitsautomatik den Kran ab. Die ruinierte Mi-8 konnte nicht ernsthaft bewegt werden. Der Copilot mit seinem Kommentar "Da haben euch die Russen wohl einen 1.5t-Kran angedreht?!" zog böse Blicke der "bodenständigen" neuen Bundeswehrangehörigen auf sich, hatte sich der Kran doch bisher immer bewährt. Problem war der weiche Untergrund, auf dem eine waagerechte Standfläche nicht ermöglicht werden konnte. So wurde die Entscheidung gefällt, das ganze um 100m zu versetzen und den Versuch erneut zu unternehmen. Kurz nachdem der Kraz-Schlepper angefahren war, schlugen die freilaufenden Räder ein und blockierten. Trotz aller Tricks gab es kein Vorwärtskommen mehr. Auf dem weichen Boden war einfach kein Wenden möglich. 
Glücklicherweise ließ sich die Zuggabel des Anhängers abbauen und auf der anderen Seite des Aufliegers wieder montieren. Langsam bewegte sich das Gefährt nun in Richtung des neuen Verladeplatzes. Doch irgendwie meinte die Mi-8, sich die Demütigung eines Landtransportes ersparen zu müssen - plötzlich kippte sie seitwärts von Hänger! Der Schwerpunkt der Maschine lag zu hoch, ohne das Hauptfahrwerk mit seiner ausladenden Breite konnte sich das Wrack nicht halten.

Ratlos standen die Beteiligten vor dem erneuten Bruch. Vielleicht hätte man sie besser verzurren sollen..? Die fliegende Besatzung fasste in Anbetracht der hereinbrechenden Dunkelheit den Entschluss, die Mi-8 noch einmal aus ihrer misslichen lage zu befreien, insbesondere, da der Autokran an dieser Stelle jetzt völlig hilflos war. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, mussten die Gurte doch nun an der liegenden Maschine angebracht werden - was auch mit den seinerzeit herrschenden Sicherheitsvorschriften nicht ganz vereinbar war. Aber immerhin hatte die Besatzung ja kurz zuvor die Mi-8 schon einmal aus der misslichen Lage befreit, und so war es auf jeden Fall einen Versuch wert.

Auch dieses Mal wehrte sich die Mi-8 nicht gegen die Hilfe aus der Luft; sie ließ sich sauber aufrichten. Der Transport bis nach Erfurt erfolgte nun doch per Hubschrauber, und diesmal hatte man das Gurtzeug am Rotorkopf befestigen können. Schon kurz darauf stand die Unglücksmaschine wieder dort, wo sie ihren letzten Flug begonnen hatte, der eigentlich der Rettung anderer hatte dienen sollen. Über die Reste des Hubschraubers warf man vorerst eine Plane - nicht, weil man sich schämte, sondern um einen gewissen Schutz vor Andenkenjägern zu haben; schließlich verfügte man am Platz nicht über eine militärische Sicherung und so war das Objekt der Begierde wenigstens vor unerwünschter Entdeckung sicher.

Der Einsatz einer CH-53 der Bundeswehr auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war seinerzeit nicht ganz unproblematisch; generell durfte nur entlang bestimmter Strecken und nach Abstimmung mit den Verantwortlichen der Sowjetischen Streitkräfte geflogen werden. Die Luftraumstruktur war noch nicht vollends in den westlichen Standard integriert.

Der Rückflug der aus Brandenburg gekommenen Mi-8 war für VFR-Nacht vorgesehen; also eigentlich ein Flug, der zuvor jahrelang völlig unproblematisch vollzogen wurde. Nun machte jedoch die Luftraumkontrolle Schwierigkeiten und wollte diesen Flug nicht genehmigen. Die Besatzung war darüber sichtlich erbost. Nach einigem Hin und Her gab es letzten Endes doch die ersehnte Freigabe. 
Die CH-53-Besatzung hatte einen IFR über Fritzlar nach Bentlage vorbereitet, hier sollte es von vornherein weniger Schwierigkeiten geben. Pünktlich waren die APU am Erfurter Platz angelassen und Funkkontakt mit dem Tower aufgenommen. Es erfolgte nun der Hinweis an die Piloten, dass keine Clearance vorlag. Also Abwarten! Zur offiziellen Platzschließungszeit verloschen überraschend alle Lichter am Platz. Beruhigend war allein die Antwort des Towers, sie seien noch da, mit Bestätigung der Clearance würde der Platz einschließlich seiner Lichter den Betrieb wieder aufnehmen! Die wartenden Männer in der CH-53 staunten nicht schlecht, als irgendwann aus dem Dunkel eine Linienmaschine den Erfurter Tower anrief, eine nach Platzschließungszeit bei Dunkelheit schon recht ungewöhnliche Handlung. Die Maschine bat den Erfurter Tower, sich über die normale Telefonleitung bei Frankfurt-Radar zu melden. So kam Licht ins Dunkel dieses Rätsels: die Leitungen von Frankfurt aus waren komplett gestört, so dass Frankfurt Radar selbst über Telefon Erfurt nicht erreichen konnte. 5 Minuten später war die Situation bereinigt, und die CH-53 erhielt endlich die Freigabe für den Heimflug.

Irgendwann entschied man sich, den Weitertransport der Mi-8 nach Brandenburg-Briest auf dem Luftweg durchzuführen. Bei diesem Flug übernahm Jochen Rack, der beim ersten Bergungsversuch als Copilot flog, die Verantwortung und handelte nun als Pilot der CH-53.

Quellen

  • Bericht und Fotos von Jochen Rack
  • Ergänzungen von Andreas Schulz