"Ein Tag mit der blauen Hummel..." - Kranflugeinsatz mit Spezialflug Berlin
08.00 Uhr : Magdeburg, 4.Mai 2008
Foto-
galerie Sonntag. Ein ungewöhnlicher Tag für kommerzielle Hubschrauberfliegerei jenseits der Flugplatzfeste, aber heute stand Besonderes auf dem Programm: die Mannschaft um die Firma Spezialflug Berlin sollte an diesem Tag Klimaanlagenausrüstungen auf das Dach des City-Carrees in Magdeburg setzen. Der außergewöhnliche Zeitpunkt war vom Auftraggeber "befohlen" worden, um nicht während der Wochentage den Publikumsverkehr zu stören, also Shopper, Bedienstete und Beamte(?), die in den riesigen Gebäuden unmittelbar am Hauptbahnhof wohl sonst das Tagesgeschehen bestimmten.
Eine wunderbare Spotter-Gelegenheit für Hubschrauberfreunde. Und besonders spannend: der Einsatz würde mit einer Mi-8 geflogen!
Einsatzbeginn: 8.00 Uhr. Kurioserweise waren bisher nur wenige Zaungäste vor Ort. Wahrscheinlich gab es in Magdeburg gar keinen Buschfunk, der über das bevorstehende Highlight berichtete... Bisher drückten sich vielleicht 10 Leute wartend in der Gegend des Carrees herum.
An diesem Sonntagmorgen sollten die Magdeburger pünktlich geweckt und ihnen der Staub vom Frühstückstisch geblasen werden. Dass es nun doch später wurde, hatte seine Ursache in einer Menge vorbereitender Arbeiten, die noch notwendig waren.
Als provisorischer Landeplatz wurde der große Parkplatz unmittelbar neben dem Gebäudekomplex auserkoren. Vorsorglich war er vor Tagen von den Ordnungshütern in den blauen Autos und einem Verkehrsbeschilderungsdienst mit Warnhinweisen versehen worden, eindeutig kund tuend, dass hier am 04.Mai das Parken ... verboten sei. Natürlich finden sich stets Autofahrer, die das geflissentlich ignorieren (können). Auch hier mangelte es nicht an Einheimischen, deren PKWs sich auf dem Parkplatz tummelten. Den mit einer Hubschrauberlandung verbundenen Gefahren wollte man diese trotzdem nicht aussetzen, und so kam flugs ein Abschleppdienst herbei und setzte die Autos auf dem Platz um, in eine weniger gefährdete Ecke.
Der Platz war nun beräumt von "fremden" Fahrzeugen. Einzig der Sattelschlepper der österreichischen Spedition stand noch da, denn er hatte die gigantischen Ventilationsanlagen gerade hier her transportiert. Vor Ort ebenfalls ein Autokran, der diese Dinger entladen und auf dem Platz so positionieren sollte, dass später der Hubschrauber die Last aufnehmen konnte.
Nächste Aktion also: runter mit den Anlagen! Sauber zirkelte der Autokran die Anlagen vom LKW auf den Asphalt. Die anwesenden Techniker montierten die Anlagen nun so, wie sie später auf dem Dach stehen sollten.
9.30 Uhr
Die Uhr rückte vor, der Platz leerte sich. Sven Krey, Geschäftsführer von Spezialflug Berlin und selbst mit weiteren Firmenmitarbeitern per Auto angerückt, war nun der Meinung, dass die Mi-8 gefahrlos landen könne. Ein Anruf bei seiner Mannschaft in der Berliner Heimat, und die Maschine konnte starten.
Nun hieß es wieder warten für uns Begierige: eine Stunde würde wohl noch vergehen!
10.00 Uhr
Die Gegend füllte sich. Viele Magdeburger absolvierten wohl ihren Sonntagmorgen-Spaziergang und wurden angesichts des leergefegten und mit buntbefrackten Männern bestückten Parkplatzes aufmerksam und harrten genau wie wir der Dinge, die da (hoffentlich) kommen sollten.
10.30 Uhr
Ein zartes Brummen in der Luft. Nein, kein Polizei- oder Rettungshubschrauber, der (bei aller Achtung vor den zumeist modernen Maschinen, ihren Piloten und ihrem Beruf) gegenüber meiner erwarteten Mi-8 doch recht popelig wirkt. Mein Puls schlägt höher; Sollte sie es sein? Wann sieht man schon mal eine fliegende Mi-8? Aus östlicher Richtung tauchte ein zitterndes Pünktchen über den Wohnscheiben auf, die Magdeburgs Zentrum zieren. Rasch wurde es größer, in das Brummen mischte sich das auch nach vielen Jahren noch vertraute Zwitschern der Tragschraube. Die Mi-8 zog ihrer Bahn über das Carree, über den Bahnhof und setzte in einer scharf hingezogenen Kurve zur Landung an.
Standschwebe in 30m Höhe. Langsam setzte sich die Maschine, unter sich einen gewaltigen Schwall Luft verbreitend. Die Zaungäste verdrückten sich, suchten eine windgeschützte Ecke hinter den nächste Mauer auf. Ja, 21m Rotordurchmesser und 8 Tonnen machen schon was her! Der gesamte Dreck und Staub, der auf dem Parkplatz lag, wurde in der Umgegend verteilt und nahm den Anwesenden für Dutzende Sekunden die Sicht. Nur wir Harten trotzten dem Dreck und sahen hin!
Sichere Landung, auch dank der Routine der (Kran)flieger und der optimalen Beobachtungsmöglichkeiten aus der Maschine heraus. Sauber stand sie auf dem ihr zugedachten Platz, besäumt auf der einen Seite von Laternen, auf der anderen von Mauern des angrenzenden Grundstückes. Nach der Abkühlphase der Triebwerke verebbte der Lärm, die Maschine wurde abgestellt. Der Staub hatte sich inzwischen auch wieder gelegt :-) .
10.40 Uhr
Sven Krey begrüßte seine Mannschaft; nun hieß es erst einmal, die fliegende Besatzung mit der Aufgabe und den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Ein Besuch des Daches stand an, ein Mittelgebäude des Carrees sollte fortan die neuen Anlagen tragen. Die Monteure waren ebenfalls schon zum Dach unterwegs und konnten noch Abstimmungen mit der Besatzung treffen. Schließlich ist das Einfliegen eines 8m langen Teiles nicht ohne Geschicklichkeit und Absprachen möglich!
Zeit für uns technisch Interessierte, sich ein wenig mit der Mi-8 zu befassen. Allerlei Besonderheiten werden von uns entdeckt, die sonst an einer solchen Maschine nicht üblich, aber für den Kranflug äußerst nützlich sind.
Da gibt es zum einen die enormen Beobachtungsmöglichkeiten. Normalerweise kann der Pilot die Last selbst während des Absetzens unmöglich sehen und muss sich auf die Anweisungen des Bordtechnikers verlassen, der in der offenen Laderaumtür steht und nach dem Rechten sehen muss - und den Kopf permanent aus dem offenen Schiebefenster zu halten, ist auch unter Bedingungen geringer Fluggeschwindigkeiten keine gute Arbeitsbedingung. In dieser umgearbeiteten Mi-8 gibt es für den Piloten auf der rechten Seite ein riesiges Kugelfenster ("блистер"), von wo aus zumindest teilweise extrem gut nach unten gesehen werden kann.
In der Laderaumtür wurde für bessere Sicht ein Glaskasten angebaut (von mir "Aquarium" genannt), in diesen kann der Techniker mit dem Kopf hinein legen und nach unten sehen. Da auch das Liegen auf dem Laderaumboden unbequem ist, bringt sich der kluge Mann dafür eine Matratze mit...
Die Außenlastvorrichtung: für jeden, der schon die standardmäßige Vorrichtung der Mi-8 erlebte, eine erstaunlich sinnvolle Konstruktion. Kein großer Rahmen, der unter der Maschine hängt und die Last unter dem Schwerpunkt anbindet und so leichter zu einem Pendeln des Hubschraubers führt - hier wird eine Aufhängung direkt an den Spanten über dem Laderaum vorgenommen. Vier Seile, quadratisch abgespannt, laufen in ein Schloss, dass knapp über dem Ladraumboden in eine Stahltrosse mündet und durch eine Luke im Laderaumboden hindurch die Last trägt. Die Last greift im Schwerpunkt an und kann den Hubschrauber schwerer aus der Richtung ziehen, pendeln lassen. Durch die Luke im Boden gibt es natürlich auch die allerbeste Sicht auf die Außenlast.
11.25 Uhr
Die letzten "Planspiele" auf dem Asphalt des Parkplatzes waren geschafft.
Die Besatzung krabbelte in ihrer geräumige Mi-8. Draußen die Kontrollblicke der "Bodenständigen" - Umfeld frei - Anlassen! Der Bordtechniker bedient mit spielerischer Sicherheit seine Schalter. Vertraute Geräusche: Das Umlegen der Sicherungsautomaten und Schalter, die Umformer summten irgendwann vor sich hin. Das Öffnen der Brandhähne, die Ventile fahren auf. Jetzt wird es ernst...
Mit einem Surren beginnend setzt sich der Startergenerator des ersten Triebwerkes in Bewegung, wird immer schneller, dreht den Verdichter des Triebwerkes an. Plötzlich setzt ein Fauchen ein: das erste Triebwerk zündet und verbennt Kraftstoff, mehr als wir Autofahrer uns das vorstellen können. Nach zwei Dutzend Sekunden läuft das Triebwerk, nun geht es an das Anlassen des anderen.
Inzwischen schaukelt die Maschine wohlig; zwangsläufig entstehende kleiner Unwuchten führen dazu und geben stellen klar, dass sich der Quirl über der Maschine auch dreht.
Beide Triebwerke laufen nun. Der am Boden bleibende Techniker nimmt die Leiter ab, schiebt die Laderaumtür zu, ein letzter Kontrollblick. Die Bordtechniker platzieren sich an den für den Kranflug wichtigen Stellen: einer legt sich eine Matratze vor den Ausguck an der Laderaumtür und steckt seinen Kopf in das "Aquarium", der andere bezieht Poition über der Bodenluke, die das Lastseil aus der Maschine heraus lässt. Sozusagen der optimale Blick auf die Last.
3000 Pferde ziehen an der Maschine. Enormer Lärm, eine Menge Dreck ist auch wieder unterwegs :-). Kurze Standschwebe, und schon bewegte der Pilot die Mi-8 auf 20m Höhe etwas vorwärts, genau über die auf dem Parkplatz liegenden Anlagenteile. Mit Routine befestigten die Monteure die Tragseile der Anlagen am Schloss der Trosse. Der erste Überflug auf das Carree-Dach folgt und ist schnell erledigt, denn zuerst war nur ein kleines Teil zu bewegen.
Erneute Standschwebe über dem Lagerplatz. Der Monteur am Boden fängt das sich auf ihn absenkende Lastseil mit einem eigenen (geerdeten) Drahtseil ein; die statischen Aufladungen, die an der Mi-8 durch die Blattbewegung entstehen, haben gefährliche Auswirkungen und dürfen nicht unterschätzt werden!
Nun kommt das größte Teil an die Reihe, etwa 2,5 Tonnen schwer und sperrig. Nun dauert das Setzen auf dem Dach etwas länger; mit Geschick ziehen die Männer das Teil in die richtigen Lager, dank Halteseilen an den Ecken kann die Anlage noch passend gedreht und dirigiert werden. Beeindruckende Bilder durch die Luke direkt auf die Last. Unter dem Downwash der Mi-8 haben die Techniker ganz schön zu tun.
12.00 Uhr
Die Maschine steht wieder unten. 3 Runden mit der Mi-8, und alle Technik steht zuverlässig auf dem Dach. Kaum vorzustellen, dass der ganze enorme Aufwand für eine halbe Stunde Fliegerei war... Die Kehrseite ist aber, dass man mit einem Hubschraubereinsatz an dieser Stelle erheblich effektiver ist als mit Krantechnik und allem baulichem Aufwand in der Umgebung des Gebäudes. Ein Lob haben sich die fliegenden Männer und ihre Techniker am Boden an dieser Stelle schon verdient!
Nun kann es erst einmal eine kleine Mittagspause geben. Und die kann auch etwas länger werden: der geplante Weiterflug, der an diesem Tage noch nach Torfhaus/ Altenau im Oberharz führen wird, kann keinesfalls vor 15.00 Uhr starten. Das hat ziemlich bodenständige (und unverständliche) Ursachen: der Sportplatz, der in diesem Ort als Landeplatz gechartert ist, wird bis dahin für ein F-U-S-S-B-A-L-L-S-P-I-E-L genutzt - und so etwas kann ja in Deutschland unmöglich abgesagt werden! Dafür steht die Mi-8 eben 3 Stunden in der Warteschleife in Magdeburg.
Am nächsten Tage soll in der Nähe des Ortes ein Stromleitungsmastteil gewechselt werden, welchem der vergangene Winter arg zugesetzt hatte.
15.00 Uhr
Aus dem Harz kommt das Signal: der Platz ist frei! Die Fußballer haben sich schon verdrückt, aber nun muss dem besonders schönen Wetter noch Genüge getan werden... die trockene Witterung verwandelt diesen Platz, der kein Gras- sondern Splittplatz ist, in eine ruhende Staubwolke. Jetzt kommt der Großeinsatz für die örtliche freiwillige Feuerwehr, die nun dem Platz mit C-Rohr und Dutzenden Kubikmetern Wasser zu Leibe rücken soll. Das wird den größten Teil des Staubes bei der Landung am Boden halten.
15.25 Uhr
Start. Ein letzter Blick der fliegenden Besatzung und Techniker auf den Parkplatz am Carree, dann geht es ab in den Harz. Die guten 70 Kilometer sind in etwas mehr als 20 Minuten geschafft; zwischendurch interessante Ausblicke auf die Landschaft. Selbstverständlich wird auch eine erste Rekogniszierung des Fluggrundes in den Harz durchgeführt, also der Strommast begutachtet.
16.05 Uhr
Altenau nähert sich. Stilecht schippert die Mi-8 noch 5 Runden um den Ort, die Bwohner und Wanderer in der Umgebung aufscheuchend. Ausschau halten nach dem Landeplatz, der Richtung nördlichem Ortsausgang liegen muss. Nach wenigen Augenblicken ist er erspäht. Nun muss die Feuerwehr noch ihrem Kram beiseite räumen :-) ... mit viel Wasser haben die Kameraden die Atacama den Sportplatz in ein (hoffentlich) wenig staubendes Feld verwandelt. Jetzt sieht das ganze von oben aus wie bei einem Überflug über eine Tagebau-Erosionszone.
Der Landeanflug hat es in sich. Natürlich muss man weitgehend die Windrichtung beachten, aber östlich des Platzes/ Ortes , wo man eigentlich lang müsste, erhebt sich sogleich und steil der Harz. Also schiebenderweise über den Ort... ich selbst habe mich zuvor in das "Aquarium" verkrümelt, eng genug, um mit der Kamera stets am Rand zu kleben. Nun noch fleißig Kräfte aus dem Schieben der Mi-8 dazu, und schon liege ich fast bewegungsunfähig auf dem Laderaumboden.
Der Platz nähert sich, nun endgültig. Landeanflug, Landung - die Feuerwehr hat den nördlichen Teil des Feldes in ein wahres Moorbad verwandelt (jetzt durften sie zeigen, was sie so alles konnten, die Kameraden!), dennoch flogen Unmengen an Staub und Dreck durch die Straßen und das nahe Wohngebiet.
Die Mi-8 setzte zielsicher am befohlenen Punkt auf; die Initiative der Feuerwehr ging so weit, ein weiß umzirkeltes "H" auf dem Platz zu markieren. Leerlauf, Abkühlen, Triebwerke aus.
Schüchtern näherten sich die ersten Zaungäste... Altenau war an diesem Sonntagnachmittag um eine Attraktion reicher!
Bildnachweise
- Thomas Hietschold
- Heike Mohlau, Jena
- J.Schröder, Jena